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Kolumne von Ana Marija Milkovic

Mailand und MyZeil

Unsere Kolumnistin vergleich die Zeil mit Mailands Piazzas. Nicht ganz fair, gewiss. Doch dadurch wird deutlich, dass eine Fußgängerzone eben dieses ist: Die Fortführung des überholten Konzepts der autogerechten Stadt.
Die MyZeil ist nicht das schlechteste Beispiel an Shoppingcentern in Frankfurt, eher eines der besseren. Ein gelungenes Beispiel ist aber die Mailänder Galleria Vittorio Emanuelle II, erstellt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Vis-à-vis des Mailänder Doms gelegen, ist diese in Passagen angelegte Galerie die älteste Shoppingmall der Welt. Die Galerie verbindet in ihrer wichtigsten Achse die Piazza del Scala mit der Piazza des Doms. An der Piazza del Duomo wiederum steht eines der ältesten Kaufhäuser Mailands: La Rinascente. Der Blick vom Dachcafe des La Rinascente auf den Dom könnte dichter und berauschender nicht sein.

Berauschend ist in Frankfurt ein Konglomerat an Hochhäusern, dass sich von oben am besten betrachten lässt. Im Einkaufscenter MyZeil, auf dem ehemaligen Telekom Areal, ist diese Möglichkeit nicht gegeben. KSP Architekten verantworteten den Städtebau für "Hoch Vier" nebst Flächen für ein Einkaufszentrum. "Einkaufscenter können die aber nicht", sagte mir einst Werner Pfaff, einschlägig bekannter Projektentwickler und -Steuerer aus Frankfurt. In diesem Fall konnte es Massimiliano Fuksas, ein italienischer Architekt, der unter Anderem das neue Messekonzept für Mailand entwarf.

Ein Einkaufszentrum unterscheidet sich von einem klassischen Kaufhaus, wie zum Beispiel dem La Rinascente in Mailand oder dem Kaufhof in Frankfurt, wie folgt: In einem Kaufhaus wird auf eigene Rechnung Handel betrieben. In einem Shoppingcenter dagegen fungiert der Betreiber als Center-Manager und Vermieter.

Ursprünglich wurden Shoppingmalls, in Deutschland auch Shoppingcenter genannt, entsprechend amerikanischem Vorbild am Stadtrand mit einem Ziel hergestellt, Handelsflächen für die Peripherie konzentriert zu organisieren. Einhergehend zu dieser Entwicklung wurden Planungsmaßnahmen vorrangig dem fließenden Verkehr untergeordnet. Es entstand "Die Autogerechte Stadt". Das bedeutete die Trennung, Zerstörung historisch gewachsener Mischstrukturen. Den Quartieren wurden homogene Funktionen zugewiesen: Wohnen, Büro, Handel und Fußgänger.

In der Stadtplanung ist die autogerechte Stadt mittlerweile überholt. Das mag vielleicht der Grund sein, warum sie in Form von Fußgängerzonen fortgeführt wird. Die Fußgängerzone als Gegenprogramm zur autogerechten Stadt zu propagieren, ist irrläufig. Ich halte das für einen argumentativ ausgemachten Bullshit.

Das homogene Nutzungsangebot auf der Zeil, das ausschließlich dem Konsum dient und die sie andienende Fußgängerzone, ist das Erbe der autogerechten Stadt, die vermischte Strukturen eindimensional bereinigte. Folglich entstand mangels durchmischter Nutzungen in den angrenzenden Stadtteilen auch ein erhöhter Bedarf an Retailflächen, die nun in der Innenstadt kompensiert an einer Fußgängerzone angeboten werden. Wo früher noch der ÖPNV die Zeil erschloss wurden Bäume gepflanzt. Der Griff zum Grün ist ein beliebtes Mittel unter Städteplanern und Architekten, wenn fachliche Argumente in der Sache ausgehen. Es bleibt daher ein frommer Wunsch, Passanten könnten im Schatten eines Baumes auf der hektischen Zeil verweilen, um meterlange Abwicklung stereotyper zum Konsum anbiedernde Fassaden und vorbeiströmende Menschenmassen zu genießen. Das tun sie nicht.

In diesem Kontext sticht das Konzept MyZeil in dem topografischen Einerlei heraus. Eine wilde Flusslandschaft soll es sein, die Besucher in das Gebäude strömen lässt. Das Konzept der Dachlandschaft wurde erstmalig für die Mailänder Messe von Massimiliano Fuksas entworfen und realisiert. Die Mailänder Messe ist ein Parcour von Messehallen, die beidseitig an eine Promenade anschließen. Die Überdachung schließt die Promenade aber nicht hermetisch ab. Sie ist reiner Wetterschutz. Auch die Galleria Vittorio Emanuelle II. ist an ihren baulichen Enden mitnichten geschlossen. So werden diese Passagen natürlich belüftet und vereinen unter einem Wetterschutz Funktionen, die dem Konsum dienen und Flächen erschließen.

Architekten sind dem klassischen Sinn nach keine Projektentwickler. Sie erhalten vorgefertigte Grundlagen und Standards, die sie architektonisch bearbeiten. Liegt ein Einkaufszentrum auf dem Tisch, wird sich der Architekt schwer tun, vom Status quo abzuweichen. Würden Architekten zum Beispiel den Investoren empfehlen, Passagen des Gebäudes natürlich zu belüften, weniger in die Gebäudetechnik, mehr in die Architektur zu investieren, käme es der Vorstufe einer Kündigung gleich. Natürlich wissen Projektentwickler besser wie Einkaufszentren zu organisieren, zu bauen und wirtschaftlich zu betreiben sind. Dafür werden sie bezahlt. Warum nun aber der enorme Geräuschpegel der Lüftungsanlage in der MyZeil den Besucher stören muss, bleibt das Geheimnis der Projektentwickler, die uns Bürgern einen Nachweis schulden: Nachhaltige und funktionierende Einkaufszentren in der Stadt.
 
25. März 2014, 17.01 Uhr
Ana Marija Milkovic
 
 
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