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Nargess Eskandari-Grünberg
„Weltoffenheit statt Kleingeist und Egoismus“
Nachdem Peter Feldmann am heutigen Freitag endgültig das OB-Amt abgeben muss, übernimmt Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg kommissarisch. Im Interview spricht sie über die Abwahl, ihre Pläne für die kommenden Monate und die Frage nach der OB-Kandidatur.
JOURNAL FRANKFURT: Am vergangenen Sonntag ist erstmals in der Stadtgeschichte ein Frankfurter Oberbürgermeister abgewählt worden. Was sagt das für Sie über die Bürgerinnen und Bürger aus?
Nargess Eskandari-Grünberg: Es zeigt, dass Demokratie bei uns großgeschrieben wird und die Bürgerbeteiligung bei den Menschen ankommt. Wir beklagen uns ständig, dass die Menschen nicht wählen gehen. Deshalb hat es mich sehr gefreut, dass die Wahlbeteiligung so hoch war und so viele Menschen zur Wahl gegangen sind. Das war ein großer Tag der Demokratie. Und es ist gut, dass diese Wolke jetzt nicht mehr über Frankfurt schwebt und die Arbeit des Magistrats wieder sichtbar wird. Wir haben zum Beispiel innerhalb kurzer Zeit 10 000 Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen, täglich Hunderte Menschen betreut und untergebracht und auch unabhängig davon viele weitere Themen auf den Weg gebracht. Aber das Thema Abwahl hat medial so dominiert, dass unsere Arbeit in der Koalition nicht angemessen wahrgenommen wurde.
Als das Quorum am Sonntag erreicht war, sind Sie sich mit Julia Frank um den Hals gefallen. Was war Ihr Gedanke in dem Moment?
Julia Frank ist unsere Parteisprecherin, die sich sehr für die Abwahl eingesetzt hat und ich habe einfach die Freude mit ihr geteilt. Aber mein erster Gedanke war: Wir müssen das Vertrauen in die Politik und den Römer wiederherstellen.
Wie wollen Sie das machen?
Für viele Bürgerinnen und Bürger war es sehr schwierig, andauernd mit diesem Thema konfrontiert zu werden. Man darf diese Stadt nicht auf ihren, jetzt abgewählten, Oberbürgermeister reduzieren. Das haben die Menschen auch mit der Bürgerbeteiligung gezeigt. Wir müssen ihnen jetzt das Gefühl geben, dass wir sie ernst nehmen und schauen, dass innerhalb der Koalition und auch nach außen die Arbeit besser kommuniziert wird. Meine Aufgabe wird am Montag sein, auch die Dinge, die hier liegengeblieben sind, auf den Weg zu bringen: Wir haben nächstes Jahr mit dem Paulskirchen-Jubiläum eine große Feierlichkeit, wir müssen dafür sorgen, dass wir gut, gesund und menschlich über den Winter kommen und niemand allein gelassen wird. Ich weiß, was es bedeutet, wenn das Geld als alleinerziehende Mutter am Ende des Monats knapp ist. Wie kommt man da über die Runden? Da müssen wir für die Menschen da sein – der gesellschaftliche Zusammenhalt ist ein großes Thema für mich.
Welche Themen wollen Sie jetzt zuerst angehen?
Zum einen muss das Thema Haus der Demokratie und das Jubiläum der Paulskirche organisiert werden – die Zeit ist knapp. Wir haben einen Demokratiepreis, den wir vergeben wollen – das ist liegengeblieben. Wir wollen Angebote für die vielen Geflüchteten und den Verwaltungsstab, der dafür eingerichtet wird, schnell voranbringen. Für uns ist wichtig, den Menschen, die in Not sind, gemeinsam zu helfen. Die Liste ist lang. Die Menschen sollen in den nächsten Monaten nicht irgendwelche unterschiedlichen, komplexen Antworten bekommen, sondern sich darauf verlassen können, dass die Stadt hilft. Und ich bin für die nächsten Monate Vorsitzende eines Kollegialorgans, des Magistrats. Ich möchte dort die Führung übernehmen, aber die Kollegialität in den Vordergrund stellen. Es darf keine Alleingänge mehr geben. Das hat in der Vergangenheit nicht so richtig funktioniert.
