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Internationales Jahr der Wälder

"Am Wald hängt das Herz der Menschen"

Christian Raupach, geschäftsführender Direktor des hessischen Waldbesitzerverbands, über hessische Wälder, den idealen Baum und wie er Chuck Leavell, Keyboarder der Rolling Stones, zum Konzert überredete.
Journal Frankfurt: Die offensichtlichste Frage gleich zu Beginn: Wie schafft es der hessische Waldbesitzerverband den Keyboarder der Rolling Stones, Chuck Leavell, zum Konzert ins Langener Schloss Wolfsgarten zu locken?
Christian Raupach: Die Geschichte beginnt vor gut 15 Jahren. Auf einer der Rolling Stones-Tourneen hat Chuck Leavell den damaligen Präsidenten der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände getroffen.

Auch das klingt schon einmal unwahrscheinlich …
Das hängt wirklich damit zusammen, dass Chuck Leavell selbst Waldbesitzer ist. Er hat sich damit in einem Studium auseinandergesetzt und bewirtschaftet seinen Wald in Georgia selbst. Dieses Interesse hat dazu geführt, dass er auf den weltweiten Tourneen immer wieder versucht hat, andere Wald- und Forstbesitzer kennenzulernen. Bei einem Treffen vor sieben, acht Jahren bat mich unser Vorsitzender hinzu – da hab ich festgestellt, das wir die gleichen Leidenschaften haben. Chuck ist im Hauptberuf Musiker und leidenschaftlicher Waldbesitzer – ich mache hauptberuflich Forstpolitik und Interessenvertretung, und mache seit meinem 14. Lebensjahr Musik, spiele in einer Band.

Standen Sie schon mal gemeinsam auf einer Bühne?
Ich habe ihn damals gefragt, ob er Lust hat einige Charity-Konzerte zu geben, um auf das Thema Wald aufmerksam zu machen. Das Ergebnis war die „Green Leaves & Blue Notes“-Tour, die ich als Tourdirektor vor vier Jahren mit einigen Konzerten in Deutschland und Österreich organisierte. Beim Abschlusskonzert im Sinkkasten stand meine Band "Shilly Shally" dann mit auf der Bühne. Man kann sagen: seitdem sind wir Freunde.

Wollten Sie erst Musiker werden?
Ich hatte als Jugendlicher einen Freund, der war immer viel mit einem Jäger unterwegs – und das fand ich toll. Auch Landwirt war ein langgehegter Berufswunsch. Schließlich hab ich eine Baumschullehre gemacht, und danach in einem Forstbetrieb geschuftet.

Bei Ihnen ist es also kein Klischee, dass Sie in einer Baumschule waren?
Nein! (lacht). Ich war da und danach bin ich erst in den Wald gekommen...

Mit dem Wald zu arbeiten, ist ein langfristiges Arbeiten. Dort spricht von 40 oder mehr Jahren...
Eher 100 bis 200 Jahren. Hier, schauen Sie sich die Eichen über uns an. Die Brüder brauchen 200 Jahre bis sie richtig dick sind.

Das ist ein Wirtschaften, das über Generationen hinausgeht.
Deswegen sind Wälder in Deutschland oft in Hand von Familien – oder Kommunen und die Bundesländer. Aber: ungefähr 46 Prozent des Waldes in Deutschland gehört Privateigentümern. Und das sind fast ausschließlich Familien. Das ist ein Unterschied zu Skandinavien, wo große Firmen den Wald unter sich aufgeteilt haben. Das wird es in Deutschland nie geben, denn am Wald hängt das Herz der Menschen. Die werden ihn nicht verkaufen.

Sie reden offen darüber, dass der Waldbesitzerverband eine Lobby ist. Was genau machen Sie?
Nun, wir sind eine Interessenvertretung gegenüber der Politik. Wir melden uns bei Gesetzgebungsverfahren zu Wort, die den Wald betreffen. Da haben wir eine Reihe von Experten, die Stellungnahmen abgeben können.

Seit den 80er-Jahren ist klar, dass vieles Einflüsse auf den Wald haben kann. Insofern beackern Sie ein weites Feld.
Alles was in der Umwelt-, in der Wirtschafts-, in der Steuerpolitik passiert, hat Auswirkungen auf den Wald.

Und Ihre Ziele?
Den Wald zu erhalten. Vor 300 Jahren hätten wir hier in Friedrichsdorf im Taunus nicht auf Wald schauen können. Die Bäume waren abrasiert, weil Holz der Energieträger Nummer 1 war. Ortsnamen wie Glashütten oder Waldsolms zeugen heute noch davon. Dass es damals einige Förster gab, die das Prinzip der Nachhaltigkeit etabliert haben, das ist schon eine kulturelle Großtat gewesen. Schottland, Irland, Nordafrika – da herrschen heute Wüste und Highlands. In Hessen dagegen sind 42 Prozent des Landes bewaldet.

