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Foto: Jonas Lohse
Foto: Jonas Lohse

Neue Unterkünfte

Die unaufgeregte Diskussion über Flüchtlinge in Friedberg

Über 2000 Flüchtlinge, heißt es, sollen in Friedberg unterkommen. Eine Diskussion mit 500 Bürgern darüber verlief unaufgeregt – daran änderte auch der Auftritt einer angereisten Rechtsextremen nichts.
Über 500 Friedberger kamen am Mittwochabend in die Stadthalle, in die die Stadt Friedberg zur Bürgerversammlung eingeladen hatte. Thema: „Flüchtlinge in unserer Stadt“. Auf dem Podium waren neben Bürgermeister Michael Keller (SPD, Foto rechts) und Vertretern des Stadtrates auch Landrat Joachim Arnold (SPD), Regierungspräsidenten Brigitte Lindscheid (Grüne), Stefan Sydow, Leiter der Stabsstelle Asyl des Landes Hessen und Jürgen Kapp, der Leiter der Polizeidirektion Wetterau, geladen.

Stadtrat Hendrik Hollender eröffnete die Veranstaltung damit, den thematischen Rahmen eng zu umreißen: man werde nicht über Fluchtursachen und -bekämpfung sowie die bundesdeutsche Flüchtlingspolitik im Allgemeinen sprechen, sondern das Thema allein im Kontext Friedberg diskutieren. Also konkret: die Unterbringung der hier ankommenden Flüchtlinge, die in der ehemaligen US-Kaserne geplant ist.

„Obdachlosigkeit vermeiden – Integration ermöglichen“ – unter dieses Motto stellt Bürgermeister Michael Keller (SPD) die Flüchtlingsarbeit der Stadt Friedberg. Er schilderte zunächst, welche verschiedenen Unterkünfte es bereits gibt: Erstaufnahmeeinrichtung, Überlaufeinrichtung, Gemeinschaftsunterkünfte des Kreises, Gemeinschaftsunterkünfte der Stadt, Notunterkünfte und spezielle Einrichtungen für z.B. schutzbedürftige Flüchtlinge. Die Zahl der Flüchtlinge in städtischer Verantwortung, die im ersten Quartal 2015 noch bei 16 Personen lag, ist Anfang 2016 auf 214 Flüchtlinge angewachsen, und man gehe von rund 600 Personen bis zum Jahresende aus, so dass die bisherigen Kapazitäten längst nicht mehr ausreichten.

Die Zahl der tatsächlich in Friedberg lebenden Flüchtlinge ist aber noch höher, denn bevor die Flüchtlinge von den Städten betreut werden, sind zunächst sind auch der Kreis und das Land für die Unterbringung zuständig. In Deutschland eintreffende Flüchtlinge durchlaufen also mehrere Zuständigkeiten, bis sie auf kommunaler Ebene ankommen. So wird es in der alten US-Kaserne auch gleich zwei durch einen Zaun voneinander getrennte Aufnahmeeinrichtungen geben, wie Landrat Arnold und Regierungspräsidentin Lindscheid ausführten: eine der Stadt, und eine des Landes Hessen.

Die ehemalige „Ray Barracks“-Kaserne wurde bis 2008 durch die US-Armee genutzt. Sie befindet sich heute im Besitz des Bundes, mit dem die Stadt Friedberg bereits 2015 über eine Nutzung verhandelte. Damals scheiterte es noch an der vom Bund geforderten Miete – inzwischen hat sich etwas bewegt, und der Bund überlässt die Kaserne mietfrei. Drei bestehende Gebäude werden momentan als Aufnahmeeinrichtungen „ertüchtigt“. Der genaue Termin der Eröffnung steht noch nicht fest, aber die Einrichtung ist für bis zu 1000 Flüchtlinge ausgelegt.

Das Publikum rechnete im Kopf eifrig mit, aber eine Gesamtzahl von Flüchtlingen wollte sich niemand auf dem Podium festlegen lassen. In der Presse war im Vorfeld von bis zu 2500 Flüchtlingen zu lesen, was immerhin 10% der Stadtgesellschaft der Kreisstadt ausmachen würde. Die Vertreter von Stadt, Kreis und Land bezogen sich in ihren Ausführungen aber jeweils nur auf die Zahlen in ihren Verantwortungsbereich. Einzig Polizeidirektor Knapp ließ sich zu einem halbherzigen Dementi der kolportierten Gesamtzahl hinreißen.

Dennoch war die Stimmung unter den anwesenden Bürgern unaufgeregt, und weit entfernt von der aufgeladenen Stimmung, wie man sie zu diesem Thema aus den Kommentaren in sozialen Netzwerken und Leserbriefseiten antrifft. Doch auch in der Friedberger Stadthalle kamen kritische Fragen aus dem Publikum, und die erste lautete wenig überraschend: wer soll das alles bezahlen?

„Den letzten beißen die Hunde“ lautete die prägnante Antwort von Stadtkämmerer und erstem Stadtrat Peter Ziebarth (CDU). Zwar seien die Flüchtlinge eine gesamtstaatliche Aufgabe der BRD, aber die Verantwortung und damit auch die Finanzierung werde vom Staat an die Länder, Kreise und Gemeinden „nach unten“ durchgereicht. Die Städte bekommen pro Flüchtling rund 940 € mtl., wovon sie Unterbringung, Krankheitskosten und die „Lebenshilfe“ (Sozialhilfe) bestreiten müssen. Für den Bau und den Unterhalt der Flüchtlingsunterkünfte müssen die Städte aber in Vorlage treten und langfristige Verträge eingehen – sollte die Zahl der Flüchtlinge sinken, blieben also doch Kosten an den Städten hängen. Außerdem müssen die Städte die Folgekosten, also z.B. zusätzlichen Plätze in Kindergärten und Schulen selbst finanzieren – was aber laut Bürgermeister Keller aber ein wichtiger Baustein bei der Integration der Flüchtlinge und sehr gut angelegtes Geld sei.

Auch die Frage nach der Sicherheit beschäftigt die Bürger. Polizeidirektor Knapp sieht die Wetterauer Polizei aber auch ohne Aufstockung der Aufgabe gewachsen – die bisherige Erfahrung im Kreis sei, dass die Flüchtlinge nicht auffälliger seien als die Mehrheitsbevölkerung. Zwar stelle das Land Hessen 300 neue Polizisten ein, die müssten aber erst eine dreijährige Ausbildung durchlaufen.

Als die aus Bornheim bei Köln angereiste rechtsextreme Aktivistin Melanie Dittmer zum Bürger-Mikrofon griff, begann sich bereits der Saal zu leeren. Sie nutzte ihren Wortbeitrag, um auf die von ihr angemeldete asylfeindliche Demonstration in Büdingen hinzuweisen, was prompt von den Organisatoren der Gegendemo mit einem entsprechenden Hinweis erwidert wurde, aber sonst nur für wenig Unruhe sorgen konnte.

Stadtrat Hollender schloss den Abend mit dem Hinweis, dass Friedberg 60 Jahre lang 5000 US-Soldaten in der Stadt hatte, was auch nicht immer problemfrei gewesen sei. Friedberg könne also gut mit Ausländern umgehen und werde auch den erwarteten Zuwachs an Flüchtlingen meistern.

Die gezeigten Präsentationen sollen auf der Website der Stadt Friedberg zum Download angeboten werden. Die Präsentation der Regierungspräsidentin ist unter www.rp-darmstadt.hessen.de zu finden.
 
21. Januar 2016, 15.42 Uhr
Jonas Lohse
 
 
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