Das Städel Museum ist bekannt für seine umfangreiche Sammlung graphischer Arbeiten. Die beeindruckende Präsentation „Raffael bis Tizian“ lässt das Italien der Renaissance wieder aufleben.
Ronja Merkel /
150 Jahre deckt die neue Ausstellung in der graphischen Sammlung des Städel Museum ab, eine riesige Zeitspanne, die sich in rund 90 Werken wiederspiegelt. Von 1430 bis 1600 reichen die Datierungen der gezeigten Kunstwerke, damit fängt „Raffael bis Tizian“ die gesamte Renaissance ein. „Die Welt damals sah ganz anders aus als heute, es war eine gewaltige Umbruchssituation“, sagt Joachim Jacoby, der Kurator der Schau. „In den relevanten Zeitraum fallen die Entdeckung Amerikas, die Reformation und die Himmelsbeobachtungen Galileo Galileis.“
Auch die künstlerische Entwicklung war vielfältig und erfuhr Veränderungen. In Italien galten Rom, Florenz und Bologna als die Zentren der klassizistisch geprägten Epoche. Alle bedeutenden Künstler der Zeit, zu denen neben den bekannten Namen Raffael und Tizian beispielsweise auch Giulio Romano, Sebastiano del Piombo oder Taddeo Zuccari zählten, suchten diese kulturellen Hochburgen auf. Ihre Arbeiten sind geprägt von einer ganz besonderen Unmittelbarkeit und einer Liebe zum Detail. In den genauen Studien von Körperhaltung und Gebärden werden die Virtuosität und das technische Geschick der Meister sichtbar.
„Für die Ausstellung haben wir jedes Blatt möglichst genau untersucht, dabei konnten wir viele neue Erkenntnisse sammeln“, sagt Joachim Jacoby. Einige der gezeigten Werke werden erstmals in einer Schau gezeigt, viele wurden im Zuge der intensiven Vorbereitung auch neuen Künstlern zugeschrieben. Alle Arbeiten, gleich wie bekannt der Künstler heute noch ist, zeugen von einer beeindruckend hohen Qualität. Jacoby sagt: „Wir haben hier einige sehr wichtige Kunstwerke, von denen es in dieser Form und Ausarbeitung nur sehr wenige gibt.“
Die Zeichnungen gewähren Einblicke in die Welt der Renaissance und verdeutlichen unter anderem die Wichtigkeit der Natur für die Kunst und die Rückbesinnung auf die Antike. „Zeichnung diente als Gestaltungsmittel vor allem der Reflektion“, sagt der Kurator. „Einige Skizzen wirken sehr frei, wie schnell hingeworfene, erste Gedankenblitze. Andere sind sehr gewissenhaft und genau. Wir können aus ihnen sehr viel über Werkprozesse und technische Details lernen.“
Die einzigartige Vielfalt der Graphiken lässt sich auch unabhängig von der Ausstellung bewundern. Jeder, der möchte kann sich im Studiensaal der Graphischen Sammlung im Städel Arbeiten vorlegen lassen. Joachim Jacoby betont, dass dies ausdrücklich erwünscht sei: „Das Angebot wird noch viel zu wenig genutzt. Wer gerne Papierarbeiten aus der Nähe sehen möchte, soll sich nicht scheuen, im Studiensaal nachzufragen. Jeder ist herzlich willkommen.“
>> „Raffael bis Tizian“, bis 11. Januar, Städel Museum, Schaumainkai 63. Weitere Informationen gibt es hier.
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin.