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Ein Amerikaner in Hattenheim

Jetzt geht's looos!Ingo Swoboda, entspannter und humorvoller Moderator der Veranstaltung anlässlich des Rheingau Gourmet & Wein-Festivals, brachte es gleich zu Beginn auf den Punkt: 490 Euro für den Flug nach Chicago, 290 Euro für eine Übernachtung (ohne Frühstück), um schließlich keinen Tisch bei einem der berühmtesten amerikanischen Köche zu bekommen – da ist es doch deutlich praktischer, Charlie Trotter kommt einfach nach Hattenheim und der Spaß kostet "nur" 280 Euro.

So sammelten sich um 19.30 die hungrigen Scharen im Partyzelt vor dem Kronenschlösschen, um sich beim unterdessen zum Klassiker avancierten Löffelfood einzustimmen. Interessant, wie hier durch Verwendung mundschmeichelnden Geschirrs, das zweifellos praktisch ist, althergebrachte Tischsitten untergraben werden. Versuchen Sie mal, eine (im übrigen herrlich schmeckende) Kumomoto-Auster mit Thymian und Sellerie ohne zu Schlürfen von diesen großen Porzellanlöffeln zu saugen. Back to the roots! So war die Geräuschkulisse in jeder Hinsicht lebhaft, als sich die Türen zum Saal öffneten.Noch bevor Intendanz, Organisation und Moderation überhaupt die Chance zu einem Wort an die Gourmetcommunity bekamen, war er da: Charlie Trotter, ohne Mikro, mitten im Raum, spitzbübisch lächelnd. Seine Ansprache ist kurz, humorvoll, sympathisch, der Mann genießt sichtbar seinen Aufenthalt im traditionellen Ambiente eines (wenn nicht DES) Rheingauer Genießertempels. Was dann jedoch an zackigen bis forschen Anordnungen aus der Küche an unser Ohr dringt, weckt eher Erinnerungen an einen Kasernenhof, aber das soll ja wohl in einigen Küchen dieser Welt so sein und verfliegt im Laufe des Abends.

Was nicht verfliegt, ist der Eindruck eines durchwachsenen Abends. Der erste Gang, Glattbutt mit Sake-Sorbet und Shiso, wirkt heterogen, aufgesetzt und findet mit der 2005er Riesling Spätlese 530.3 von August Kessler nicht zusammen. War der 2006er Chardonnay "Mer Soleil" von Caymus für sich allein ein Vanillepudding ... nein, es war natürlich ein Wein, aber er roch und schmeckte halt danach .... so harmonierte er jedoch erstaunlich gut mit einer gedünsteten Langoustine mit Muscheln und Ibericoschinken, der hier als molekulares Zitat in Form eines Schaumes diente. Ein bis zwei Hände zu viel Knoblauch erwischte Trotter beim folgenden Gang, gedünstetem Kabeljau mit Bries, Perlzwiebeln und Thymian, der die subtilen Aromen der Produkte überdeckte. Glanzvoll hingegen der anbei gereichte 2007er Riesling Silberlack von Schloss Johannisberg, der eindrucksvoll belegte, dass die Domäne wieder dort angekommen ist, wo sie hingehört: an die Spitze der deutschen Rieslingweingüter.

Ein weit verbreitetes Vorurteil oder Tatsache? Der Amerikaner an und für sich soll ein besonderes Händchen für Fleisch haben, und Charlie Trotter hat dies ganz besonders, denn sowohl seine gebratene Taubenbrust mit Pinienkernen, Trompetenpfifferlingen und Devil's Club-Wurzel als auch das folgende gegrillte Hirschfilet mit Datteln und Granatapfel waren besser kaum zu machen – große Kunst! Ebenso kunstvoll die dazu gereichten Weine, wobei mir persönlich der Spätburgunder 2003 des ebenfalls anwesenden August Kessler besser gefiel als der legendäre 2006er Cabernet Sauvignon von Caymus, der den Hirsch etwas mit Bitternoten störte.

Aber wir wollten nicht herumnölen, denn das Dessert sollte noch kommen – und enttäuschte beinahe furios. Zunächst sollte pochierte Quitte mit Halva-Eis und Rosmarin-Butterkeks erfreuen. Was jedoch blieb, war ein Sesamspiegel auf der Zunge, der alles andere verdrängte, denn der "Keks" war mit Sesam gespickt, das Eis gelinde gesagt "filigran" im Geschmack und die Quitte ebenfalls mit einer Art Curry "verfeinert", was der Frucht keine Chance ließ. Avantgarde der strengen Sorte war dann ein Olivenöl Chocolate Chip-Parfait, das optisch an die beliebte Mischung von Oliven und Schafskäse erinnerte, im Geschmack allerdings wenig genussfreundlich war.

An dieser Stelle möchte ich jedoch im Gegensatz zu meinen Tischpartnern für diesen Gang in die Bresche springen: das war durchaus kunstvoll, wenn auch sehr anstrengend – aber nach den vorherigen Gängen hatten wir uns einfach etwas zum "chillen" gewünscht. Der korrespondierende, leider viel zu junge 2005er Schloss Johannisberger Riesling Rosalack Auslese kam weder mit der einen, noch mit der anderen Speise klar und trollte sich in eine Ecke des Gaumens, wo er seine elegante Säure und die Frucht von frischen Mangos ausspielen durfte. "Noch ein Pils bitte!"

Schließlich das große Finale, alle Köche im Raum, viel Applaus und der Küchenchef selbst ganz vorn dabei. Sein Dank galt gleich vier Mal einem, der so ganz anders, zurückhaltend und dezent nahe der Tür stand: Patrick Kimpel, Küchenchef des Kronenschlösschens und Herr der Küche. An der Dankesrede von Charlie Trotter, einem Mann, der in Amerika alles an Preisen abgeräumt hat, was man nur abräumen kann und in die Hall of Fame des "Wine Spectator" aufgenommen wurde – an seiner Dankesrede allein konnte man spüren, welch großartige Arbeit Kimpel hier leistet.

Hut ab vor den Organisatoren, die alljährlich erstklassige Küchenchefs aus aller Welt in die Genussregion Rheingau locken und gemeinsam mit regionalen Spitzenweinen zu Höchstleistungen anspornen. Hut ab vor Patrick Kimpel und seinem Team, die jedes Jahr dem guten Geschmack ein würdiges Zuhause geben!
 
4. März 2009, 10.39 Uhr
comtedetonnerre
 
 
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