Newsletter
|
ePaper
|
Apps
|
Abo
|
Shop
|
Jobs

Ratlos am Regal

Supermarkt
Wer heute in einen Supermarkt geht muss aufpassen, dass er vor Reizüberflutung keine nervösen Zuckungen bekommt. Mal ganz abgesehen von nörgelnden Kindern, Einkaufswagen-unbeaufsichtigt-im-Weg-stehen-Lassern und der von Angebotsdurchsagen unterbrochenen konsumanregenden Musik, hat sich der mündige Einkäufer mit dem Vergleichen von Grundpreisen bei verschiedenen Packungsgrößen, diversen Gütesiegeln und Öko-Labeln sowie Zutatenlisten auseinanderzusetzen. Um eine Schneise in den Irrgarten der Lebensmittelkennzeichnung zu schlagen, nahm sich nun Frankfurts Gesundheitsdezernentin Manuela Rottmann (Grüne) innerhalb der Reihe „Frankfurt is(s)t gut“ des Themas an. Doch wer sich von den Podiumsteilnehmern Jürgen Stellpflug, Chefredakteur von Öko-Test, und Hartmut König von der Verbraucherzentrale Hessen einfache Patentlösungen erhofft hatte, verließ die Veranstaltung ebenso ratlos wie er gekommen war.


Um es vorweg zu nehmen: Der Hirnschmalz des Verbrauchers ist nach wie vor unerlässlich, wenn es ihm darum geht, gesund, nachhaltig und preiswert zu essen. Die einfachsten Regeln: Erstens: „Bunt“, also ausgewogen, essen: Von allem etwas, doch grundsätzlich eher Obst und Gemüse statt Hamburger. Zweitens: Ökologisch erzeugte Lebensmittel kaufen, die möglichst aus der Region kommen. Denn auch Bio-Rotwein aus Australien belastet die Umwelt durch den Flugzeugtransport. Andererseits lohnt es sich nicht mit dem Auto 30 Kilometer zum Bio-Bauern zu fahren, um lediglich ein Kilo Äpfel zu kaufen. Dann kann man sie auch einfliegen lassen. Drittens: Verlassen Sie sich auf Ihren gesunden Geschmack. Wer allerdings keinen Unterscheid mehr zwischen verwässerten Gewächshaustomaten im Winter und deutschen sonnengereiften im Sommer mehr feststellen kann, sollte besser gleich ganz auf Tomaten verzichten. Klar benachteiligt ist, wer wie Ökotester Stellpflug der „Vanillegeneration“ angehört. Das sind all diejenigen, die in den Sechzigern durch Milchpulver mit Vanillegeschmack aufgepäppelt wurden und deshalb heute noch gerne Tee mit Vanillearoma trinken.

Das gleiche Problem besteht heute etwa mit Ketchup. Ist das Kind erstmal an die handelsübliche Zuckerpaste mit Tomatenextrakt gewöhnt, ruft das entsprechende Bioprodukt nur noch Grimassen hervor. Viertens ist auf möglichst kurze Zutatenlisten zu achten. Das weißt auf wenig Zusatzstoffe und geringe „Produktveredelung“ hin, ist also gesund, spart Geld und entlastet die Umwelt. Und auch vom Preisvergleich ist der Verbraucher nicht enthoben, auch wenn das nach der europäischen Liberalisierung der Packungsgrößen nicht mehr so ganz einfach ist und bei den kleingedruckten Grundpreisen gerade für Senioren nahezu unmöglich wird.

PodiumAb und zu selbst ratlos am Regal sind: Michi Herl, Jürgen Stellpflug, Manuela Rottmann und Hartmut König

All das wussten die rund 150 Besucher im Haus am Dom wahrscheinlich auch schon vorher, denn wer sich an einem schönen Sommerabend zum Besuch einer solchen Veranstaltung durchringt, ist ohnehin für das Thema sensibilisiert. Hartmut König von der Verbraucherzentrale Hessen nutzte seinen Vortrag, um passend zur aktuellen Diskussion Nahrungsmittelimitate aus dem Supermarktregal an die Wand zu projizieren und auf – aus Verbraucherschutzsicht – unzureichend gekennzeichnete Lebensmittel hinzuweisen. Stellpflug hingegen versuchte, die Diskussion etwas differenzierter anzugehen. Analogkäse auf die Pizza zu tun, sei zwar Schummelei, wenn in der Speisekarte Käse angepriesen werde. Allerdings seien die Bestandteile im Grunde keine anderen als die von Margarine und schon gar kein Grund, sich zu ekeln. Auch „echter“ Käse müsste genau genommen als Milchprodukt ausgewiesen werden, das mit gentechnisch verändertem Lab und unter Zusatz von Aromastoffen erzeugt worden sei.

