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Kolumne von Ana Marija Milkovic

Berliner Straße, Bundesrechnungshof

Der ehemalige Bundesrechnungshof an der Berliner Straße beschäftigt uns seit Jahren, nicht unbedingt ausschließlich zu unserem Vergnügen. Unsere Kolumnistin macht sich dennoch eines daraus.
Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Und deswegen blicken nicht nur Frankfurter interessiert auf die vorliegenden Wettbewerbsergebnisse. Auch der Deutschen Presseagentur ist der aktuelle Newsletter über die Liegenschaft eine Meldung wert. Kaum sind die Ergebnisse prämiert, dürfen sie auch schon zum wiederholten Mal überarbeitet werden. Während nun die zwei letzten unter den eingeladenen wenigen Büros sich der Aufgabe abermals widmen dürfen, hilft zum besseren Verständnis für den zu planenden Ort ein Blick zurück in das Jahr 1956. In diesem Jahr bezog der Bundesrechnungshof das neu errichtete Gebäude an der Berliner Straße, das heute unter Denkmalschutz steht.

Beim Nachlesen der Funktion des Bundesrechnungshofes, dessen unwirtliches Erbe uns heute beschäftigt, stelle ich fest: Diese Behörde ermittelt rechnerische Ergebnisse in Form von Prüfungsberichten. Sie berät und bereitet auch Verbesserungsvorschläge vor, in der Hoffnung, jedoch ohne legitimierten Anspruch, dass sich die Dinge zum Besseren wenden. An dieser Stelle schließt sich der Kreis, denn auch die Beteiligten und Interessierten des Wettbewerbs ersehnen sich Gleichwertiges für die bauliche Hinterlassenschaft der Behörde, ohne den Anspruch darauf erheben zu dürfen.

Während nun der Bundesrechnungshof seine Agenda seit 2000 in Bonn geflissentlich verfolgt, suchen Investoren, Stadt und Planungsbeteiligte seit Jahren nach Nachfolgenutzungen des leerstehenden Gebäudes an der Berliner Straße. Die Planung ist erschwert. Das Gebäude, das den Frankfurtern hässlich anmutet, steht unter Denkmalschutz. Die Bausubstanz ist, milde ausgedrückt, im schlechten Zustand. Der Erhalt des denkmalgeschützten Status quo wird mit etwa 26 Millionen Euro veranschlagt. Da es der allgemeinen politischen Stimmung entspricht, eine verfahrene Situation durch den Erhalt des Status quo zu sichern, ist es nur redlich die 50er-Jahre-Bebauung der Berliner Straße besser nicht in Frage zu stellen. Es ist auch zu spät, die ausgewählten Büros in Frage zu stellen, die sich argumentativ am Geist der Zeit und den gesetzten Zielen vorbeibewegen.

Wie sie das tun, macht Wettbewerbsergebnisse aber erst so richtig spannend. Beim Betrachten der drei prämierten Entwürfe sticht nur beim dritten Preisträger das Denkmal erstaunlich ästhetisch heraus. Eine historische Aufnahme des Bundesrechnungshofes bestätigt die Darstellung des Wettbewerbsbeitrages von Auer und Weber. Das "historische Gebäude" mutet differenzierter, eleganter als sein gegenwärtiger Zustand an. Das oberste Stockwerk, das sich derzeit mit dem Baukörper trostlos vermengt, setzte sich ursprünglich in Farbe und Material von den darunter liegenden Stockwerken ab. Auch die ursprüngliche Farbigkeit des sichtbaren Fassadenrasters rhythmisiert die Flächen das Stahlskelettbaus wirksam. Die Fliesen erzeugen in den Feldern eine in sich arbeitende Struktur. Das ist keine Erfindung der Architekten des Gebäudes, sondern ein Stilmittel der Zeit. Und das ist besonders.

Bei meinem Suchen weiterer historischer Vorlagen, fällt mir die selbstbewusste Überhöhung des Hauptgebäudes gegenüber der Paulskirche auf. Ich kann nur mutmaßen, dass hier das zu schützende Erbe liegt. Es drückt das Selbstbewusstsein des Einzelnen in einer jungen Demokratie aus. Auch das ist besonders. Die Architektur der 50er ist zuallererst pragmatisch und unprätentiös in Ruinen sich Platz erschaffend, durchsetzend, weniger schwermütig und historisierend. So erklärt sich auch der Ort der Behörde an der Berliner Straße als Erbe der Auto gerechten Stadt. Eine Erfindung der Nachkriegsmoderne.

Eine Schneise, die in ihrer Ost-West Ausrichtung die ursprüngliche, gewachsene Nord-Süd Achse Frankfurts vierspurig trennt, gibt uns Bürgern bis zum heutigen Tag Beschwerden und Rätsel auf. Es scheint, als hätten auch die Protagonisten der 50er so manche Entscheidungen, nicht bis zu Ende gedacht. Zu Ende denken wollte der dritte Preisträger seinen Entwurf im Sinne der Nutzer und Investoren auch nicht. Auer und Weber setzten eine natürliche Belichtung des Neubaus über 30 Zentimeter breite Lichtschlitze zwingend voraus. Den Entwurf empfinden nicht nur Investoren dogmatisch, auch zukünftige Nutzer könnten sich im Sichtfeld behindert sehen. Dogmatismus passt weder in die 50er so recht noch in die aktuelle politische Agenda, wie wir eine Woche nach der Wahl wissen.

So bleiben von Dreien nur noch Zwei. Das Ergebnis des zweiten Preisträgers wirkt erstaunlich fremd im Kontext eines doch zu schützenden Zeitfensters. Das Büro Stefan Forster propagiert nun seit Jahren Stilmittel der 20er- und 30er-Jahre und karikiert durch seinen Entwurf den denkmalgeschütztem Ort der Nachkriegsmoderne durch seinen rückwärts gewandten Blick. Es erstaunt mich immer wieder wie unpolitisch, wenngleich gefällig Architektur auch sein kann und durch seinen zweiten Preis auch sein darf. Oder soll?

Wozu benötigt Deutschland Denkmäler einer Zeit, die als historisch einmalige Zäsur betrachtet werden müssten? Um die Zeit verklärend zurückzudrehen und damit zu negieren? Der Beitrag der Wettbewerbsgewinner, KSP Architekten, dreht nichts zurück und behauptet sich selbstbewusst aus seiner eigenen Agenda. Das ist der populistische Vorwurf, der sie trifft. Zurecht, aber in diesem Kontext auch gelungen.
 
1. Oktober 2013, 10.34 Uhr
Ana Marija Milkovic
 
 
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