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François Castiello: Geschichtenerzähler (meist) ohne Worte

castiello_kinsler_172Lang, lang ist’s her, da spielte François Castiello schon einmal ein Solokonzert in Frankfurt, damals sein erstes überhaupt wie der damalige Veranstalter Jean Trouillet gestern erzählte. Er hatte den Bratsch-Mann nach Frankfurt eingeladen und meinte, so nebenbei könne man doch einen Auftritt organisieren. Der fand dann in der Reihe „Musikalisches Wohnzimmer“ im Museum für Weltkulturen statt. Ein unvergessenes Erlebnis für die Handvoll, die da in den Raum mit Fenster zum Hof passte. Also ein unbedingtes Muss, das Wiedersehen in der Brotfabrik gestern nicht zu verpassen.

Ein Stuhl, ein Tisch, eine Wasserflasche, ein Glas, ein Mikroständer und ein Mann und sein Akkordeon. Und los geht die Reise, gleich nach Israel, wo François Castiello kürzlich tourte, durch die ganzen großen, wichtigen Städte, Haifa, Tel Aviv, Jerusalem. Aber auch ein Abstecher nach Nablos war dabei. Und mit Sicherheit war seine Stück kein Abziehbild der Folklore der Region, obwohl Elemente jüdischer wie arabischer Musik einflossen. Mehr aber war es ein ganz persönliches, politisches Statement, eine kleine Suite höchst unterschiedlicher Gefühle, fast meditativ, ganz nah an Gott (oder sagen wir spirituell) im einen, fast harsch und destruktiv in einem anderen Moment. Schließlich herrscht Krieg da unten.

Das ist überhaupt Castiellos große Kunst in kleiner Form. Er ist nicht nur ein unglaublich virtuoser Musiker, der die Knöpfe links und rechts von seinem Blasbalg in allen erdenklichen Geschwindigkeiten zu bedienen weiß, sondern auch – selbst wenn das meiste instrumental vorgetragen wird – ein Geschichtenerzähler. Ob er nun seine „erste und letzte Fahrt auf der Achterbahn mit dem Sohn“ musikalisch illustriert oder von seinen Reisen oder Begegnungen erzählt, die er in seiner Art Völkerverständigung dann in Kompositionen wie „Flamenco Valse“ gießt. Ein Musikwissenschaftler wird seine helle Freude dran haben, herauszufiltern, was das neben den angegebenen Stilen noch drinsteckt. Ein wenig Musette ganz sicher, vielleicht sogar auch Tango. Dass es oft auch nach Kirmes- oder Zirkusmusik klingt, mögen romantische Projektionen sein. Schließlich spielt Castiello bei Bartsch, dieser All European Gypsy Band. Und Typen wie, kantig, knorrig, mit langem Haar und Zopf, waren wohl die, vor denen besorgte Eltern vor noch 50 Jahren ihre Töchter versteckten, wenn sie als Fahrensleute das Dorf heimsuchten.

Wenn er singt, singt er meist Italienisch. Der Kosmopolit ist Neapolitaner. Daher stammt seine Familie. Und ein neapolitanisches Lied gibt er auch zum Besten. Mit rauchiger, leicht kehliger Stimme, ausdrucksstark, aber ohne pathetische Gesten. Es ist eine Balladen, steigt sich aber zum Tanz und bringt die Leute beim Mal-wieder-Sitzkonzert ins Klatschen. Eigentlich hätte der Club zum Dancefloor werden können. Ob beim markanten 2/4 oder vertrackten spanischen Rhythmen – eigentlich kein Abend zum Stillsitzen, soviel Feuer und Leidenschaft hat die nur stellenweise melancholische und sentimentale Musik. Sehnsucht – Freiheit – Abenteuer – Frieden scheinen die unmissverständlichen Botschaften. Zum Ende des Konzerte kommt der Sohnemann auf die Bühne. „Seit 29 Jahren kennen wir uns nun“, sagt François au Englisch. Erstaunen allenthalben. Emilio sieht viel jünger aus und der Papa muss sich korrigieren, 19 ist er, aber er spielt sein Instrument, die Geige, wie ein Alter. Und zu Zweit klingt’s fast wie Gypsy Swing. Der Junior trägt ein Jimi Hendrix-T-Shirt. Kein Zufall. Der Mann sang auf dem epochalen Album „Electric Ladyland“ von den „Gypsy Eyes“, hatte nach der Experience eine Band namens Band of Gypsys, war oft im Süden Marokkos unterwegs und verstand sich sicher selber auch als „Zigeuner“ (hier politisch korrekt gebraucht. Sie hätten auch einen Hendrix-Song spielen können. Es hätte gepasst und wäre genauso wenig aus dem Rahmen gefallen wie die Thelonius Monk-Komposition, die Castiello zum Besten gab.

Foto: Detlef Kinsler
 
4. März 2009, 16.08 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
Fotogalerie:
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