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Neue Fotoschau

Ray: Fotos machen Geschichte

Eine ganze Region widmet sich dem Medium der Fotografie: in Vorträgen, Aktionen im öffentlichen Raum, Veranstaltungen und einer großen Ausstellung im
Kunstverein und im MMK.
Fast 190 Jahre ist es her, als es begann: 1826 erstellte der Franzose Joseph Nicéphore Nièpce das erste Lichtbild der Welt und konnte es auch fixieren. Jetzt, mit der Digitalisierung, explodieren die Motive ins Unüberschaubare.

Denken Sie an die Dokumentarfotografie oder auch an die Aufnahmen von Paparazzi, die die Regenbogenpresse beliefern und so ein Spezialgebiet der Pressefotografie repräsentieren – ein unwürdiges allerdings. Mittlerweile hat die Fotografie längst begonnen, unsere Wahrnehmung über die Welt zu verändern, subtil zwar, aber dennoch grundlegend. Der Wahrnehmungsprozess hat sich zuweilen umgekehrt – oft kennen wir längst die Bilder, bevor wir die Realität kennen: Urlaubsparadiese, Schönheitsideale, Shootings von politischen Ereignissen oder Aufnahmen vom Regenwald, von der Tiefsee oder gleich solche vom Mars. Wir kennen immer mehr Bilder jener Ereignisse und jener Orte, denen wir nicht beigewohnt haben, an die wir noch nicht gelangt sind, zu denen wir nie vordringen werden. Fotografie ist also zu einer echten Bildmacht geworden, die in ihrer kurzen Geschichte schon viel Geschichte geschrieben hat. Fotografie, so lernen wir, macht Geschichte.

An dieses Phänomen knüpfen die Macher der großen Hauptausstellung nun an, die im Rahmen von „Ray Fotografieprojekte Frankfurt/RheinMain“ bald ihre Pforten im hiesigen Kunstverein, im MMK und seiner Dependance im Zollamt öffnet. Parallel dazu haben sich acht weitere Institutionen mit „Ray“ verbunden. Das Projekt profitiert nämlich von den Häusern hier in Frankfurt und im Umland, die mit ihrer Expertise Grundlegendes zur Pflege des Mediums beitragen. So hat die Deutsche Börse, die selbst eine wichtige Sammlerin ist, in Eschborn eine Ausstellung konzipiert, genauso wie die DZ Bank in Frankfurt. Das Fotografie Forum plant wieder eine Sommerakademie mit Workshops. Ihre Leiterin Celina Lunsford ist seit Jahren eine Expertin auf dem Gebiet und hat sich für „Ray“ zusammengeschlossen mit Holger Kube Venture und Lilian Engelmann vom Frankfurter Kunstverein, Peter Gorschlüter vom MMK, Anne-Marie Beckmann von der Art Collection Deutsche Börse und mit Alexandra Lechner von den Darmstädter Tagen der Fotografie.

Sie alle zeichnen inhaltlich verantwortlich für das Projekt. Auch die Opelvillen Rüsselsheim, das Stadtmuseum Hofheim, diverse Hochschulen der Region und das Städel Museum steuern ihrerseits eigene Beiträge zu „Ray“ bei. Celina Lunsford betont deshalb, dass „es solch eine umfassende Zusammenarbeit zwischen so vielen Häusern in Frankfurt noch nie gegeben hat.“

Und Holger Kube Ventura ergänzt, dass Ray „wenn möglich nach drei Jahren in eine neue Runde gehen und somit als Triennale etabliert werden soll.“ Die Veranstaltung, die bewusst anknüpfen möchte an die „Prospect“-Ausstellung für aktuelle Kunst, die hier zwischen 1986 und 1993 stattfand, ist eine Initiative des Kulturfonds Frankfurt Rhein-Main.
Die genannte Hauptausstellung im Frankfurter Kunstverein und im MMK aber trägt den Titel „Making History“ und stellt mehr als vierzig Positionen der internationalen Fotografie und Videokunst vor, die sich mit der Bedeutung des Historienbildes in der zeitgenössischen Kunst auseinandersetzen. So sehen wir Werke von Thomas Demand, Samuel Fosso, Kathrin Günter, David LaChapelle, Eva Leitolf, Gustav Metzger, Peter Piller oder Martha Rosler. Wir sehen eine Arbeit von Jeff Wall, der die Restauratorinnen eines großen Rundbildes abgelichtet hat. Es zeigt die Instandsetzung des Bourbaki-Panoramas von Luzern, das die Aufnahme der Französischen Armee nach der Niederlage gegen die Deutschen im Jahre 1871 zum Inhalt hat und natürlich zum Symbol der Schweizerischen Neutralität wurde (aufgrund dieser Erfahrung wurde übrigens die Organisation des Roten Kreuzes ins Leben gerufen). An diesem Werk von Jeff Wall kann man exemplarisch die Frage nach der Darstellbarkeit von Geschichte stellen. Was ist es wert, an die Nachwelt überliefert zu werden? Wo hat die Fotografie das Medium der Malerei eingeholt, wo setzt es eigene Marken? Und überhaupt: wie müssen heute Bilder beschaffen sein, um Historie zu erzählen? Frankfurtern dürften hier die Aufnahmen von Barbara Klemm einfallen, die auch mit Werken vertreten sein wird, so mit jenem, das Willy Brandt und Leonid Breschnew bei einer staatstragenden Verhandlung 1973 zeigen. Sie ist ein Symbol für die veränderte Ostpolitik seit Brandts Amtsantritt, aber auch eines, wo und wie Politik entsteht. Atmosphärisch dicht wirkt das Ganze, und wir ahnen, hier ist ein Moment abgelichtet, der in die Geschichtsbücher eingehen wird. Und so war es dann ja auch.

Doch es gibt auch andere Bilder, die eine historischen Tatsache darstellen, aber nicht wirklich dokumentarisch funktionieren, sondern erzählerisch, und dabei fiktive Bilder erzeugen und verarbeiten, die trotzdem alles andere als unwahr sind. Omer Fast gelingt das in seinen Videofilmen. In ihnen stellt er die gewohnte Logik von Bild- und Soundebene infrage, stört den Betrachter beim emotionalen Eintauchen in zuweilen abstoßende Bilder. Konstruktion und Dokumentation vermischen sich und machen immer wieder darauf aufmerksam, dass Tatsachen so oder so erzählt werden können. Ein Altmeister des Skeptizismus also, genauso wie Harun Farocki, der vor einem Jahr auf der Mathildenhöhe in Darmstadt seine jüngste Arbeit über die Soldatenausbildung in der US Army zeigte. Bei „Ray“ ist er wieder dabei.

Wenn historische Ereignisse erzählt werden, wird also inszeniert. Sonst würde niemand hinsehen und niemand würde zuhören. Trotzdem gibt es Tatsachen, die eigentlich ungeheuerlich sind, auf die aber lange nicht die Aufmerksamkeit gerichtet war. So auf das Mittelmeer als Verbindung und Grenze zu Europa und auf eine kleine Insel namens Lampedusa. Sie ist beides: Urlaubsziel von Europäern und erste Anlaufstation von Flüchtlingen aus Afrika. Zwei Welten auf engem Raum. Sven Johne hat sie beobachtet und thematisiert in seinen Fotos von Badenden und von gewöhnlichen Hotelzimmern merkwürdigerweise das Wegsehen. Hier zeigen die Bilder nichts und erzählen trotzdem umso mehr.

Foto von James Mollison: The Disciples (2008)
 
19. April 2012, 11.30 Uhr
Grit Weber
 
 
Fotogalerie:
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