Rauschende Premiere am Samstag

Saturday Night Fever mal etwas anders

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Das Musical "Saturday Night Fever" schickt sich an, das Publikum im Sturm zu erobern. Auch wenn Regisseur Ryan McBryde bei dem Stück mehr auf den ernste Hintergrund wert legt als auf die Schlaghosen.

Nicole Brevoord /

Vergessen Sie John Travolta mit schmalzigem Haar, in engem Shirt und weißen Schlaghosen, der wird im English Theatre nicht tanzen. Und eine Kopie des Teenagerschwarms der 70er-Jahre wollte Regisseur Ryan McBryde (The Who’s Tommy, Spring Awakening, The Full Monty) auch gar nicht auf die Bühne bringen. Ihm geht es nicht um eine poppige Nostalgieschau, er stellt die Geschichte des Tony Manero – dem 19-jährigen Sohn einer sozialschwachen Arbeiterfamilie in New York, der zumindest am Wochenende seinem trostlosen Alltag entflieht, um in der Disco als Star auf dem Dancefloor zu erstrahlen – in den Vordergrund. Denn genau darum ging es ursprünglich in dem Kultfilm „Saturday Night Fever“, dessen weltberühmter Soundtrack durch das English Theatre flirrt, allerdings ohne das Falsett der Bee Gees, dafür gespielt von den ohnehin schon singenden, tanzenden und schauspielernden Darstellern, deren Ensembleleistung ein ordentliches Lob wert ist. Während Actor/ Musicians in England häufiger zum Einsatz kommen, betritt das English Theatre hier Neuland.

Ganz typisch aber für das größte englischsprachige Theater auf dem europäischen Festland ist die aufwändige Bühnengestaltung, die während der zweistündigen Aufführung kein einziges mal langweilig wird, sondern durch ihre Wandelbarkeit immer wieder zu überraschen vermag. Eben noch an der Brooklyn Bridge switcht die Szenerie zum Farbenladen, in dem Tony arbeitet und ist mit wenigen Handgriffen die schillernde Disko „Odyssey“ mit lauschigen Separées und DJ auf der Kanzel. Das Bühnenbild ist somit ein ebensolcher Augenschmaus wie der tänzerische Einsatz des siebzehnköpfigen Ensembles.

Wenn Tony sich mit seiner Gang in eine Schlägerei mit einer anderen Gruppe verstrickt, dann ist die an Capoeira erinnernde Choreografie ganz großes Kino und natürlich lassen die rasanten Diskotänze, wo es doch um einen Tanzwettbewerb geht, erwartungsgemäß wenig Wünsche offen. Dass viele der Darsteller auch Instrumente spielen, ist reizvoll, da dieser Einsatz mit den Sehgewohnheiten bricht und effektvolle Überraschungsmomente ermöglicht. Was den Sound jedoch anbelangt, so muss man sich von dem normalerweise satten Klang einer Band, die dafür optisch meist im Hintergrund untergeht, verabschieden. Sexy ist dafür die attraktive Sally Peerless, die einerseits als Barsängerin fungiert, andererseits mit ihrem Saxophon musikalische Akzente setzt.

Über all dem Geschehen prangt das nostalgische Werbeplakat von Miller Bier mit dem herausfordernden Titel „Enjoy Life“. Doch das ist, wie ein eingeblendeter Film einer Rede von Jimmy Carter zu Beginn des Stückes verdeutlicht, in den 70er Jahren nach der Ernüchterung durch die Watergate-Affäre gar nicht so leicht. Benzin ist knapp, das Geld ebenso und übrig bleibt eine Jugend, der der Amerikanische Traum scheinbar verwehrt bleibt. Doch McBrydes „Saturday Night Fever“ schwelgt nicht in den 70er-Jahren, die Handlung könnte auch heute spielen, darum gibt es auch keine spitzen Kragen oder Schlaghosen. Dafür erinnert manch ein Monolog klanglich an Rap und bei den neu choreographierten Tänzen finden sich auch Hiphop-Anlehnungen. Es geht um die Verzweiflung Jugendlicher, die ihren Weg nicht gefunden haben, die zwischen sexuellem Verlangen und Zukunftsträumen hin und her gerissen sind und mit Realitäten wie Rassismus, Frauenfeindlichkeit und zu wenig Geld für alles konfrontiert werden.

Vergleicht man den Hauptdarsteller Chris Cowley mit dem übergroßen Pendant John Travolta, so wirkt er dagegen natürlich blass. Aber McBryde will ganz gezielt, dass er den durchschnittlichen Jungen spielt, keinen Schönling, eher einen Verlierer. Fast manisch tanzt Cowley als Tony (der auch Gitarre spielt) in der Disco und kompensiert so das armselige Leben daheim, dass ihm im Arbeiterviertel Brooklyns erwartet, wenn seine Arbeit im Farbenladen vorbei ist. Da schlägt der italienischstämmige Vater seine Frau, trinkt und frönt dank der Arbeitslosigkeit den ganzen Tag über seinem despotischen Dasein. Und während Tony immer das schwarze Schaf der Familie war, weil der Bruder als Priester die Familienehre rettet, bricht auch diese Hoffnung zusammen, als Frank (überzeugend bieder Matthew Quinn) der Kirche den Rücken kehrt. Als Tony die schöne Stephanie (wunderbar: Naomi Slights) kennenlernt, will er mit ihr einen Tanzwettbewerb und somit eine hübsche Geldsumme gewinnen. Aus dem Tanztraining wird ein Flirt und am Ende Freundschaft. Doch zuvor gibt es untermalt von groovigen Hits wie „Stayin’ Alive“, „Night Fever“, „Tragedy“ und „How Deep is Your Love“ noch viele Hürden zu nehmen und Schicksalsschläge zu ertragen, die einen harten Kontrast bilden zur künstlich-oberflächlichen Discowelt. Wenn am Ende der Show noch mal ein Medley erklingt, hat das Publikum eine Achterbahn der Gefühle, aber auch einen wunderbar unterhaltsamen Abend hinter sich. Und es ist dem enthusiastischen Spiel, Tanz und Gesang des Ensembles geschuldet, wenn sich das Publikum wippend erhebt und am liebsten bei der fulminanten Zugabe mittanzen würde.
Noch bis zum 16. Februar läuft Saturday Night Fever im English Theatre in der Gallusanlage 7. Tickets sind für 22 bis 50 Euro erhältlich.


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