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"Ich bin so ein verkappter Lagerfeuer-Hippie"

Gerade hat sie Konzerte mit Element of Crime gespielt, jetzt kommt die in Berlin lebende Frankfurterin Maike Rosa Vogel zu einem Kontert an den Main. Am 10. Oktober trott die Liedermacherin im Orange Peel in der Kaiserstraße auf.
JOURNAL FRANKFURT: Wie wir kürzlich in Mainz festgestellt haben – Familie und Freunde in Frankfurt haben mit Bedauern festgestellt, dass Sie in den Frankfurter Medien mit Ihrem Album noch nicht wirklich angekommen sind?  Tatsächlich war wohl auch der letzte Auftritt bei der VirusMusikRadioShow im Dezember 2008. Klar – Sie leben nicht mehr in Ihrer Heimatstadt, aber den Bezug zu ihr haben Sie ja nicht verloren?

Maike Rosa Vogel: Natürlich nicht. Ich bin aber die meiste Zeit des Jahres in Berlin, klar! Und Frankfurt ist auch eine andere Kiste, da gibt es viel gute Musik, aber eher anders als das, was ich mache. Die Frankfurter schauen auch nicht soviel woanders hin, die beziehen sich auf ihre eigene Stadt. Als ich da noch gewohnt habe, fand ich Leute, die nach Berlin ziehen, total doof. Gibt doch alles auch hier, hab ich immer gedacht. Stimmt ja auch. Nur anders.
 
JOURNAL FRANKFURT:[|b] Wann sind Sie denn nach Berlin gezogen und geschah das aus musikalischen Gründen, sprich was lässt sich an der Spree künstlerisch besser umsetzen als am Main?

Maike Rosa Vogel: [|b]Ich fühl mich hier freier. Berlin ist weniger festgelegt als jede andere Stadt, die ich kenne. Man kann hier rumlaufen wie man will und so richtig balla balla sein und das schockt keinen. Was mir hier am Anfang am meisten aufgefallen ist, ist, dass einen ständig echt interessante Menschen (Männer und Frauen) in der U-Bahn abscannen, so richtig mit Augenkontakt und allem. Als wollten sie sagen, du bist wohl neu hier, abgefahren, lass uns mal einen Kaffee trinken gehen. Wenn man in Frankfurt jemanden sieht, den man interessant findet, versucht man, cool wegzuschauen, damit der andere einen auch gut findet. Ist einfach eine andere Art. Nach Berlin ziehen die Menschen, um mit den Verrückten in Kontakt zu kommen, das gefällt mir hier gut.
Deswegen bin ich auch hierher gekommen. Ich wollte mich nicht mehr komisch fühlen. Das war vor ein paar Jahren und ich frag mich, warum ich so lange damit gewartet habe.

JOURNAL FRANKFURT:[|b] Jetzt klappt es endlich mit einem Konzert in Frankfurt – am 10.10. im Orange Peel. Ein ganz spezielles Ambiente für ein spezielles Konzert... Was dürfen die Frankfurter erwarten?

Maike Rosa Vogel:[|b] Na, mich. Kann man ja mal googeln. Da kommen ganz viele Filmchen mit mir auf der Bühne. Mal barfuß, mal mit Schuhen. Mal mit Zöpfen, mal ohne. Aber immer mit Gitarre.
 
JOURNAL FRANKFURT:[|b] Sie haben gerade viele Konzerte mit Element of Crime gespielt, Sven Regener hat Ihr Album „Unvollkommen“ produziert – wie kam es zu dieser Konstellation und wie hat sie das künstlerisch weiter gebracht?

Maike Rosa Vogel[|b]: Meine Managerin hat mich vorgeschlagen, als Vorgruppe für Element of Crime. Und dann hat Sven gesagt, er würde das auch gerne produzieren und wir haben nicht lange gefackelt, denn wir mussten ihn dafür nicht bezahlen. Weil wir unser Label selber machen, nie viel Geld haben, und ich finde, dass es kein einziges Element of Crime-Album gibt, das sich schlecht anhört, habe ich sofort ja gesagt. Ein Schnäppchen. Sven macht ja Platten so aus dem Bauch heraus, ohne Klick und viel Producertum und das war schon sehr horizonterweiternd. ich habe meinen Eltern, die vollkommene Laien sind, immer sehr aufwendig erklären müssen, warum man bei Musikaufnahmen auf Klick spielt und nichts so ist wie live, also alle nacheinander spielen und nicht in einem durch, und die haben das nie verstanden. Dann bin ich mit Sven ins Studio gegangen und er hat mich einfach hinter die Scheibe gestellt und spielen lassen, ohne Klick und nichts nacheinander und jetzt hören Leute meine Platte und finden die auf Anhieb gut. Früher klang das alles viel ausgedachter. Da bleibt was am Leben, das hätte ich alleine am Computer immer totgeschlagen. Sven sorgt im Studio dafür, dass es musikalisch bleibt. Dass es nicht ums schneiden, retuschieren und gerade rücken geht, sondern ums Musik machen.
 
