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Foto: Adobe Stock/Ascannio
Foto: Adobe Stock/Ascannio

Hessen-Wahl 2023

Auf TikTok: „Die demokratischen Parteien müssen sich die Jugend zurückholen“

Nach den Rekordergebnissen der AfD bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern fordert die Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank eine politische Bildungsoffensive, nicht nur in den Schulen, sondern auch auf TikTok und YouTube.
Hessen hat gewählt und die Ergebnisse sind eindeutig: Die CDU und die AfD gehen als klare Gewinnerinnen aus der Landtagswahl vom 8. Oktober hervor. Beide Parteien sind in Frankfurt besonders gut darin, ihre frühere Wählerschaft zu mobilisieren. Zwischen 88,1 (CDU) und 85,1 (AfD) Prozent der Wählerinnen und Wähler aus dem Jahr 2018 gaben auch am vergangenen Wochenende wieder ihre Stimme für die jeweilige Partei ab. Diese Zahlen gehen aus der Wahlanalyse der Stadt hervor. Aber die AfD hat es in der Zwischenzeit auch noch geschafft, ein anderes Frontier zu erobern: nämlich TikTok.

Hessenweit ist die AfD bei den jungen Erwachsenen zweistärkste Kraft – hinter der CDU. Menschen unter 25 Jahren wählten zu 18 Prozent blau und liegen damit genau im Landesdurchschnitt. Ganze acht Prozentpunkte gewinnt die AfD in dieser Altersgruppe im Vergleich zur letzten Landtagswahl. Ein kleiner Trost: Junge Frankfurterinnen und Frankfurter sehen das anders. Hier erzielt die AfD mit nur 7,9 Prozent der Stimmen zwischen 18 und 24 Jahren unterdurchschnittlich schlechte Ergebnisse. Dennoch stellt sich die Frage, warum die rechtsextreme Partei in anderen Städten so beliebt ist.

Schnabel zur Hessen-Wahl: Die demokratischen Parteien müssen sich die Jugend zurückholen

„Die demokratischen Parteien müssen sich die Jugend zurückholen“, fordert Deborah Schnabel, Direktorin der Bildungsstätte Anne Frank mit Sitz im Frankfurter Nordend. Angesichts der aktuellen Wahlergebnisse in Hessen und Bayern bedarf es einer politischen Bildungsoffensive, in den Schulen genauso wie auf TikTok oder YouTube, findet sie. Denn dies seien die Orte, an denen sich junge Leute in erster Linie über Politik informieren und die AfD hole sie dort konsequent ab. Nicht zuletzt, weil sich der TikTok-Algorithmus und die Schnelllebigkeit der Plattform ausgezeichnet für Populismus eigne.

Rund 26 Prozent der TikTok-Accounts von deutschen Politikerinnen und Politikern oder Parteien werden von der AfD betrieben, weiß Federico Battaglia vom Projekt Visualising Democracy. Hinzu kämen zahlreiche Nutzerprofile von Fans. Dem offiziellen Account der Bundestagsfraktion folgen bald 300.000 Menschen und mit knapp 5 Millionen Likes bilde er die Spitze der Aufmerksamkeit. Mit diesen Zahlen können die anderen Parteien nicht mithalten; schon gar nicht, wenn sie wie die CDU und die Grüne nicht einmal auf TikTok angemeldet sind. Präsent sei zumindest die Grüne auf der App trotzdem, und zwar in Form eines Feindbildes.

26 Prozent der TikTok-Accounts deutscher Politikerinnen, Politiker und Parteien gehören der AfD

Rage Bait – so nennt sich der Content, den die AfD auf TikTok verbreitet, sagt Battaglia. Dabei handle es sich um stark emotionalisierte Inhalte, die ihr Publikum wütend stimmen und dadurch zur Interaktion animieren. Die Wut habe verschiedene Adressaten: die Regierungsparteien – allen voran die Grünen – die Finanzindustrie, aber auch Einzelpersonen, die gendern, sich vegetarisch oder vegan ernähren und sich gegen den Klimawandel einsetzen.

Eigentlich paradox, denn die Klimakrise ist neben der andauernden Corona-Pandemie, der steigenden Inflation und dem sinkenden Vertrauen in das Rentensystem eine der Krisen schlechthin, mit denen sich junge Menschen zunehmend konfrontiert sehen, betont Schnabel. „Diese handfesten Zukunfts- und Existenzängste und das verständliche Bedürfnis nach Sicherheit werden von den demokratischen Parteien nicht ausreichend adressiert, während die AfD es für ihre Ziele zu instrumentalisieren weiß“, führt sie aus.

Auf TikTok: AfD instrumentalisiere Zukunfts- und Existenzängste sowie das Bedürfnis nach Sicherheit

Laut einer im August veröffentlichten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sind jedoch genau jene Menschen Hauptleidtragende der AfD-Politik, die die Partei wählen. Diese Beobachtung ziehe sich durch so gut wie alle Politikbereiche: von Wirtschaft und Steuern über Klimaschutz und soziale Absicherung bis hin zu Demokratie oder Globalisierung. Marcel Fratzscher, der die Studie durchgeführt hat, sieht einen Zusammenhang zwischen dem „AfD-Paradox“ und einer Wählerschaft, die sowohl sich selbst als auch die gesellschaftliche Realität falsch einschätzt.

Unabhängig vom Alter der Wahlberechtigten hat Infratest dimap am Wahlabend allerdings noch eine weitere beunruhigende Entdeckung gemacht: 80 Prozent der hessischen AfD-Wählerinnen und Wähler geben an, es sei ihnen egal, dass die Partei in Teilen als rechtsextrem gelte, solange sie die richtigen Themen anspreche. Mit der diesjährigen Landtagswahl sind in Hessen also die Zeiten vorbei, in denen die AfD aus Politikverdrossenheit oder Trotz gewählt wurde, stattdessen gewinnt sie aus Überzeugung.

Hessen-Wahl: 80 Prozent wählen die AfD aus Überzeugung

Selbst bei der sogenannten Juniorwahl, unter nicht wahlberechtigten minderjährigen hessischen Schülerinnen und Schülern, wurde die AfD mit 13 Prozent drittstärkste Kraft. Dreh- und Angelpunkt der Problematik ist und bleibt demnach TikTok. Abgesehen von Facebook, wo die AfD auch sehr beliebt ist, mobilisiert sie auf keiner anderen Plattform so viele Menschen wie hier, vor allem nicht in dieser Altersklasse. Mehr als 19 Millionen junge Nutzerinnen und Nutzer hat die Plattform in Deutschland, viele davon potenzielle Wählerinnen und Wähler – wenn auch erst bei der nächsten Landtagswahl in fünf Jahren oder bei der Wahl zum Bundestag in zwei.

Daher der Appell von Deborah Schnabel und der Bildungsstätte Anne Frank: „Parteien können es sich im Jahr 2023 nicht mehr leisten, allein auf Plakatwerbung und TV-Talkrunden zu setzen, sie müssen dort um die Stimmen junger Menschen werben, wo sie sich am meisten aufhalten. Es gilt, die Themen junger Menschen zu adressieren und ein Gegengewicht [zu] schaffen zu Fakenews, Hassrede und demokratiefeindlicher Agitation.“
 
11. Oktober 2023, 17.00 Uhr
Sina Claßen
 
Sina Claßen
Studium der Publizistik und des Öffentlichen Rechts an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2023 beim Journal Frankfurt. – Mehr von Sina Claßen >>
 
 
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