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Foto: 40 000 Menschen waren bei der Demo in Frankfurt dabei © Bernd Kammerer
Foto: 40 000 Menschen waren bei der Demo in Frankfurt dabei © Bernd Kammerer

Kritische Juristinnen Frankfurt

„Ein AfD-Verbot könnte verhindern, dass sie sich weiter etabliert“

In den vergangenen Wochen sind hunderttausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die AfD zu demonstrieren. Wie sinnvoll wäre ein Verbot der Partei? Ein Interview mit den Kritischen Juristinnen.
JOURNAL FRANKFURT: Wie stehen Sie zu einem AfD Verbot?
Kritische Juristinnen Frankfurt: Die AfD hat in den letzten Jahren rechtsextremistische Überzeugungen auch in die breite Gesellschaft getragen. Es fällt auf, dass seit mehreren Jahren Standpunkte und Vokabular der AfD größeren Anklang finden. Zuletzt wurde „Remigration“ als das „Unwort des Jahres“ gewählt. Gleichzeitig erleben wir seit Jahren einen Anstieg von Gewalttaten auf migrantisch gelesene Personen, darunter auch Geflüchtete. Die AfD ist durch ihre politische Praxis schon längst im Alltag vieler Menschen omnipräsent. Sie prägt die Sprache und das Denken vieler. Die stetige Verharmlosung ist eine große Gefahr.

Parteien sind die wichtigsten Akteure politischer Meinungsbildung. Eine friedliche Gesellschaft setzt voraus, dass Menschen sich gehört, gesehen und akzeptiert fühlen. Der Bestand von Parteien mit diversen politischen Inhalten ist daher unverzichtbar für eine repräsentative Demokratie. Hingegen wird es insbesondere für Minderheiten gefährlich, wenn Parteien ihre durch das Grundgesetz privilegierte Stellung dazu nutzen, menschenfeindliche Denkweisen und unwahre Tatsachen zur Realitätswahrnehmung von einer bedeutenden Anzahl an Menschen werden lassen. Antisemitische und rassistische, insbesondere antimuslimische Straftaten haben seit 2015 stark zugenommen, so auch Angriffe auf Kinder und Geflüchtetenunterkünfte.

„Ein AfD-Verbot müsste als additives Mittel zum Kampf gegen Rechtsextremismus genutzt werden“

Welche Vor- und Nachteile hätte ein AfD-Verbot?
Als eines der Hauptargumente gegen ein Verbot der AfD wird vorgeführt, dass ein Scheitern des Verbotes die Partei sogar stärken würde, da mehr Menschen sich mit ihr solidarisieren würden bzw. die AfD behaupten könnte, auf dem Boden des Grundgesetzes zu agieren. Jedoch kann ein Verbotsverfahren mehrere Jahre in Anspruch nehmen, so auch beim NPD-Verbotsverfahren, das vier Jahre dauerte. Da sich die AfD zumindest während dieser Dauer aufgrund des Verbotsrisikos in ihren Äußerungen und Tätigkeiten zurückhalten müsste, könnte zumindest ihre rasante Mobilisierungsanzahl mithilfe polarisierender Aussagen für eine Zeit etwas ausgebremst werden.

Darüber hinaus argumentieren Verbotsgegner*innen, dass ein AfD-Verbot das Gedankengut der Anhänger*innenschaft nicht beseitigt. Jedoch impliziert ein Verbot nicht, dass keine Anstrengungen mehr unternommen werden müssen, rechtes Gedankengut zu eliminieren. Sondern ein Verbot müsste als additives Mittel zum Kampf gegen Rechtsextremismus genutzt werden. Außerdem könnte ein Verbot auch verhindern, dass die AfD sich weiter in staatlichen Institutionen etabliert, wie beispielsweise bei wichtigen Richter*innenposten oder Führungsämtern im Land- oder Bundestag.

„Die Partei etabliert sich immer weiter - ein Missbrauch dieser Positionen ist nicht unwahrscheinlich“

Wie schwer wäre es, die AfD zu verbieten?
Das Grundgesetz sieht zurecht hohe Anforderungen an ein Parteiverbot vor. Die Partei muss das Ziel verfolgen, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beseitigen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) führte im NPD-Verbotsverfahren 2017 hierzu aus, dass sich dies aus den Zielen oder dem Verhalten der Anhänger*innen ergeben muss. Dazu gehörten auch Personen, die sich für die Partei einsetzen und zu ihr bekennen, unabhängig von einer Parteimitgliedschaft.

