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Jubiläum

Diener der Musik

Vor 50 Jahren wurde der schwarze Dean Dixon Chef des hr-Symphonie-Orchesters. Er war der jüngste Dirigent der New Yorker Philharmoniker und wirkte in den renommierten Konzertsälen von Philadelphia, Boston.
Er war der jüngste Dirigent der New Yorker Philharmoniker und wirkte in den renommierten Konzertsälen von Philadelphia, Boston. Im September vor fünfzig Jahren übernahm Dean Dixon in Frankfurt die Leitung des Symphonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks.

„Ein Neger, der Brahms kann? Unmöglich!“ So drastisch soll der Dirigent Wilhelm Furtwängler wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg auf Zeitungsartikel reagiert haben, die von einem erfolgreichen jungen schwarzen Kapellmeister in New York berichteten. Dieser hieß Dean Dixon und hatte sich mit Aufführungen von Stücken der europäischen Klassik und Romantik einen Namen gemacht. Die Worte Furtwänglers klingen für uns heute schockierend; sie spiegeln aber pointiert die dominierende Meinung im Gewerbe der klassischen Musik im vergangenen Jahrhundert wider.

Als der Hessische Rundfunk Dean Dixon vor fünfzig Jahren im September 1961 zu seinem Chefdirigenten bestellte, war dies ein ungewöhnlicher Schritt. Zwar zählten in diesen Jahren in Frankfurt Schwarze – vor allem amerikanische Soldaten – durchaus zum Straßenbild, aber ein Schwarzer als Chef eines renommierten Orchesters: Das war in Europa einmalig und weltweit eine Besonderheit. Entsprechend kommentierte eine bayerische Zeitung die Entscheidung des Hessischen Rundfunks: „Dixon ist Neger. Er ist Dirigent von Weltklasse. Dass dieses vor jenem unter allen Umständen Vorrang verdient, darf heute noch nicht als selbstverständlich gelten.“

Der Name Dean Dixon hat heute im Musikleben keine große Präsenz mehr. Das mag daran liegen, dass er vielleicht nicht so stilbildend wie etwa Karajan gewirkt hat. Aber zu seiner Zeit zählte er zu den bedeutenden Dirigenten der Welt. Er hat die großen Orchester der USA dirigiert und war auch während seiner Engagements in Europa – vor allem in Göteborg und in Frankfurt – immer mit zahlreichen internationalen Gastdirigaten beschäftigt; die besten Orchester Europas wollten ihn „haben“. Zusätzlich hatte er noch Anfang der sechziger Jahre die Leitung des Sydney Symphony Orchestras inne.

In seiner Laufbahn waren seine fast 14 Frankfurter Jahre prägend für ihn, denn hier hat er am längsten gewirkt. Dem Musikleben der Mainstadt hat er in den Jahrzehnten nach dem Krieg neben dem ehemaligen Generalmusikdirektor der Oper Frankfurt Georg Solti die bedeutendsten künstlerischen Impulse gegeben. Er setzte sich mit hohem Engagement für zeitgenössische Komponisten ein, aber auch für die moderne Musik aus seinem Geburtsland Amerika und für die seinerzeit hier kaum gespielte Musik aus den nordischen Ländern. Das Rundfunkorchester hat er in dieser Zeit mit einer sehr kontinuierlichen Arbeit auf ein sehr hohes Niveau gehoben.

Dean Dixon war nie der große Zampano, der exaltierte Künstlerdirigent, der sich in den Mittelpunkt des Geschehens gerückt hätte. Vielmehr war er eher der eng mit dem Orchester verschmolzene, analytische und disziplinierte Interpret, der sich als Diener der Musik sah und seine Person immer hinter das Werk stellte. Sein Umgang mit dem Orchester wird von den Musikern als kollegial und eher demokratisch umschrieben. Der ehemalige Hornist Peter Steidle beschreibt das mit einer kleinen Anekdote: Auf einer Tournee wütete ein bösartiges Magen-Darm-Virus im Orchester. Der Orchesterwart gab dem erschöpften Hornisten ein Medikament und empfahl ihm, sich etwas hinzulegen. Mitten im Schlaf weckt ihn das Telefon und eine Stimme fragt: „Brahms ist schon vorbei, wo bleibst Du?“ Steidle wirft sich in den Frack und rast in die Konzerthalle. Dixon begrüßt ihn: „Wenn Du jetzt den Bruckner gut spielst, ist alles vergeben.“

Das Leben des 1915 in New York geborenen Dean Dixon war geprägt von Musik, aber auch immer vom Kampf gegen rassistische Vorurteile und Anfeindungen. Schon als junger Geiger träumte er davon, einmal Dirigent zu werden. Aber nur zu gut wusste er, dass seine Chancen minimal waren. Denn nur wenige Musiker überhaupt hatten die Gelegenheit, ein erstklassiges Orchester in den USA zu leiten. Und von diesen waren wiederum nur sehr wenige in den USA geboren und ausgebildet, und keiner von ihnen war ein Schwarzer. Mit fünf Jahren bekam er Geigenunterricht und trat bald bei vielen Gelegenheiten auf. Auf der High School lernte Dixon fast alle Orchester-Instrumente spielen, und schon in jungen Jahren gründete er mit Kind ern aus der Nachbarschaft sein eigenes Orchester, das „Dean Dixon Symphony“. Als bei ihm die Idee aufkam, sich bei dem elitären Juilliard Institute für die Ausbildung zum Dirigenten zu bewerben, hatte er mit erheblichen Widerständen zu kämpfen. Eltern und Musikerfreunde rieten ihm, sich auf eine Karriere als Sologeiger zu konzentrieren, da er als Schwarzer im Dirigierfach keine Chance habe. Doch allen Warnungen zum Trotz hielt Dixon an seinen Zielen fest und gewann mit 17 Jahren ein Stipendium.

Mit seinem eigenen Orchester erregte er die Aufmerksamkeit der damaligen First Lady Eleanor Roosevelt. Diese verschaffte ihm einen Termin bei den New Yorker Philharmonikern – die er dann als erster Schwarzer und als jüngster Dirigent überhaupt in der Geschichte des Orchesters dirigierte. Aber seine Hautfarbe blieb immer wieder Thema: So legte man ihm vor einem Gastspiel sogar nahe, sich weiß zu schminken, was er natürlich abgelehnt hat. Obwohl er musikalisch erfolgreich war, fand er keine feste Anstellung in den Vereinigten Staaten. 1948 verließ Dixon schließlich die USA mit den Worten: „Ich habe mich selbst aus Amerika herausgeworfen, denn mich als Farbigen auf meinem Gebiet zu behaupten, … widerspricht dem, was Amerika uns Schwarzen an Fähigkeiten zubilligt.“

Als 34-Jähriger baute er sich mit Gastdirigaten in Europa eine neue Existenz auf. Schließlich übernahm er von 1957 bis 1960 das Göteborger Sinfonie Orchester, ehe er dann nach Frankfurt zum Hessischen Rundfunk kam. 1970 kehrte er nach langer Zeit für einige Gastspiele in die USA zurück und feierte im New Yorker Central Park vor 75.000 Zuhörern einen triumphalen Erfolg. Zwei Jahre, nachdem er sich mit Beethovens neunter Symphonie vom Hessischen Rundfunk verabschiedet hatte, starb Dean Dixon im Alter von 61 Jahren in der Schweiz.
 
17. August 2011, 12.21 Uhr
Nikolaus Münster/ Stadt Frankfurt am Main, Presse- und Informationsamt
 
 
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