JOURNAL FRANKFURT:[|b] Selbst beim Open Air im Kuz Mainz haben Sie den Auftritt allein bestritten? Treten Sie konsequent solo auf? Auf der Platte gibt es sehr subtile „Band“-Arrangements...

Maike Rosa Vogel:[|b] Ich bin immer alleine. Ich mag das so. Ich bin so ein verkappter Lagerfeuer-Hippie. Obwohl, so verkappt ist das gar nicht. Es ist auch einfacher, so zu reisen und Konzerte zu spielen. Nur auf der Bühne ausruhen kann man sich nie, aber dafür geht man ja auch nicht auf die Bühne.
 
JOURNAL FRANKFURT:[|b] Nicht, dass ich selbst zwischen 64 und 68 dabei gewesen bin – aber irgendwie habe ich das Bild im Kopf, dass Sie mit Ihrer Musik wunderbar zu den Burg Waldeck Festivals gepasst hättest... Oder aber auch ins Greenwich Village, Zum jungen Bob Dylan und Konsorten. Stimmen denn die Koordinaten Liedermacher, Folk, „Protestsänger“, Singer/Songwriter, Brecht/Weill’sches Muskktheater?

Maike Rosa Vogel:[|b] Ich mag das Liedermachertum. Auf englisch nennen sie das Singer/Songwriter, das klingt moderner, aber es ist doch alles dasselbe. Liedermacher können sehr direkt reagieren, das ist wie ein Ein-Mann-Theater. Das heißt aber nicht, dass es in Deutschland eine Liedermacherkultur gibt, mit der ich wirklich was anfangen könnte. Ehrlich gesagt, die gibt es nicht. Ich mag deutschsprachige Musik, aber da sind keine Liedermacher darunter. Die Liedermacher, die mir gefallen, sind Singer/Songwriter aus Amerika und England. Im besten Fall bin ich eine Liedermacherin, die hierzulande Leuten gefällt, die sonst keine deutschen Liedermacher mögen. Das wär was.
Es ist hier aber meistens wie so eine religiöse Konfession: Man entscheidet sich irgendwann mal als Teenager, ob man lieber englische Indiemusik mag oder die deutsche Sprache in Musik eingebettet ertragen kann. Und dann ändert sich das nie wieder. Schade ist das.

JOURNAL FRANKFURT: Wie hieß es früher so „schön“ im oben genannten Kontext... Gibt es eine Botschaft? Wenn man sich die Texte anschaut, geht’s u.a. um die Revolution, die Liebe heißt, das eigene Universum, das man sich hier auf diesem Planeten schaffen sollte, das Entdecken versteckter Kostbarkeiten, das Lernen, auch sich selbst zu mögen, Angstlosigkeit zu lernen, die Welt mit der Haut zu berühren... Der Beispiele gibt es viele mehr... In welchem Lebensentwurf/-modell möchten Sie Volkommenheit erreichen?

Maike Rosa Vogel [|b]: Pfui Teufel, Vollkommenheit! Ich möchte lebendig sein, das möchte ich. Die meisten Leute, die nach Vollkommenheit streben, enden in sehr unlebendigen Lebensentwürfen. Nazis wollen Vollkommenheit. Religiöse Fanatiker wollen Vollkommenheit. Die haben Angst vorm Leben, vor der Ungewissheit, den eigenen Unzulänglichkeiten. Die denken, in einer perfekten Welt gibt es keine schlechten Gefühle, keine Angst, kein Versagen. Sie denken, da sind sie sicher. Kompletter Humbug. Man kann das sein ganzes Leben lang wegdrücken und wird doch dadurch nicht vollkommener. Das, was uns angreifbar macht, bietet uns ja auch Berührungspunkte, das macht uns gesellig. Die Angst und die eigene Unzulänglichkeit zu akzeptieren, das ist echter Rock'n Roll. Nichts für Feiglinge.
 
JOURNAL FRANKFURT: Wenn Sven Regener „Künstler wie Maike gibt es nicht viele. Man kann sie nicht machen und man kann sie nicht formen, sie sind da und sie sind perfekt. Die einzige, die ihre Platte ,Unvollkommen’ nennen darf, ist Maike selbst!“  in Dein Stammbuch schreibt, wie fühlt sich das an?

Maike Rosa Vogel: Das ist schön. Aber nicht wahr. Ich bin nicht perfekt, das sieht nur so aus. :-)
 
3. September 2011, 07.51 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
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