Wie steht der Wald heute da?
Man muss sagen, dass die Umweltschutzgesetze unheimlich viel gebracht haben. Die Luft ist reiner geworden, saurer Regen nahezu verschwunden. Das was den Wald heute aus der Luft noch belastet, ist eine stark erhöhte Stickstoffkonzentration, die paradoxerweise dazu führt, dass der Wald stärker wächst. Wir wissen nicht, ob das gut oder schlecht ist. Was uns aber wirklich große Sorgen bereitet ist der spürbare Klimawandel. Wir haben Witterungsextreme, Stürme und lange Trockenheitsperioden. Das vergangene Frühjahr zum Beispiel war extrem trocken. Dazu kommen Stürme, auch lokale Tornados wie in Schwalm, der innerhalb weniger Stunden 300.000 Kubikmeter Holz hingeworfen hat. Diese Flächen müssen wieder aufgeforstet werden. Trockene Sommer wie 2003 da leidet der Wald auch Jahre später noch drunter.

Wie kommt das?
In Trockenperioden wächst der Baum nicht, er bildet weniger Wurzeln aus und auch die Jahrringe bleiben schmal. In den äußeren Ringen transportiert er das Wasser bis in die Krone – bis sich das nachgebildet hat, dauert es.

Nun wird der hessische Waldbesitzerverband den Klimawandel nicht aufhalten können …
Unmöglich. Aber wir können auf einen gemischten Wald setzen, den wir nur durch eine aktive Forstwirtschaft herstellen können. Wir brauchen also die Freiheit, Baumarten anbauen zu dürfen, von denen wir wissen, dass sie bestimmte Umwelteinflüsse besser überstehen können als andere Arten. Wenn wir wissen, dass die Fichte hier nicht mehr 150 Jahre alt werden kann, dann müssen wir sie mit 80 Jahren absägen dürfen.

Nun spricht der Lobbyist ...
Ich kann Ihnen noch ein Reizthema bieten. Naturschutzverbände wollen vorschreiben, dass nur heimische Baumarten angebaut werden dürfen. Oder dass ganze Wälder unter Schutz gestellt werden. Dann haben Sie aber ein wirtschaftliches Problem, denn die Holzindustrie würde dann abwandern.

Gäbe es eine Alternative?
Natürlich. Wenn die Bevölkerung sagen würde: der Schutz des Waldes oder größere Flächen von Naturwäldern sind uns so wichtig – wir zahlen eine Wald-Vignette, deren Erlös den Waldbesitzern zu Gute kommt, dann können wir darüber diskutieren. Aber ein Teil der Bevölkerung arbeitet auch in der Säge- oder in der Möbelindustrie. Nicht nur dort wird die Frage gestellt: wo soll das Holz denn herkommen? Deutschland kann sich schon jetzt nicht mit Holz selbst versorgen, wir verbrauchen 110 bis 120 Millionen Kubikmeter Holz und Zellstoffe – produzieren aber nur 60 Millionen. Ich halte es für besser, den Wald in unsere Nutzung zu integrieren, anstatt ihn zum Museum zu erklären und das ganze Holz zu importieren.

Gibt es den idealen Baum?
Das ist eine Frage, die unsere Ururenkel beantworten können. Das ist das Wesen von Forstwirtschaft: Wir können die Dinge immer nur in der Retrospektive betrachten. Zum Beispiel die Tatsache, dass wir im Sauerland soviele Fichten haben. Einige bemängeln ja auch insgesamt den hohen Nadelwaldbestand in Deutschland. Wie ist es denn dazu gekommen? Unter anderem dadurch, dass während der Weltkriege viel Holz gebraucht wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg holten sich die Alliierten ihre Reparationen in Naturalien und holten ganz alte Holzbestände aus dem Wald. Die Regierungen hatten in den Nachkriegsjahren Angst vor Holzknappheit und förderten den Anbau von Fichten, weil die eben so schnell wachsen. Ohnehin ein Bau, der zu preußischen Offizieren passt. Immer schön gerade. 60 Jahre später kann man diese Entscheidung aber nicht verteufeln.

Das ändert sich also wieder.
Das ist richtig – und hier in Hessen haben wir ohnehin einen sehr diversifizierten Baumbestand.

Wie haben Sie den Flughafenausbau gesehen, in dessen Zuge der Kelsterbacher Wald gerodet wurde?
Zwiespältig. Klar ist, dass der Flughafen der Jobmotor der Region ist. Andererseits ist der Wald eigentlich durch nichts zu ersetzen – es gibt keine Ausgleichsflächen, und wenn doch, dann sind sie sehr weit weg.

Besonders stark haben Sie sich aber nicht zu Wort gemeldet ...
Wenn wir uns beim Flughafen beteiligt hätten, hätten wir uns auch bei allen Autobahnprojekten beteiligen müssen, oder auch in Kassel-Calden. Das überfordert unsere Kapazitäten deutlich, weil wir eine ganze Abteilung von Juristen beschäftigen müssen. Wir haben gemeinsam mit der Landeregierung Lösungen erarbeitet, um solche massiven Eingriffe in die Natur pragmatisch auszugleichen. Der Ökopunktehandel spielt da mit. Und die Frage, ob der Ausgleich immer vor Ort stattfinden muss.


>>Internationales Jahr der Wälder
3. September, 19 Uhr, Schloss Wolfsgarten, Langen mit Chuck Leavell und der Bigband des Hessischen Rundfunk

Wir verlosen 15x2 Eintrittskarten für das Konzert
 
19. August 2011, 10.16 Uhr
Interview: Nils Bremer
 
 
Fotogalerie:
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