Newsletter
|
ePaper
|
Apps
|
Abo
|
Shop
|
Jobs
Foto: © Bernd Kammerer
Foto: © Bernd Kammerer

S&K-Verfahren: Prozesstag 5

Menschenwürde bei Wasser und Brot

Noch immer ist es im Mammutbetrugsprozess gegen das Unternehmen S&K noch nicht zur Verlesung der 1700 Seiten starken Anklageschrift gekommen. Dafür wurde über Menschenwürde und Haftbedingungen gesprochen.
Es soll Menschen geben, die ihre Altersvorsorge aufgelöst haben, um sie in vermeintlich Rendite versprechende Anlagen des Frankfurter Unternehmens S&K zu investieren. Jetzt ist das Geld weg. Wohin es warum floss, ob in das Luxusleben der Firmengründer oder doch in Anlageobjekte, das soll einer der größten Wirtschaftsprozesse Deutschlands klären helfen. Es geht laut Staatsanwaltschaft um eine Schadenssumme von 240 Millionen Euro. Die Unternehmensgründer Stephan S. und Jonas K. müssen sich mit vier weiteren Angeklagten seit September vor dem Landgericht Frankfurt verantworten. Seit zwei Jahren und acht Monaten befinden sie sich in Untersuchungshaft und eines ist klar: Es wird keinen kurzen Prozess geben.

Mitgefühl mit den Angeklagten
Denn auch am fünften Verhandlungstag wurde die Anklageschrift, die sich auf rund 1700, schon zusammengedampfte, Seiten beläuft, noch nicht verlesen. Auch wenn der vorsitzende Richter am Donnerstag schon gerne damit begonnen hätte. Doch immer hatten die Verteidiger Einwände erhoben, die meist abgelehnt wurden. Nun wurde eine neue Anklageschrift von der Staatsanwaltschaft vorgelegt, woraufhin die Verteidiger für Freitag eine ausführliche Gegenvorstellung angekündigt haben. Eine Vorstellung ganz anderer Art bot am Ende der Verhandlung der Angeklagte Hauke B., der selbst das Wort ergriff und sowohl über die Haft- als auch über die damit verbundenen Transportbedingungen klagte.

Hauke B. ist ein 49-jähriger Geschäftsmann, der 2005 das in Hamburg ansässige Emissionshaus United Investors gegründet und mehrere Fonds für S&K aufgelegt haben soll. 2013 soll das Unternehmen Insolvenz angemeldet haben. Seit 19. Februar 2013 sitzt der gebürtige Berliner in der JVA Weiterstadt in U-Haft. Schon einmal hatte B. sich Gehör verschafft und von seinem fünfjährigen Sohn berichtet, der sich einen anderen Vater wünsche, einen der da sei. Doch das allein erweicht bei diesen Vorwürfen kein Gericht. Mit gleich fünf Anträgen wendete sich B. am Donnerstag an den Richter.

Er könne noch in den Spiegel schauen ohne rot zu werden, für sein Dafürhalten säße er unschuldig im Gefängnis – seit mehr als zwei Jahren. Nach den Verhandlungen müsse er immer länger als andere in der kargen Kellerzelle des Gerichts sitzen, um auf seinen Transport in die Justizvollzugsanstalt zu warten. Teilweise müsse er sich mehrere Stunden gedulden. Dafür hätten sogar drei Gerichtsdiener vier Überstunden absitzen müssen, um ihn zu bewachen. „Seelisch empfindet man sich da als Abschaum“, sagte B. und sprach von einem menschenverachtenden Umgang mit ihm. Der Grund für all das sei, dass die Angeklagten – die nicht alle in der JVA Weiterstadt einsitzen – gemäß Einzeltransportverordnung nicht gemeinsam hin- und hergefahren werden sollen, damit keine Absprache möglich ist.

Mit dem Kotzeimer im Auto
Doch B. müsse dann im Transporter mit einem 60 mal 60 Zentimeter großen rutschigen Bankplatz vorlieb nehmen, könne sich wegen seiner mit Handschellen gefesselten Hände kaum abstützen oder irgendwo festhalten, wenn der Wagen bremse oder beschleunige und er habe einen Plastikeimer vor sich mit der Aufschrift „Kotzeimer“. Er habe Beklemmungsangst und kalte Schweißausbrüche hinter sich. „Da ist man vor Beginn der Verhandlung schon geschlaucht“, sagt B. Ob denn die Handschellen nötig seien, will er wissen. Er empfinde sie als unnötige Schikane und als Demütigung und spricht von einer „konstruierten Fluchtgefahr“. Er sei mit vermeintlichen Isis-Terroristen transportiert worden, mit denen weniger rigide umgegangen worden sei als mit ihm. Dabei sei von ihm nie körperliche Gewalt ausgegangen, er habe sich einwandfrei verhalten und er sei es seinen Jungs schuldig, vor Gericht offenzulegen, dass er unschuldig sei. Über die drei Verhandlungstage pro Woche freue er sich, weil das der Beschleunigung des Verfahrens diene, das bedeute aber auch, dass er drei Mal in der Woche kein warmes Essen bekäme. Dieses habe es früher vor Gericht gegeben und das sei längst wegrationalisiert worden, die warme Essenausgabe in der JVA versäume er auch. So bleibe ihm nur ein Lunchpaket, das aus zwei belegten Brotscheiben, einem Apfel und einem Liter Wasser bestehe, das reiche kaum aus.

