Partner
Kino-Tipp
„Irdische Verse“ – ein kritischer wie kreativer Episodenfilm
Mit „Irdische Verse“ startet am 11. April eine scharfsinnige Satire über den entwürdigenden Machtapparat im lärmenden Moloch Teheran. Es ist ein kritischer wie kreativer, hintersinniger Episodenfilm.
Immer wieder bewundernswert, wie iranische Filmemacher trotz gnadenloser Gängelung konsequent ihrer Sache nachgehen, dem Rest der Welt aufzuzeigen, in welch menschenunwürdigen Zuständen sich das Leben ihrer Landsleute abspielt. Zumeist in eingeschränkten Verhältnissen, möglichst an der autoritären Staatsmacht vorbei, entsteht aus der Not heraus manches Kinoereignis – wie auch dieses hier.
In neun Episoden nehmen sich Ali Asgari und Alireza Khatami knapp 80 Minuten Zeit, um mit pointiertem Blick behördliche Willkür aufzuspießen: Die Humorhintergründe mögen bitter sein, ungläubiges Kopfschütteln gibt’s inklusive. So fällt das sarkastische Regie-Duo kurz vor Schluss mit der Tür ins Haus, als sie einen Vertreter ihrer Zunft vor dem Kulturamt verzweifeln lassen, weil an seinem geplanten Filmprojekt zwar „nichts auszusetzen“ sei, problematisch wäre nur das Drehbuch.
Wenn „Irdische Verse“ nicht im Iran spielen würde, könnte er es beinahe auch sonstwo tun
An anderer Stelle wird einem kleinen freigeistigen Mädchen im Modeladen eine entstellende Burka aufgezwungen („Wir haben dazu auch den passenden Gebetsteppich“), ein Vater darf sein Kind nicht „David“ nennen (besser: „Davood“), beim Vorstellungsgespräch wird eine junge Frau zunehmend verbalsexualisiert, eine Schülerin muss ein indiskretes Verhör über sich ergehen lassen, auf dem Arbeitsamt wird ein Bewerber auf seine religiöse Tauglichkeit überprüft – ausnahmslos keine Scherzthemen.
Und wenn „Irdische Verse“ (selbst der Titel ein ironischer Querverweis) nicht im Iran spielen würde, könnte er es beinahe auch sonstwo tun. Der Kunstgriff der Macher: jede Sequenz ohne Schnitt mit einer handelnden Person aus der Sicht des jeweiligen, nur akustisch vernehmbaren „Schreibtischtäters“ statisch durchzuspielen und die – zweifelsohne der Realität abgehorchten – Dialoge stetig ins Irrwitzige abgleiten zu lassen.
„Irdische Verse“ – ein kritischer wie kreativer, hintersinniger Episodenfilm ganz aus einem Guss
Auf diese Weise entsteht ein kritischer wie kreativer, hintersinniger Episodenfilm ganz aus einem Guss, als hätte man einen Satz messerscharfer Zeitungskarikaturen in Bewegtbilder übersetzt. Und wie das bei den besten davon eben so ist: Es tut innerlich zwar weh, aber lachen muss man trotzdem.
Info
Irdische Verse, Satire, R: Ali Asgari, Alireza Khatami, IR 2023, Start: 11.4.
In neun Episoden nehmen sich Ali Asgari und Alireza Khatami knapp 80 Minuten Zeit, um mit pointiertem Blick behördliche Willkür aufzuspießen: Die Humorhintergründe mögen bitter sein, ungläubiges Kopfschütteln gibt’s inklusive. So fällt das sarkastische Regie-Duo kurz vor Schluss mit der Tür ins Haus, als sie einen Vertreter ihrer Zunft vor dem Kulturamt verzweifeln lassen, weil an seinem geplanten Filmprojekt zwar „nichts auszusetzen“ sei, problematisch wäre nur das Drehbuch.
An anderer Stelle wird einem kleinen freigeistigen Mädchen im Modeladen eine entstellende Burka aufgezwungen („Wir haben dazu auch den passenden Gebetsteppich“), ein Vater darf sein Kind nicht „David“ nennen (besser: „Davood“), beim Vorstellungsgespräch wird eine junge Frau zunehmend verbalsexualisiert, eine Schülerin muss ein indiskretes Verhör über sich ergehen lassen, auf dem Arbeitsamt wird ein Bewerber auf seine religiöse Tauglichkeit überprüft – ausnahmslos keine Scherzthemen.
Und wenn „Irdische Verse“ (selbst der Titel ein ironischer Querverweis) nicht im Iran spielen würde, könnte er es beinahe auch sonstwo tun. Der Kunstgriff der Macher: jede Sequenz ohne Schnitt mit einer handelnden Person aus der Sicht des jeweiligen, nur akustisch vernehmbaren „Schreibtischtäters“ statisch durchzuspielen und die – zweifelsohne der Realität abgehorchten – Dialoge stetig ins Irrwitzige abgleiten zu lassen.
Auf diese Weise entsteht ein kritischer wie kreativer, hintersinniger Episodenfilm ganz aus einem Guss, als hätte man einen Satz messerscharfer Zeitungskarikaturen in Bewegtbilder übersetzt. Und wie das bei den besten davon eben so ist: Es tut innerlich zwar weh, aber lachen muss man trotzdem.
Irdische Verse, Satire, R: Ali Asgari, Alireza Khatami, IR 2023, Start: 11.4.
9. April 2024, 10.17 Uhr
Andreas Dosch
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Kultur
Schließung E-Kinos
Das Ende einer Kinoära
Nach 72 Jahren schließen die Filmtheaterbetriebe Jaeger ihre Tore. Das Ende der E-Kinos lässt die Beleg- und Stammkundschaft betroffen-melancholisch zurück.
Text: Gregor Ries / Foto: Ein eingespieltes Team: Robert Lauth (l.) und Jens Hübenthal (r.) © red
KulturMeistgelesen
- Frankfurter KinosPreisverleihung beim Lichter Filmfest mit einigen Überraschungen
- Nacht der MuseenFrankfurts kulturelle Stern(en)stunde
- TitelstoryDie Linie 11: Frankfurts Kultur-Express
- Initiative 9. NovemberHochbunker an der Friedberger Anlage öffnet wieder
- Filmfest FrankfurtTipps für das 17. Lichter Filmfest
29. April 2024
Journal Tagestipps
Freie Stellen