Das Paulskirchen-Jubiläum war ja auch ein Thema, dass Herrn Feldmann wichtig war und bei dem er immer sehr präsent war. Hat das Jubiläum unter der Situation der vergangenen Monate gelitten?
Absolut. Das Jubiläum ist ja nicht nur Sache der Stadt, sondern auch des Landes und des Bundes. Diese ganze Kommunikation hat schwer gelitten. Es muss klar sein, was die Rolle von Bund und Land ist. Ich werde jetzt auf Claudia Roth, auf Herrn Wintermeyer und auch auf Herrn Steinmeier zugehen, um auszuloten, wie wir in kurzer Zeit die verschiedenen Akteure für das Jubiläum zusammenbringen. Es müssen auch finanzielle Fragen geklärt werden. Deshalb habe ich auch schon angefangen, die Gespräche, die ein Stück weit abgebrochen waren, fortzusetzen. Auch ein Haus der Demokratie ist nicht mal schnell gebaut, dafür brauchen wir Akteure von Bund und Land, die auch bereit sind, mit uns zu reden.
Ihr Magistratskollege Mike Josef sagte am Sonntag nach der Abwahl, der Ruf der Stadt würde jetzt wiederhergestellt. Wie sehr hat dieser Ruf außerhalb der Stadtgrenzen denn tatsächlich gelitten?
Ich spreche lieber vom Ansehen als vom Ruf – es geht um das Ansehen und die Verantwortung, die die Stadt intern und nach außen hat. Wir sind ja kein kleines Dorf, wir sind eine internationale Stadt. Alle Augen schauen auf uns. Bürgerinnen und Bürger haben mir in den vergangenen Monaten gesagt, dieses Thema ist weit über Frankfurt hinaus wahrgenommen worden. Ich habe Nachrichten aus der Schweiz und anderen Ländern bekommen, wo die Menschen gefragt haben: „Was ist denn da bei euch los?“ Wir haben 17 Partnerstädte. In den letzten Wochen war sehr große Unruhe, was wir mit welcher Partnerstadt machen können. Im Deutschen Städtetag wird häufig von uns erwartet, dass wir ein Stück weit auch eine Führungsrolle übernehmen – das konnten wir in dem Format nicht. Wir müssen das Ansehen von unserer wunderbaren, erfolgreichen Stadt wiederherstellen: Wir haben hier Ressourcen wie die EZB, internationale Beziehungen, Menschen, die in Frieden zusammenleben. Und wir müssen zeigen, dass wir gut regiert werden und Verantwortung übernehmen.
Diese Aufgaben werden auch für das künftige Stadtoberhaupt eine Rolle spielen. Aktuell werden auch Sie als eine mögliche OB-Kandidatin der Grünen gehandelt. 2018 sind Sie schonmal angetreten – wären Sie dazu nochmal bereit?
Ich bin als Bürgermeisterin gewählt, das war ich damals nicht. Diesen Job muss man mindestens gut, wenn nicht exzellent machen – das ist mein Anspruch. Ich muss auch nicht vom einen Job zum nächsten und zum nächsten. Wer aufgestellt wird, ist die Sache der Partei. Ab Montag will ich erstmal meine Aufgabe als kommissarische Oberbürgermeisterin ordentlich machen. Das ist sehr herausfordernd und ich lege im Moment meine gesamte Konzentration darauf.
Falls die Partei Sie aufstellen würde: Ist es möglicherweise ein Vorteil, wenn Sie sich jetzt schon im Amt beweisen können?
Ich denke, es ist gut, dass die Menschen ab Montag sehen, wie ich das Amt führe. Es ist mir sehr wichtig, dass ein anderer Stil herrscht – dass Weltoffenheit und nicht Kleingeist und Egoismus im Vordergrund steht. Ich möchte, dass die Menschen die Kollegialität und Teamarbeit sehen und für die Menschen da sein. Ich habe eine führende Rolle, aber es geht nicht um mich, sondern um diese Stadt.
