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Mit dem Jeep nach Afrika (Teil 37)

Bahardar

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Um 6 Uhr ruft nicht nur der Muezzin von der nahe liegenden Moschee (auch den gibt es hier trotz der überwiegenden koptischen Christen), sondern auch das Abenteuer. Schnell geduscht, schnell gepackt. Wir haben mehr als 600 km teils Offroadstrecke bis Addis Abeba und wollen früh los. An der Rezeption sitzt eine verschlafene junge Frau, die uns die restliche Wäsche aushändigt. Vor Daniels Toyota hockt ein Häufchen Elend: Damaris. Sie bekommt unseren Zimmerschlüssel und kann duschen. Zeit für Gespräche bleibt nicht. Das Angebot, doch noch mit uns weiterzufahren, hatte sie bereits in Gondar ausgeschlagen. Verständlich nach all dem Trouble.

Es ist Punkt sieben als wir aus der Hotelanlage rollen. Die Sonne bettet Bahardar und seine Palmenalleen in weiches morgendliches Licht. Natürlich verfahren wir uns gleich und landen am Flughafen. Wieder zurück und fragen. Ein LKW-Fahrer zeigt uns den Weg nach Addis Abeba. Nach 2 km Holperstrecke erreichen wir die Asphaltstraße. Der Turbodiesel kommt auf Touren. Das Reisefieber stellt sich wieder ein. Was wird der Tag bringen? Ich bin gespannt auf Addis Abeba. Als wir das Weichbild der Stadt Bahardar verlassen bietet sich uns ein orientalisches Kolossalgemälde. In endlosen Kolonnen kommen uns Einheimische in orientalisch bunter Kleidung entgegen. Manche tragen einen weißen Burnus (traditioneller Umhang mit Kapuze) und einen Hirtenstab. Andere wiederum schützen sich mit bunten Schirmen vor der bereits grell leuchtenden Morgensonne. Es ist Samstag und die Landbevölkerung zieht es in die umliegenden Marktflecken. Was da nicht alles getragen wird: Säcke mit Reis und Getreide, Obst, Gemüse, Ziegen, Schafe, undefinierbare Tuchpakete in allen Farben. Die meisten laufen barfuss und die Füße geben durch ihr Aussehen Kunde von den Strapazen, denen sie ausgesetzt werden. Tausendundeine Nacht. Kamerafutter pur. Ein paar Frauen tragen Wäsche auf die kurzgeschorenen Wiesen zum Trocknen. Ein bunter Fleckerlteppich.

Kaffeedurst meldet sich. Daniel steuert den Toyota vor ein Minicafé. Sekunden später sind wir umringt von Kindern. Neugierige Blicke in unser Wageninneres. Allzu verlockend sind die verpackten Fußbälle, die für die Waisenhäuser in Tansania bestimmt sind. Während ich meine Kameras verstaue, knüpft Daniel schon erste Kontakte mit den Schulkindern und bevor wir das Café erreichen, sind wir umringt. „Money" oder „Pen" sind geläufige englische Wörter, die jeder Dreijährige beherrscht, daneben noch „you" und fertig ist der kleine Geschäftsmann.

Der Latte macchiato duftet verführerisch, natürlich ist er wieder überzuckert. Über unserem Tisch hängt ein Plakat in amharischer Schrift. Einer der Schüler erklärt sich auf Daniels Frage hin bereit, zu übersetzen. Es handelt sich um hygienische Hinweise zum Händewaschen, Choleraschutz und ähnliches. Dezent setzt sich ein Polizist in Uniform an einen Nachbartisch und beäugt unser Gespräch mit den Kindern. Wir müssen weiter. Wie dem Rattenfänger von Hameln folgen uns die Kinder zum Auto und wollen gar nicht verstehen, dass wir weiter müssen.

