Wer geht im Sommer gerne ins Museum? Eben. Deshalb hat sich das Dialogmuseum etwas Besonderes einfallen lassen: Eine Reise in ein fremdes Land, das die Besucher erraten sollen. Nicht ganz einfach, denn es ist stockdunkel.
Jana Stumpf /
Beim Betreten der Abflughalle frage ich mich für einen kurzen Moment, ob ich meinen Koffer vergessen habe. Ein Schild mit dem Hinweis „Bordkarte“ und Absperrungen in S-Form weisen mir den Weg zum Check-In-Schalter am Terminal. Doch ich bin nicht am Flughafen, sondern im Dialogmuseum auf der Hanauer Landstraße. Nachdem mir meine Bordkarte ausgehändigt wurde, darf ich noch kurz in den aufgestellten Flugzeugsitzen Platz nehmen, bevor wir starten. Der Sicherheitscheck und eine Einweisung werden auch hier nicht vernachlässigt. Ich halte kurz die Luft an, während mich eine freundliche Mitarbeiterin mit einem Metalldetektor absucht. Es piepst – zum Glück nur am Gürtel. Danach müssen wir alle leuchtenden Gegenstände abgeben, sogar die Uhr mit Leuchtzeigern. Nichts soll uns von den bevorstehenden Erlebnissen ablenken. Es kann also losgehen.
Meine Gruppe besteht aus drei weiteren Personen. Wir kennen uns nicht, aber das wird sich spätestens während unserer Reise ändern. Bevor wir an unseren Reiseleiter Marcel übergeben werden, der in der Dunkelheit auf uns wartet, teilen zwei nette Damen Blindenstöcke an uns aus und erklären, wie man „immer schön von links nach rechts auf Schulterbreite“ damit schwingt. Dann geht’s endlich los – Augen zu und durch! Wir folgen der Dame in einer Reihe in das schwarze Nichts, während unsere linke Hand immer Kontakt mit der Wand sucht. Marcel empfängt uns mit seiner sympathischen Stimme und stellt sich kurz vor. Bevor wir die Reise antreten, können wir Fragen stellen – beispielsweise, wie man hier wieder rauskommt, falls man Panik bekommt. „Ich kenne mich hier überall aus und finde immer den Ausgang. Allerdings braucht es schon ein bisschen, bis wir dann wieder im Licht sind. Zur Not habe ich aber auch noch mein Handy, das hell macht“, beruhigt uns Marcel, was bei mir jedoch nicht so richtig funktioniert. Wir laufen also los und nach den ersten paar Metern kriege ich eine kleine Panikattacke. Ich kann mich überhaupt nicht orientieren, weiß nicht mehr, wo rechts und links ist und als ob es mir helfen würde, laufe ich geduckt, weil ich denke, ich könnte mir den Kopf stoßen. Marcel nimmt mich an der Hand und führt mich zu unserer ersten Station, die uns Hinweise auf das gesuchte Land geben soll. Bevor ich mit meinen Händen den Sattel und die Trense ertaste, fühle ich aber erst einmal Haare, Hände und Rücken – von meinen Mitreisenden. Wer keinen Körperkontakt mag, ist hier definitiv fehl am Platz. Peinlich berührt entschuldige ich mich und hoffe, dass das in der nächsten Stunde nicht noch öfter vorkommt – ich werde aber eines Besseren belehrt…
Marcel geht voraus und wir folgen seiner Stimme, um irgendwie zu wissen, in welche Richtung wir gehen sollen. Er warnt uns immer wieder, wenn es bergab geht, der Boden weich ist oder es eine Wand zum führen gibt. Obwohl ich nichts sehe, kann ich meine Augen nie lange geschlossen halten. Immer wieder starre ich in die Dunkelheit und drehe den Kopf, wenn ich ein Geräusch höre, als könnte ich es sehen. Ich habe wirklich Angst und rufe nach Marcel, der mich erstaunlicherweise auf Anhieb findet und mich an die Hand nimmt. Ich laufe jetzt zusammen mit ihm am Anfang der Gruppe. Das beruhigt mich irgendwie, denn meine größte Angst ist, den Anschluss an die Gruppe zu verlieren und alleine zu sein. Wir tasten, riechen, fühlen, schnuppern und stolpern uns durch die Reise in ein unbekanntes Land. Wir hören nicht nur Musik, sondern auch Tiergeräusche und den Klang der Sterne in der Wüste. Wir ertasten Instrumente, das Sortiment eines Straßenmarktes und riechen eine Auswahl an Düften, die uns in Deutschland nur selten um die Nase wehen.
Nach einer Stunde erreichen wir eine kleine Bar, an der es landestypische Getränke und kleine Snacks gibt. Ich bin erleichtert, dass wir jetzt am Ende sind und freue mich darauf, endlich wieder sehen zu können. Dabei fühle ich mich irgendwie schlecht, denn Marcel sieht auch draußen nichts. Er ist seit acht Jahren blind und muss seinen Alltag unter den gleichen Bedingungen meistern, unter denen ich gerade verängstigt durch eine Fantasiewelt geschlichen bin.
Ich bewundere Marcel für seine offene Art und vor allem dafür, dass er sich auf dieser Tour so gut auskennt, obwohl er sie auch noch nie gesehen hat. Meine Aufregung hat sich inzwischen etwas gelegt und meine anfängliche Skepsis schlägt in Begeisterung und Freude um – so eine Art von „Urlaub“ erlebt man ja schließlich nicht alle Tage.
Wer sich nun selbst auf diese Reise der Sinne begeben möchte, kann vom 5. August bis zum 14. September im Dialogmuseum seine Tour buchen. Das besondere Urlaubs-Special gibt es vom Sponsor DERTOUR: Wer das gesuchte Land richtig errät, nimmt automatisch am Gewinnspiel teil und kann eine Reise dorthin gewinnen. In den letzten Jahren ging es schon nach Kanada, Australien, Indien, Südafrika und Brasilien – diese Länder können also schon ausgeschlossen werden. Neben dem Hauptgewinn gibt es zudem noch viele kleine Gewinne, die auf die Besucher warten.
>> Da aus Sicherheitsgründen maximal acht Personen pro Tour teilnehme können, muss über die Bookingline (069 90 43 21 44) reserviert werden. Der Eintritt kostet für Erwachsene ab 16 Euro, für Kinder ab acht Euro.