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Roma in Frankfurt

Wie steht's um die Integration der Roma, Frau Eskandari-Grünberg?

Die Armut in Osteuropa treibt Roma nach Frankfurt, wo es ihnen an Mitteln und Unterkunft mangelt. Wir sprachen mit Integrationsdezernentin Eskandari-Grünberg darüber, wie die Stadt mit den Herausforderungen umgeht.
Waren Sie schon mal beim Slum im Gutleutviertel?
Ja, ich habe mir die Situation vor Ort angesehen. Ich denke, jeder, der ein solches Foto sieht, denkt instinktiv: das kann doch nicht wahr sein. Eine andere Frage ist, was man da tun kann. Ich möchte jetzt nicht in die Details gehen, aber es ist so, dass es für die Stadt Frankfurt gar nicht so einfach ist, hier tätig zu werden.

Roma müssen sich immer wieder Vorwürfe anhören, sie wollen sich nicht integrieren. Wie ist Ihre Erfahrung, wie steht es mit dem Integrationswillen der Roma?
Zunächst muss ich Sie wohl damit überraschen, dass die Gruppe der deutschen Roma nach einer Europaratskonvention zu den anerkannten nationalen Minderheiten gehört. Aber es stimmt schon, solche Vorurteile gibt es vermutlich so lange Roma in Deutschland und auch in Frankfurt leben. Vielleicht noch eine kleine Überraschung: Viele sind seit den 1950er Jahren als sogenannte ‚Gastarbeiter‘ hierher gekommen. Dass sie zur Gruppe der Roma gehören, spielte keine Rolle, war kein Thema und hat auch niemanden gestört. Auch in den heutigen Herkunftsländern, Bulgarien und Rumänien waren Roma ein durchaus integrierter Teil der Arbeitsbevölkerung. Der ökonomische Umbruch vor zwanzig Jahren hat in den Familien tiefe Spuren hinterlassen; wir kennen solche Geschichten ja auch aus Deutschland. Man kann Ihre Frage ja auch umkehren und feststellen, dass es immer noch an ausreichender Information und Angeboten für diese Bevölkerungsgruppe fehlt. Wo solche Angebote existieren, zum Beispiel in Frankfurt durch die Arbeit des Fördervereins für Roma und seiner Bildungseinrichtung „Schaworalle“, oder in Berlin in einem interessanten Wohnprojekt, gelingt Integration durchaus.

Viele Armuts-Zuwanderer aus Rumänien sind schlecht ausgebildet, sie sprechen weder Deutsch noch können sie lesen. Was tut die Stadt konkret, um diese Menschen zu integrieren?
Bei der sogenannten ‚Armuts-Zuwanderung‘ mag das stimmen; die ganz große Mehrheit der Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien ist jedoch gut ausgebildet; viele Arbeitgeber sind froh, dass sie solche Fachkräfte bekommen. Krankenschwestern oder auch Ärzte kommen inzwischen so oft aus Rumänien und Bulgarien, dass in den Ländern selbst diese Berufe schon wieder unterbesetzt sind. Ich möchte aber den Begriff der ‚Armuts-Zuwanderer‘ hinterfragen: Es sind Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen. Dieses Recht haben wir alle, und es beinhaltet auch das Recht, als Arbeitsloser in einem anderen Land nach Arbeit zu suchen.
Für die Gruppe, die Sie meinen, gibt es eine Reihe von Hilfsangeboten, gerade auch von Seiten der Gewerkschaft, der Wohlfahrtsverbände oder kleinerer Initiativen. Aber ich bin schon der Meinung, dass wir hier noch ein dichteres Informationsnetz spannen könnten.

Ist Bildung überhaupt der Schlüssel zur Integration?
Ja, aber nicht nur. Denn gute Bildung muss auch in gute Chancen münden. Hervorragend ausgebildete Fachkräfte aus dem Ausland – und in Frankfurt gibt davon jede Menge – erleben trotzdem immer wieder Vorbehalte, auch Diskriminierung. Viele setzen „Bildung“ ja auch irgendwie gleich mit einem ähnlichen Geschmack oder Lebensstil wie der imaginäre Durchschnitt der Bevölkerung. Das ist ein Trugschluss. Wir brauchen Zuwanderung, wir brauchen Fachkräfte – und ein Teil dieser Entwicklung wird sein, dass die Vielfalt der Lebensstile zunächst zunehmen wird. Über lange Sicht wird sich das wieder einpendeln, neue Elemente werden den Alltag aller bereichern. So war das schon immer. Gerade die Frankfurter Lokalgeschichte ist voll von Beispielen.