Fahrt nach Addis Abeba

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Weiter folgen wir der bestens asphaltierten Straße. Endlos sind nach wie vor die Menschenschlangen links und rechts. Eine menschliche Ameisenstraße, wie ich sie aus früheren Jahren aus Kenia kenne. Die ersten zerschossenen Panzer tauchen am Straßenrand auf. Der Krieg ist erst ein paar Jahre vorbei und noch hat niemand Zeit gefunden, diese Stahlrelikte zu beseitigen. Stumme Zeugen einer tristen jüngeren Vergangenheit. Ein paar Fotos und weiter geht's.

Was für ein lieblicher Anblick. Wieder endlose gerade abgeerntete Getreidefelder, üppiger Baumbewuchs dazwischen und das Ganze in hügeliger sonnendurchfluteter Landschaft. Ein paar Eselchen, ein paar Schafherden, Hirten in langen Wollgewändern auf ihren Stab gestützt. Ein Bild des Friedens. Das kann die Kamera fast nicht wiedergeben. Wir haben Durst. Daniel holt frisches Mineralwasser. Es kostet nur Pfennige. Weiter geht's. Ein größerer Marktflecken taucht auf. Jetzt sehen wir, wo all diese Menschenmassen hinströmen. Ganz Äthiopien ist auf den Beinen. Jetzt sehen wir auch Reiter auf bunt girlandengeschmückten Pferden stolz einher reiten. Das muss die Kamera festhalten. Die Pferde tragen roten Plüsch an Kopf und Schwanz. Weiter, weiter. Hier wird gerade gedroschen und freundlich wenden sich die Gesichter uns zu, als wir stehen bleiben und zuschauen.

Es wird Zeit für eine Mittagspause. In einem größeren Ort suchen wir ein geeignetes Plätzchen. Vor einem sauberen Hotel steht ein UN-Fahrzeug. Wir können unser Auto im Hotelhof sicher abstellen und gehen in das einfach eingerichtete Lokal. Dort hat auch ein Metzger seinen Laden eingerichtet und hantiert mit riesigen Fleischbergen eines frisch geschlachteten Rindes. Während ich filme, fragt Daniel nach dem Kilopreis. 30 Birr, also weniger als 3 Euro. Wir essen ein Omelett und trinken drei Cappuccini. Verdiente Pause. Weiter geht's.

Wir nähern uns dem Niltal. Von weitem drängt sich mir die Ähnlichkeit mit dem Grand Canyon und dem Coloradofluss auf. Wir müssen hier aus 2400 m Höhe ca. 1000 m auf Serpentinenstraßen hinunter zur Brücke und danach auf der anderen Seite wieder auf gleiche Höhe aufsteigen. Aber, aber. Plötzlich weicht der Asphalt einer üblen Geröllstrecke, die zum Überfluss seitlich nicht befestigt ist. Hier ist über ca. 25 km die größte Straßenbaustelle, die man sich vorstellen kann. Unter chinesischer Leitung wird hier mit gigantischen Maschinen die neue Straße über das Riftvalley und das Niltal errichtet. Von der alten Straße sehen wir nur noch zersprengte Reste, zerstörte Brücken, sicher Kriegsfolgen. Es hilft nichts, wir müssen durch. Mit 20, manchmal 15 Stundenkilometern kriechen wir den steilen Schotterweg hinab. Manchmal wird der Blick frei auf die in Jahrmillionen ausgewaschenen und ausgefrästen Gesteinsformationen. Eine gigantische Urweltlandschaft. Leider im dunstigen Licht. Endlich erreichen wir die Nilbrücke. Tief unten fließt er, der Blaue (eigentlich braune) Nil. Kaum ein Foto wert, nicht spektakulär. Aber jetzt geht's steil bergauf und der Toyota Turbo kommt ins Schwitzen. Die Wassertemperatur steigt und wir müssen anhalten. Der Motor braucht Kühlung. Wie aus dem Nichts tauchen hier im Unwegsamen Kinder auf und wollen Fossilien verkaufen. Daniel ersteht eine versteinerte Muschel. Weiter geht's. Endlich auf der drübigen Canyonseite angelangt, bietet sich uns an einem Ausguck ein atemberaubendes Bild auf dieses Naturschauspiel. Wir haben die Asphaltstraße erreicht und die Sonne steht schon beängstigend tief. Noch 78 km bis zur Hauptstadt. Die Straße steigt über 3100 m. Von dieser Höhe herab windet sie sich endlich wieder hinunter. Da tauchen plötzlich die Lichter in der Ebene auf.

