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Myers goes Wiesbaden

Pfarrer Jeffrey Myers hat über 20 Jahre lang die Geschicke der Frankfurter Paulsgemeinde gemanagt - an Ideen, neue Schäfchen in die Nikolaikirche auf dem Römerberg zu locken, mangelte es ihm nie. Im September wechselt der gar nicht zugeknöpfte Gottesmann von der Frankfurter City in die Hessische Landeshauptstadt Wiesbaden. Wir haben ihn vor seinem Urlaub in die Rocky Mountains noch einmal getroffen.

JF: Herr Myers, unsere kleine Metropole braucht einen guten Geist wie Sie doch viel dringender als das mondäne Spießbaden.

Jeffrey Myers: Nach so vielen Jahren an St. Nikolai - ich bin hier fast so lange wie unser Namenspatron, der Heilige Nikolaus! - freue ich mich auf neue Herausforderungen. Ein Wechsel tut der Kirche an der Gud Stubb sicherlich auch gut.

Frankfurt ist ja bekannt als die „amerikanischste“ Stadt Deutschlands. Haben Sie das auch so empfunden? Werden Sie sich in Wiesbaden nicht langweilen?

Auch Wiesbaden ist ausgesprochen international und ist Zuhause für eine der größten amerikanischen military communities in Deutschland. Übrigens: Unbekannt ist Wiesbaden unter Amerikanern auch nicht. Während meines letzten Urlaubs in den USA bin ich sogar auf ein Hotel Wiesbaden gestoßen, welches auf die Kurstadt zurückgeht.

Was sagt Ihre Gemeinde dazu, dass Sie sie verlassen?

Viele Menschen haben bereits gesagt, dass sie traurig sind, dass ich eine neue Stelle antrete, aber froh, dass ich hier wohnen - und Gemeindeglied - bleibe.


Ihr Wirkungskreis, die Nikolaikirche, liegt ja mitten in der Stadt. Wer war Ihre Klientel, welche Menschen haben Sie aufgesucht?

Hunderte von Menschen nehmen täglich die offene Kirche an der Gud Stubb wahr: Ruhesuchende Banker wie neugierige Touristen, Weihnachtsmarktbesucher im Advent und Hitzegeplagte im Sommer, Schulklassen und Pilgergruppen - jede und jeder ist herzlich willkommen. Unser Motto lautet: Keiner verlässt die Kirche mit leeren Händen, sei es ein Kunstführer in der Hand oder ein freundliches Wort oder eine Einladung zur Nacht der Kirchen im Ohr.

Haben auch mal krisengebeutelte Banker bei Ihnen Rat gesucht?

Mit einer Holzbude und drei Geldkisten wurde im Jahr 1402 die erste Frankfurter Bank gegründet, und zwar direkt vor unserer Kirche. "St. Nikolai", wie die Kirche im Mittelalter hieß, ist nach dem Heiligen Nikolaus benannt, der u.a. als Schutzpatron der Händler und der Banker gilt. Nicht erst seit der Weltfinanzkrise haben wir ein offenes Ohr und Herz für die Banker, die unter uns arbeiten und leben.

Die Kirche muss zu den Menschen gehen, lautet Ihr Motto. Wie werden sie die Wiesbadener in die Kirche locken?

Die Kirche mitten am Marktplatz gehört zu den Wahrzeichen Wiesbadens und viele Menschen nehmen bereits die offene Kirche wahr. Ehe ich aber eine Einladung ausspreche, muss ich erstmal gut zuhören und in Kontakt treten mit allerlei Menschen: Wiesbadener wie auswärtige Besucher, Gemeindeglieder wie Menschen vom gegenüberliegenden Landtag.

Sie haben sich jede Menge Tricks einfallen lassen, um die Menschen in die Kirche zu holen: WM-Gottesdienst, Kirchencenter auf der Messe – waren sie erfolgreich? Hat der Glauben, die Kirche in einer Stadt des Geldes noch eine wichtige Funktion?
Die Kirche am Römerberg ist viel mehr als Wahrzeichen der Stadt, Gottesdienstort und Oase der Ruhe. Sie ist auch eine Art Gedächtnis der Stadt: Sie erinnert an wichtige historische Ereignisse und Gedenktage und mahnt, wenn z.B. ein verfrühter Weihnachtsmarkt droht, solche Gedenktage an den Rand zu drängen oder wenn das gesunde Pensum zwischen Alltag und Festtag, Arbeit und Ruhe vergessen wird. Und das alles zum Lob Gottes, dessen Güte auch im Gedächtnis der Stadt bewahrt wird.

Steht mittlerweile fest, wer Ihr Nachfolger wird? Was möchten Sie ihm nach über 20 Jahren als Pfarrer in Frankfurt mit auf den Weg geben?

Der Nachfolger - oder Nachfolgerin? - steht noch nicht fest. Eine kurze Vakanz ist übrigens auch manchmal wohltuend, gar notwendig. Mit auf den Weg gebe ich den Wunsch, Ausschau zu halten nach den vielen kleinen und großen Wundern, die nicht nur in der offenen Kirche, sondern um uns herum täglich geschehen - nicht weniger in der Kleinmarkthalle und auf der Buchmesse, am Mainufer und Flughafen.

Wie war Ihre Anfangszeit als Amerikaner in Frankfurt?

Da ich direkt von Philadelphia - einer Großstadt an der Ostküste - kam, war der Umzug nach Frankfurt - mal abgesehen vom Frankfurter Dialekt - keine große Umstellung. Vermisst habe ich am Anfang jedoch dreierlei: die unendliche Weite des Landes, "24/7", d.h. Läden, die rund um die Uhr offen sind, und amerikanische Weihnachtslieder.


An welche Begebenheit denken Sie am liebsten zurück?

Mich bewegt immer wieder die Großzügigkeit der Menschen, die Projekte an unserer Kirche mit Zeit, Geld und Engagement stets unterstützt haben, wie etwa neulich die Balkonplätze-Verlosung (spätestens im Juli 2011 kommen aber die Fußball-Weltmeisterinnen zum Römerberg!), "Drachen Basteln für Haiti" oder die "Aktion Federmappe" (Schulranzen und -materialien für bedürftige Familien sammeln). Für viele Frankfurter bestimmt immer noch der Glaube den Umgang mit Geld - und nicht umgekehrt.

Was werden Sie am meisten vermissen?

Ich liebe zwar dieses Kleinod, die Alte Nikolaikirche, die so viel Geborgenheit und Ruhe schenkt, vermissen werde ich aber die Menschen - langjährige Gemeindeglieder und Mitarbeitende, Touristen und Passanten, Messebesucher und Ruhesuchende, deren auch so kurze Besuche bereichernd und gewinnbringend sind.


Was können deutsche Pfarrer von Ihnen als Amerikaner lernen?

Vermutlich nur ein Bruchteil dessen, was ich schon von meinen Kolleginnen und Kollegen hierzulande gelernt habe! Vielleicht bringen wir Amerikaner grundsätzlich etwas mehr Optimismus und Zuversicht mit ("The best is yet to be!"), dazu ein offenes Herz wie die Bereitschaft, auf Menschen zuzugehen.
 
13. Juli 2010, 16.00 Uhr
Jasmin Takim
 
 
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