Und wie integriert man schulpflichtige Romakinder, wenn sie kein deutsch sprechen?
Laden Sie dieses Problem bitte nicht allein auf den ‚Romakindern‘ ab. In Frankfurt steigt ganz allgemein die Zahl neu zugezogener, schulpflichtiger Kinder, die kein oder zu wenig Deutsch sprechen. Die Gründe sind vielfältig. Schauen Sie sich einmal die Skyline an und überlegen Sie sich, wie viele Fachkräfte hier aus dem Ausland mit ihren Familien zuziehen. In Hessen gibt es für solche „Seiteneinsteiger“ ins Schulsystem das Angebot von sogenannten Intensivklassen und Intensivkursen. Die Vorstellung lernunwilliger Kinder ist dabei übrigens völlig falsch. Wenn man sie trifft, merkt man aber auch: Wir könnten noch mehr tun. Dafür brauchen wir aber geeignete Fachkräfte und die finanziellen und organisatorischen Mittel, sie einzusetzen. Für viele Roma-Kinder ist die „Schaworalle“ eine tolle Chance. Hier werden sie von Lehrern einer Kooperationsschule in eigenen Räumen unterrichtet und an den Regelunterricht herangeführt.

Tauschen sich die Städte mit ihren Erfahrungen aus? Was könnte Frankfurt noch besser machen?
Wir haben seit längerem Kontakt zu den Arbeitsgruppen des Deutschen Städtetages, auch im Hessischen Städtetages spielt das eine Rolle. Eine übernahmefähige Komplettlösung gibt es nirgends, dafür ist die Situation zu unterschiedlich, auch was kommunale Handlungsmöglichkeiten betrifft. In Mannheim gefällt mir gut, wie Neuzuziehende informiert werden, in Berlin gibt es ein interessantes Wohnprojekt an der Harzer Straße. Wir müssen uns in Frankfurt aber auch nicht verstecken. Ich habe ja schon einiges erwähnt, auch die Gesundheitssprechstunde für Roma ist hier zu nennen…

Besteht die Möglichkeit heruntergekommene Häuser in Frankfurt zu sanieren und sie Romafamilien zur Verfügung zu stellen?
Sie haben das Projekt in Neukölln angesprochen. Ich bin bereit, einmal nach Berlin zu fahren, und mir das genau anzusehen oder auch überall sonst hinzugehen, wo es gute Ideen gibt. Ich empfehle, bei guten Ideen aus anderen Städten keine Berührungsängste zu haben.

Haben Roma aufgrund ihrer Verfolgungsgeschichte größere Probleme sich zu integrieren als andere Bevölkerungsgruppen?
Na, das könnte man aber auch genau umgekehrt verstehen! Aufgrund der Verfolgungsgeschichte haben wir eine besondere Verantwortung, zum Beispiel die Verantwortung, sich dem Thema nicht populistisch zu nähern.

Was sagen sie Frankfurtern, die Vorbehalte gegen Roma haben?
Kein Mensch verlässt seine Heimat, um woanders in Not zu leben, sondern in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Und zur „Armutszuwanderung“ gehört auch eine Realität hier in Deutschland: Lohndumping, Mietwucher. An diesen Menschen verdienen auch hier zu Lande einige ganz gut. Gesamteuropäisch gesehen ist die Bilanz vermutlich ausgeglichen. Deutschland profitiert auch von der fachlichen Zuwanderung aus diesen Ländern oder von den dortigen Produktionsbedingungen. Was wir erleben, ist ein Teil europäischer Integration. Dass es nicht immer einfach ist, ist klar.

Dieses Interview entstand für unsere Titelgeschichte "Roma in Frankfurt", die Sie im aktuellen JOURNAL FRANKFURT nachlesen können. Für 1,80 Euro am Kiosk.
 
14. März 2014, 10.02 Uhr
Die Fragen stellte Nicole Brevoord
 
 
Fotogalerie:
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