Zu Gast bei Hilou und Nele

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Es ist bereits dunkel, als wir die Vorstädte erreichen. Ein turbulentes Durcheinander von Fahrzeugen und Menschen, Musik aus Läden, Hupkonzert. Noch ein paar Filmaufnahmen und jetzt wird's Ernst. Wir suchen unser neues Zuhause in der Nähe des Tewodrossquare. Im Dunkeln kein einfaches Unterfangen. Wir sind in einer 7 Millionenstadt (city 2,5 Mill). Nach einigem Herumfragen landen wir im Kreisverkehr um den kanonenbestückten Platz, ein Relikt aus italienischen Tagen und nach wenigen Minuten stehen wir vor der Tür Colsonstr. 525. Der Wächter schaut misstrauisch, aber als wir Hilous Namen nennen wird uns das Tor geöffnet. Die Haushälterin Misrasch maid zeigt uns die beiden Häuser. Zwei junge Hunde begrüßen uns stürmisch: Bruno und Kröte. Wir packen aus. Nach einer halben Stunde kommen Hilou und Nele vom Flugplatz. Die Haushälterin bereitet das Abendessen. Ich setze mich an den Laptop und schreibe diesen Bericht. Ein frisch bereiteter Espresso zu ein paar Haribo Colorado beflügelt die Gedanken. Beide Hundchen möchten zwischendurch immer schmusen. Soviel Zeit muss sein.

Misrasch ruft zum Abendessen. Es gibt duftende Lasagne mit Bohnengemüse und Salat, dazu französische Rot- und Weißweine und frisches Baguette. Was für eine lukullische Abwechslung nach dem gestrigen Fraß. Hin und her fliegen die Fragen. Wer macht was, was bedeuten die Projekte, an denen Hilou und Nele arbeiten. Eine junge Journalistin und PR-Beraterin kommt noch zum Essen. Die Gesprächsthemen gehen uns nicht aus. Leider müssen Hilou und Nele morgen schon wieder weiterfliegen und überlassen uns freundlicherweise ihre beiden Häuser. Wir haben es fürstlich getroffen. Ich schlafe im riesigen Wohnzimmer. Bruno ringelt sich in sein Körbchen und ich in meinen Schlafsack. Äthiopische Großstadtnacht.

In Ausgabe 01/07 des Journal Frankfurt berichteten wir über die 26-jährige Damaris Haensel. Damals war die angehende Haupt- und Realschullehrerin noch mitten in den Vorbereitungen für ihre ungewöhnliche Reise, die sie im Geländewagen bis nach Tansania führt. Der Weg nach Dar es Salaam, Tansania, ist lang. Seit mehr als 30 Tagen ist die Gruppe des Trail for Africa unterwegs. Sie besteht zum einen aus Offroad-Fahrern, die für die Expeditionsfahrt bezahlt haben und zum anderen aus Vertretern von Streetkids International (Damaris Haensel, dem Geschäftsführer der "Streetkids" Daniel Preuß und dem Kameramann Peter Becker), die sich auf den Weg zu den Waisenkindern gemacht haben. Früher als eigentlich geplant, hat sich die Gruppe nun getrennt: Daniel Preuß und Peter Becker fahren in einem Geländewagen zu den Kindern nach Dar es Salaam, um bei ihrer Ankunft wie geplant das Multipurpose Education Center (MEC) zu eröffnen und Damaris Haensel hat sich entschieden, die Expeditionsfahrt in der großen Gruppe mit mehreren Geländewagen fortzuführen.
 
14. Februar 2007, 19.23 Uhr
Peter
 
 
Fotogalerie:
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