Ein Verbotsverfahren setzt außerdem voraus, dass die Anhänger*innenschaft planvoll für ihre Zielerreichung vorgeht. Laut dem BVerfG muss hierfür eine Durchsetzungsmöglichkeit bestehen, wie durch die Beeinflussung der politischen Willensbildung. Diese Realisierungsgefahr sah das BVerfG bei der NPD nicht, weshalb der Verbotsantrag scheiterte. Anders als die NPD sitzt die AfD jedoch im Bundes- und Landtag und unterhält wichtige Positionen. Erst vor einigen Tagen wurden zwei AfD-Politiker mit den Stimmen der CSU und den Freien Wählern zu bayerischen Verfassungsrichtern gewählt. Auch eine Koalition der CDU mit der AfD bei den nächsten Landesregierungen erscheint nicht mehr ausgeschlossen. Die Partei etabliert sich immer weiter in den staatlichen Institutionen. Ein Missbrauch dieser Positionen ist nicht unwahrscheinlich.

„AfD-Wähler*innen lediglich als Protestwähler*innen zu bezeichnen, relativiert die für unser demokratisches Zusammenleben bestehende ernsthafte Gefahr“

So nutzte Birgit Malsack-Winckemann, die seit der Reichsbürger-Razzia wegen Terrorverdacht in Untersuchungshaft sitzt, als AfD-Abgeordnete ihre Zutrittsrechte dazu aus, Reichsbürger*innen durch das Regierungsviertel zu führen, damit diese zur Vorbereitung auf eine bewaffnete Erstürmung des Bundestages Bilder und Videos machen konnten. Außerdem betreibt die AfD erfolgreiche Hetzkampagnen gegen Andersdenkende und Geflüchtete. Die AfD-Politikerin Erika Steinbach etwa hatte einen bedeutenden Anteil an der Social Media-Hetzjagd auf den ehemaligen Bürgermeister Walter Lübcke, der später von einem AfD-Sympathisanten ermordet wurde.

Das Ganze zeigt auf, dass die AfD bereits dabei ist, ihre verfassungs- und menschenfeindlichen Anschauungen umzusetzen. Nach den Enthüllungen von Correctiv über die Geheimpläne von Rechtsextremist*innen sind die Mitgliederanträge bei der AfD sogar rasant angestiegen. AfD-Wähler*innen lediglich als Protestwähler*innen zu bezeichnen, relativiert die für unser demokratisches Zusammenleben bestehende ernsthafte Gefahr.

„Der Kampf gegen rechts erfordert die Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit“

Wie wichtig ist es, dass die Menschen jetzt protestieren?
Das Zusammenkommen von Menschen auf Demonstrationen überall in Deutschland ist beeindruckend. Gleichzeitig müssen wir uns als Gesellschaft aber fragen, warum ist man genau auf die Straßen gegangen und was wird gefordert? Der Kampf gegen rechts erfordert auch die Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit. So stehen etwa die lückenlosen Aufklärungen des Hanau-Attentats, der NSU-Strukturen, des NSU 2.0 und ernsthafte Konsequenzen für daran beteiligte Polizeibeamt*innen immer noch aus.

Es ist also wichtig, bei den Versammlungen auch konkrete Forderungen zu stellen. Der Gang auf die Straßen reicht auch deshalb nicht aus, weil der Rassismus sich durch viele Bereiche der Gesellschaft zieht. Nicht nur AfD-Anhänger*innen sind hierfür ursächlich, sondern auch der subtile Rassismus der Arbeitskolleg*innen, der Familienangehörigen oder der Eigene. So sind auf Social Media Videoaufnahmen von der Versammlung in Berlin am 21.01.2024 zu sehen, bei der Demonstrierende von anderen Versammlungsteilnehmenden rassistisch beleidigt wurden. Das zeigt: Allein mit einer Versammlungsteilnahme wird das bestehende Rassismusproblem nicht gelöst. Die deutsche Mehrheitsgesellschaft muss sich auch mit den eigenen Einstellungen kritisch auseinandersetzten.

„Wenn die gesellschaftliche Mitte schweigt, wird die AfD lauter gehört“

Dennoch erweckt die Anzahl der Demonstrierenden starke Hoffnung, dass wir den Kampf gegen rechts gewinnen werden. Auch ist es für Personen mit Migrationsgeschichte, die sich in diesem Kampf von der Mehrheitsgesellschaft lange Zeit alleingelassen gefühlt haben, bedeutend zu wissen, dass man ihre Sorgen sowie Ängste wahrnimmt und an ihrer Seite steht. Es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft lauter werden denn je, wenn die gesellschaftliche Mitte schweigt, verhelfen wir der AfD dazu, lauter gehört zu werden.

Info
Der Arbeitskreis kritischer Jurist_innen ist ein Zusammenschluss von linken Jurastudierenden aller Semester an der Goethe-Universität in Frankfurt.
 
29. Januar 2024, 16.35 Uhr
Sina Claßen
 
Sina Claßen
Studium der Publizistik und des Öffentlichen Rechts an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2023 beim Journal Frankfurt. – Mehr von Sina Claßen >>
 
 
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