Nargess Eskandari-Grünberg: Es zeigt, dass Demokratie bei uns großgeschrieben wird und die Bürgerbeteiligung bei den Menschen ankommt. Wir beklagen uns ständig, dass die Menschen nicht wählen gehen. Deshalb hat es mich sehr gefreut, dass die Wahlbeteiligung so hoch war und so viele Menschen zur Wahl gegangen sind. Das war ein großer Tag der Demokratie. Und es ist gut, dass diese Wolke jetzt nicht mehr über Frankfurt schwebt und die Arbeit des Magistrats wieder sichtbar wird. Wir haben zum Beispiel innerhalb kurzer Zeit 10 000 Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen, täglich Hunderte Menschen betreut und untergebracht und auch unabhängig davon viele weitere Themen auf den Weg gebracht. Aber das Thema Abwahl hat medial so dominiert, dass unsere Arbeit in der Koalition nicht angemessen wahrgenommen wurde.
Als das Quorum am Sonntag erreicht war, sind Sie sich mit Julia Frank um den Hals gefallen. Was war Ihr Gedanke in dem Moment?
Julia Frank ist unsere Parteisprecherin, die sich sehr für die Abwahl eingesetzt hat und ich habe einfach die Freude mit ihr geteilt. Aber mein erster Gedanke war: Wir müssen das Vertrauen in die Politik und den Römer wiederherstellen.
Wie wollen Sie das machen?
Für viele Bürgerinnen und Bürger war es sehr schwierig, andauernd mit diesem Thema konfrontiert zu werden. Man darf diese Stadt nicht auf ihren, jetzt abgewählten, Oberbürgermeister reduzieren. Das haben die Menschen auch mit der Bürgerbeteiligung gezeigt. Wir müssen ihnen jetzt das Gefühl geben, dass wir sie ernst nehmen und schauen, dass innerhalb der Koalition und auch nach außen die Arbeit besser kommuniziert wird. Meine Aufgabe wird am Montag sein, auch die Dinge, die hier liegengeblieben sind, auf den Weg zu bringen: Wir haben nächstes Jahr mit dem Paulskirchen-Jubiläum eine große Feierlichkeit, wir müssen dafür sorgen, dass wir gut, gesund und menschlich über den Winter kommen und niemand allein gelassen wird. Ich weiß, was es bedeutet, wenn das Geld als alleinerziehende Mutter am Ende des Monats knapp ist. Wie kommt man da über die Runden? Da müssen wir für die Menschen da sein – der gesellschaftliche Zusammenhalt ist ein großes Thema für mich.
Welche Themen wollen Sie jetzt zuerst angehen?
Zum einen muss das Thema Haus der Demokratie und das Jubiläum der Paulskirche organisiert werden – die Zeit ist knapp. Wir haben einen Demokratiepreis, den wir vergeben wollen – das ist liegengeblieben. Wir wollen Angebote für die vielen Geflüchteten und den Verwaltungsstab, der dafür eingerichtet wird, schnell voranbringen. Für uns ist wichtig, den Menschen, die in Not sind, gemeinsam zu helfen. Die Liste ist lang. Die Menschen sollen in den nächsten Monaten nicht irgendwelche unterschiedlichen, komplexen Antworten bekommen, sondern sich darauf verlassen können, dass die Stadt hilft. Und ich bin für die nächsten Monate Vorsitzende eines Kollegialorgans, des Magistrats. Ich möchte dort die Führung übernehmen, aber die Kollegialität in den Vordergrund stellen. Es darf keine Alleingänge mehr geben. Das hat in der Vergangenheit nicht so richtig funktioniert.
Das Paulskirchen-Jubiläum war ja auch ein Thema, dass Herrn Feldmann wichtig war und bei dem er immer sehr präsent war. Hat das Jubiläum unter der Situation der vergangenen Monate gelitten?