Produkte

Margarine übrigens sei ein Beispiel für ein gewolltes und seit langem bekannten Imitat für Butter, das wegen der pflanzlichen Fette viel gesünder sei, als das tierische Original. Und ob die Deklaration von Frischmilch und ESL-Milch nun wirklich eine so große Debatte wert sei, wo doch der Unterschied im Labor nicht feststellbar ist und auch die sogenannte Frischmilch nicht direkt vom Euter kommt, wagte der Journalist ebenfalls zu bezweifeln. Bei tausenden von Zusatzstoffen in Lebensmitteln und Textilien sowie gesetzlichen Ausnahmeregelungen und gesetzlichen Grenzwerten, die Manipulationen ohne Deklarationspflicht erlauben, würden auch weitere Siegel und Kennzeichnungen die Verwirrung nur noch größer machen.

CapriAmpelSelbst so einfache Systeme wie die Nahrungsmittel-Ampel (Foto), die nach Wunsch von Verbraucherschützern auf Packungen mit roten und grünen Punkten signalisieren soll, wie hoch die Konzentration von Fetten, Zucker und Salzen in Lebensmitteln ist, seien kein Allheilmittel. So würden für Cola-Light im Gegensatz zu Muttermilch nur grüne Punkte ausgegeben, obwohl jedoch niemand auf die Idee käme, sein Baby mit Cola-Light großzuziehen.

Michael Herl, der als Frankfurter Theatermacher und Grantler zur satirischen Reflexion geladen war, fasste dann die Diskussion auch pragmatisch zusammen: „Wer schon fertig abgepackten Hot-Dog mit Senf für die Mikrowelle frisst, dem ist nicht mehr zu helfen.“

Fotos: wikipedia/jow
 
25. Juli 2009, 13.46 Uhr
Jan-Otto Weber
 
 
Fotogalerie:
{#TEMPLATE_news_einzel_GALERIE_WHILE#}
 
 
 
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Kultur
Im Museum Angewandte Kunst wird aktuell die Ausstellung „CONTACT ZONES – Pamela Breda, Victoria Keddie, Sajan Mani“ gezeigt. Die drei Künstler schaffen mit ihren Arbeiten den Zugang zur Wissenschaft.
Text: Loreena Willner / Foto: CONTACT ZONES – Pamela Breda, Victoria Keddie, Sajan Mani, Foto: Günzel/Rademacher © Museum Angewandte Kunst
 
 
 
 
 
 
 
Ältere Beiträge
 
 
 
 
19. Mai 2024
Journal Tagestipps
Pop / Rock / Jazz
  • Samora Pinderhughes
    Kunstverein Familie Montez e.V. | 20.00 Uhr
  • Robert Forster
    Zoom | 19.00 Uhr
  • Ioulia Karapataki & Atar tou Tar
    Internationales Theater Frankfurt | 20.00 Uhr
Nightlife
  • Cocoon 25Y
    Blaues Wasser | 12.00 Uhr
  • Gibson loves FitSevenEleven
    Gibson | 23.00 Uhr
  • We Are One Festival
    Schlachthof | 22.00 Uhr
Klassik / Oper/ Ballett
  • Schwanensee
    myticket Jahrhunderthalle | 19.00 Uhr
  • Things have changed – Bob Dylan is not there
    Staatstheater Mainz | 18.00 Uhr
  • Budapest Festival Orchestra
    Alte Oper | 19.00 Uhr
Theater / Literatur
  • Ach Gottsche
    Comedy Hall / Kikeriki Theater | 18.00 Uhr
  • Orlando – Eine Biografie
    Schauspiel Frankfurt | 19.30 Uhr
  • Pärchenabend
    Stalburg Theater | 20.00 Uhr
Kunst
  • Adivasi – Das andere Indien
    Museum Wiesbaden | 11.00 Uhr
  • Wer hat Macht? Körper im Streik
    Frankfurter Kunstverein | 11.00 Uhr
  • Bernd Wolf. Retrospektive
    Stadtmuseum Hofheim am Taunus | 11.00 Uhr
Kinder
  • Lego Mindstorms Sumo-Wettkampf
    Experiminta Science Center | 12.00 Uhr
  • Volker Reiche
    Museum für Kommunikation | 13.30 Uhr
  • Museum in a Box – Wie sieht das Museum der Zukunft aus?
    Museum Wiesbaden | 14.30 Uhr
und sonst
  • Ritterturnier zu Pfingsten
    Ronneburg | 11.00 Uhr
  • Wäldchestag
    Stadtwald | 12.00 Uhr
  • Kloster Eberbach im Mittelalter – eine kleine Zeitreise
    Kloster Eberbach | 15.30 Uhr
Freie Stellen