Von Menschenwürde und Schenkelklopfern
Das nahm dann auch der Angeklagte Jonas K. – diesmal im Anzug ohne Krawatte und somit etwas legerer gekleidet – zum Anlass darüber zu klagen, dass er immer der Letzte sei, der abtransportiert werde und fragte, ob man die Einzeltransporte nicht lassen könne. Man müsse sich schon etwas zuschreien, wenn man sich beim Transport heimlich absprechen wolle. Doch damit nicht genug der Klage: Verteidiger Ulrich Endres polterte wieder los. Es sei für ihn unerträglich, wenn die Vertreter der Staatsanwaltschaft sich vor Lachen die Schenkel klopften, während Herr B. von Menschenwürde rede. Auch sei es unmöglich, dass der Zeugensitz sich direkt „neben der Phalanx der Staatsanwaltschaft befinde. Oberstaatsanwalt Hohmann reagierte gewohnt gelassen. „Darauf will ich nicht einsteigen. Zu Wahrnehmungsstörungen des Herrn Endres äußere ich mich nicht mehr.“

Der Richter macht indes den Angeklagten wenig Hoffnung, die Transportbedingungen oder die Nahrungszufuhr ändern zu können, dies sei Aufgabe der Polizei und der JVA, auch die Staatsanwaltschaft sieht da keinen Handlungsbedarf. Dafür bedankt sich der Richter tatsächlich für die sachliche Atmosphäre, die am Donnerstag im Gerichtssaal geherrscht habe und hofft, in diesem Sinne am Freitag fortfahren zu können. "Gut Ding will Weile haben."


Was bisher geschah: bit.ly/1QwKUuv
 
15. Oktober 2015, 14.21 Uhr
nb
 
 
Fotogalerie:
{#TEMPLATE_news_einzel_GALERIE_WHILE#}
 
 
 
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Stadtleben
Die Außenstelle der Robert-Koch-Schule in Höchst wird seit über einem Jahr renoviert. Schüler müssen deswegen ausweichen, ein Neubau könnte frühestens 2029 stehen.
Text: Florian Aupor / Foto: Robert-Koch-Schule in Frankfurt Höchst © Adobestock/sehbaer_nrw
 
 
 
 
 
 
 
Ältere Beiträge
 
 
 
 
20. April 2024
Journal Tagestipps
Pop / Rock / Jazz
  • The Nina Simone Story
    Frankfurter Hof | 20.00 Uhr
  • The Musical Box performs Genesis
    myticket Jahrhunderthalle | 20.00 Uhr
  • Nacao Zumbi
    Brotfabrik | 20.00 Uhr
Nightlife
  • 1001 Queer Oriental Night
    Orange Peel | 23.00 Uhr
  • Gibson loves Saturdays
    Gibson | 23.00 Uhr
  • KukiDance
    Lilium | 21.00 Uhr
Klassik / Oper/ Ballett
  • Heute Abend: Lola Blau
    Theater im Palast | 19.30 Uhr
  • Öffentliche Probe
    Hochschule für Musik und Darstellende Kunst | 19.00 Uhr
  • Orchester hautnah
    Neue Kaiser | 15.00 Uhr
Theater / Literatur
  • Das dreißigste Jahr
    Freies Schauspiel Ensemble im Titania | 20.00 Uhr
  • Die Ehe der Maria Braun
    Schauspiel Frankfurt | 19.30 Uhr
  • Elvis – Das Musical
    Alte Oper | 20.00 Uhr
Kunst
  • Homo sapiens raus! Heimspiel für Greser & Lenz
    Kunsthalle Jesuitenkirche | 10.00 Uhr
  • Heilige Räume – Neue Konzepte
    Haus am Dom | 11.00 Uhr
  • Laura J. Padgett
    Jüdisches Museum | 10.00 Uhr
Kinder
  • Ein Schaf fürs Leben
    Kinder- und Jugendtheater Frankfurt | 16.00 Uhr
  • Swingin'
    Theaterhaus | 18.00 Uhr
  • Der Mistkäfer
    Staatstheater Mainz | 10.00 Uhr
und sonst
  • Wein am Main
    Goethe-Universität, Casino | 12.00 Uhr
  • Green World Tour Frankfurt
    myticket Jahrhunderthalle | 11.00 Uhr
  • | Uhr
Freie Stellen