Partner
Vor Gericht: Nichts bestellt
Dass bestellte Waren nicht ankommen, weil die Post ein Paket verschlampt hat, davon hört man ja hin und wieder. Dass umgekehrt jedoch ein Paket mit nicht unbedeutendem Inhalt an jemanden adressiert ist, der von der Bestellung nichts wissen will, ist eher ungewöhnlich. Genau so sei es aber gewesen, behauptet Herr R., ein stattlicher Mann im rosa Hemd, blonde Strähnchen im Haar, dicke Armbanduhr, 31 Jahre alt. Als Beruf gibt er „selbstständiger Kaufmann“ an, was alles bedeuten kann.
Herr R. ist angeklagt, in China diverse Armbanduhren bestellt zu haben. Was nun noch kein Verbrechen, noch nicht einmal ein Vergehen ist. Allerdings handelte es sich dabei um Plagiate von Edelmarken: Chanel, Tag Heuer, Rolex, Gucci. In der Zollkontrolle am Flughafen ist das verdächtige Päckchen aufgeflogen; zum Eigenbedarf, so vermutet die Staatsanwaltschaft, benötige man so viele Uhren auf einmal nicht. Herr R. kann sich überhaupt nicht erklären, wie seine Adresse auf den inliegenden Lieferschein gekommen sein könnte. Er vermutet, dass man seinen Namen missbraucht habe. Vielleicht habe ihm auch jemand einen bösen Streich spielen wollen? Das Gesicht des Richters verrät, was er davon hält. Herr R. bietet an, seine Konten offenzulegen. Das Angebot verhallt ungehört. Auftritt der Zollbeamtin. Frau M. ist groß, recht breit und scheint einen slawischen Akzent zu sprechen (im Gegensatz zum Staatsanwalt, der herrlichstes Hessisch redet). Als der Richter ihr die Aussage von Herrn R. vorhält, lacht sie: „Das sagen alle, die erwischt werden.“ Der Staatsanwalt jedenfalls sieht keinen Anhaltspunkt für eine dritte Person, und obwohl Herr R. in seinem Schlusswort schwört, nichts in China bestellt zu haben, verurteilt der Richter ihn zu einer Geldstrafe von sieben Tagessätzen à 40 Euro. Im Führungszeugnis, so beruhigt er Herrn R., werde diese Verurteilung nicht auf-tauchen. Einer weiteren Karriere als Kaufmann steht somit nichts im Weg.
Erschienen im Journal Frankfurt, 12/2008
Herr R. ist angeklagt, in China diverse Armbanduhren bestellt zu haben. Was nun noch kein Verbrechen, noch nicht einmal ein Vergehen ist. Allerdings handelte es sich dabei um Plagiate von Edelmarken: Chanel, Tag Heuer, Rolex, Gucci. In der Zollkontrolle am Flughafen ist das verdächtige Päckchen aufgeflogen; zum Eigenbedarf, so vermutet die Staatsanwaltschaft, benötige man so viele Uhren auf einmal nicht. Herr R. kann sich überhaupt nicht erklären, wie seine Adresse auf den inliegenden Lieferschein gekommen sein könnte. Er vermutet, dass man seinen Namen missbraucht habe. Vielleicht habe ihm auch jemand einen bösen Streich spielen wollen? Das Gesicht des Richters verrät, was er davon hält. Herr R. bietet an, seine Konten offenzulegen. Das Angebot verhallt ungehört. Auftritt der Zollbeamtin. Frau M. ist groß, recht breit und scheint einen slawischen Akzent zu sprechen (im Gegensatz zum Staatsanwalt, der herrlichstes Hessisch redet). Als der Richter ihr die Aussage von Herrn R. vorhält, lacht sie: „Das sagen alle, die erwischt werden.“ Der Staatsanwalt jedenfalls sieht keinen Anhaltspunkt für eine dritte Person, und obwohl Herr R. in seinem Schlusswort schwört, nichts in China bestellt zu haben, verurteilt der Richter ihn zu einer Geldstrafe von sieben Tagessätzen à 40 Euro. Im Führungszeugnis, so beruhigt er Herrn R., werde diese Verurteilung nicht auf-tauchen. Einer weiteren Karriere als Kaufmann steht somit nichts im Weg.
Erschienen im Journal Frankfurt, 12/2008
29. November 2008, 08.50 Uhr
Christoph Schröder
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Kultur
Erinnerungskultur
Wie entsteht ein Denkmal zur Friedlichen Revolution?
Eine Wanderausstellung begleitet die Entstehung eines Denkmales zur Friedlichen Revolution. Los geht es in Frankfurt vor der Deutschen Nationalbibliothek.
Text: Jasmin Schülke / Foto: Raumerweiterungshalle, in der die Wanderausstellung präsentiert wird; hier in Leipzig 2023 © SFR Stefan Fischer
KulturMeistgelesen
- Frankfurter KinosPreisverleihung beim Lichter Filmfest mit einigen Überraschungen
- Nacht der MuseenFrankfurts kulturelle Stern(en)stunde
- TitelstoryDie Linie 11: Frankfurts Kultur-Express
- Filmfest FrankfurtTipps für das 17. Lichter Filmfest
- Initiative 9. NovemberHochbunker an der Friedberger Anlage öffnet wieder
29. April 2024
Journal Tagestipps
Freie Stellen