Absolut. Das Jubiläum ist ja nicht nur Sache der Stadt, sondern auch des Landes und des Bundes. Diese ganze Kommunikation hat schwer gelitten. Es muss klar sein, was die Rolle von Bund und Land ist. Ich werde jetzt auf Claudia Roth, auf Herrn Wintermeyer und auch auf Herrn Steinmeier zugehen, um auszuloten, wie wir in kurzer Zeit die verschiedenen Akteure für das Jubiläum zusammenbringen. Es müssen auch finanzielle Fragen geklärt werden. Deshalb habe ich auch schon angefangen, die Gespräche, die ein Stück weit abgebrochen waren, fortzusetzen. Auch ein Haus der Demokratie ist nicht mal schnell gebaut, dafür brauchen wir Akteure von Bund und Land, die auch bereit sind, mit uns zu reden.
Ihr Magistratskollege Mike Josef sagte am Sonntag nach der Abwahl, der Ruf der Stadt würde jetzt wiederhergestellt. Wie sehr hat dieser Ruf außerhalb der Stadtgrenzen denn tatsächlich gelitten?
Ich spreche lieber vom Ansehen als vom Ruf – es geht um das Ansehen und die Verantwortung, die die Stadt intern und nach außen hat. Wir sind ja kein kleines Dorf, wir sind eine internationale Stadt. Alle Augen schauen auf uns. Bürgerinnen und Bürger haben mir in den vergangenen Monaten gesagt, dieses Thema ist weit über Frankfurt hinaus wahrgenommen worden. Ich habe Nachrichten aus der Schweiz und anderen Ländern bekommen, wo die Menschen gefragt haben: „Was ist denn da bei euch los?“ Wir haben 17 Partnerstädte. In den letzten Wochen war sehr große Unruhe, was wir mit welcher Partnerstadt machen können. Im Deutschen Städtetag wird häufig von uns erwartet, dass wir ein Stück weit auch eine Führungsrolle übernehmen – das konnten wir in dem Format nicht. Wir müssen das Ansehen von unserer wunderbaren, erfolgreichen Stadt wiederherstellen: Wir haben hier Ressourcen wie die EZB, internationale Beziehungen, Menschen, die in Frieden zusammenleben. Und wir müssen zeigen, dass wir gut regiert werden und Verantwortung übernehmen.
Diese Aufgaben werden auch für das künftige Stadtoberhaupt eine Rolle spielen. Aktuell werden auch Sie als eine mögliche OB-Kandidatin der Grünen gehandelt. 2018 sind Sie schonmal angetreten – wären Sie dazu nochmal bereit?
Ich bin als Bürgermeisterin gewählt, das war ich damals nicht. Diesen Job muss man mindestens gut, wenn nicht exzellent machen – das ist mein Anspruch. Ich muss auch nicht vom einen Job zum nächsten und zum nächsten. Wer aufgestellt wird, ist die Sache der Partei. Ab Montag will ich erstmal meine Aufgabe als kommissarische Oberbürgermeisterin ordentlich machen. Das ist sehr herausfordernd und ich lege im Moment meine gesamte Konzentration darauf.
Falls die Partei Sie aufstellen würde: Ist es möglicherweise ein Vorteil, wenn Sie sich jetzt schon im Amt beweisen können?
Ich denke, es ist gut, dass die Menschen ab Montag sehen, wie ich das Amt führe. Es ist mir sehr wichtig, dass ein anderer Stil herrscht – dass Weltoffenheit und nicht Kleingeist und Egoismus im Vordergrund steht. Ich möchte, dass die Menschen die Kollegialität und Teamarbeit sehen und für die Menschen da sein. Ich habe eine führende Rolle, aber es geht nicht um mich, sondern um diese Stadt.
11. November 2022, 11.58 Uhr
Laura Oehl
Laura Oehl
Jahrgang 1994, Studium der Musikwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt, Journalismus-Master an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, seit Dezember 2020 beim JOURNAL FRANKFURT. Mehr von Laura
Oehl >>
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