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Foto: aded
Foto: aded

Dosch@Berlinale 2017 - TEIL 4

Make Berlinale great again!

Die 67. Internationalen Filmfestspiele Berlin gehen ihrem Ende entgegen. Zeit für unseren Kino-Redakteur Andreas Dosch, das Gesehene Revue passieren zu lassen.
Ausgelaugt und vollgepumpt. So fühlt man sich nach einer guten Woche Berlinale. Aber ich will nicht jammern. Das gehört eben dazu und macht ja auch den gewissen Reiz aus, sich dem Angebot eines derart umfangreichen Filmfestivals zu stellen: Man will eintauchen, Entdeckungen machen, (möglichst gute) Eindrücke mit nach Hause nehmen. Und 399 Filme allein im regulären Programm, das muss erst mal verdaut werden. Im Privatfernsehen gibt es manchmal so Fress-Reportagen, meistens aus den USA: Wer diese oder jene Menge Steaks/Burger/Ribs innerhalb von einer Stunde schafft, der muss die Rechnung nicht bezahlen. Ein bisschen so fühlt es sich auch hier an. Nur dass man persönlich die freie Wahl hat, sich vor solch ungesunder Übersättigung durch eine Selektion des Programms zu schützen. Der Mensch muss schließlich essen, trinken, frische Luft schnappen, schlafen und aufs Klo. Natürliche Bedürfnisse, die aber leider in einen streng getakteten (und von organisatorischer Seite bewundernswert durchdachten) Festival-Zeitplan nur schwerlich zu integrieren sind. Viele der Kollegen, so zumindest mein Eindruck, machen das folgendermaßen: Sie raffen sich alles an Filmen und den dazu notwendigen Tickets zusammen, gehen in die Vorstellung, testen die ersten 10 Minuten an – und wenn diese es nicht bringen, dann weiter im Text: auf zum nächsten Kinosaal. Dabei sabotieren solche Zeitgenossen nicht nur fahrlässig das Kartenkontingent (naturgemäß begrenzt) und kacken in der Eile die Toiletten voll. Sie okkupieren auch wertvolle Sitze, die, wie bereits erwähnt, auf der Berlinale durchaus hart umkämpft sind. Ich gebe zu: Auch ich verlasse hin und wieder eine Vorstellung, wenn Geduld & Toleranz allzu arg strapaziert werden. Aber zumindest warte ich im Schnitt 45 Minuten ab, gebe dem Film seine Chance, sich zu entwickeln. Erst dann fällt die Kinotür möglicherweise hinter mir zu. Und wissen Sie was? Ja, es ist traurig, aber es ist so: Einige der besagten Herrschaften machen sich noch nicht einmal die MÜHE, die Tür zu schließen. Was in einem dunklen Kinosaal fatal sein kann, wenn man gerade im Begriff ist, sich der sinnlichen Wahrnehmung hinzugeben. Sofern sie denn stattfindet.

Ich kann an dieser Stelle mit einiger Genugtuung und auch Erleichterung vermelden, auf der Berlinale 2017 keinen Film vorzeitig verlassen zu haben. Was nicht für mich spricht, sondern für die Beiträge. Wer das Goldbärchen und seine zahlreichen edelmetallig schimmernden Kollegen schließlich bekommt, ist Sache der Jury unter Leitung des von mir überaus geschätzten Paul Verhoeven. Der Verleihung werde ich gemütlich zu Hause auf der Couch beiwohnen, vielleicht mal etwas schimpfen, enttäuscht oder aber auch erfreut sein. Gut im Rennen scheint jedenfalls der ungarische Wettbewerbsfilm „On Body and Soul“ zu liegen (einer der Hirsch-Filme), ebenso wie Aki Kaurismäkis köstlich tragikomische (ich nenne das jetzt mal) Flüchtlings-Dramödie „Die andere Seite der Hoffnung“. Einer meiner persönlichen Favoriten, „Una mujer fantástica“ aus Chile, über den Kampf eines stolzen Transsexuellen für Respekt und Würde, dürfte/sollte auch nicht leer ausgehen. Doch wie es an dieser Stelle schon Tradition ist, wird die JOURNAL FRANKFURT-Ein-Mann-Jury, bestehend aus meiner Person, nun ihre eigene Preisverleihung vornehmen, wenn Sie damit einverstanden sind.
Na dann, los: Der heilige Kruzifix-Bär geht an „T2 – Trainspotting“ für eine der witzigsten spontanen Gesangseinlagen der Filmgeschichte („No more catholics! No more catholics!“). Den selbstgestrickten Familienfilm-Bär übergebe ich feierlich an „Mein wunderbares West-Berlin“. Das hat folgende Gründe: Jochen Hick, wohl der umtriebigste Chronist schwuler Identität in Verbindung mit deutscher Nachkriegsgeschichte (von ihm läuft gefühlt jedes Jahr ein Film hier), hat sich in seiner neuen Dokumentation der Entwicklung der homosexuellen „Szene“ vom Bau bis zur Fall der Mauer gewidmet. Ein Film über Berlin also, gezeigt auf der Berlinale, bei dem viele prominente Berliner auftauchen, u.a. kein Geringerer als Wieland Speck, langjähriger und Immernoch-Chef der Berlinale-Sektion „Panorama“, in deren Rahmen Hicks Film lief. Wenn nun Hick in seinem Film auf die Entstehung des „Teddy-Award“, des Gay-Preises der Berlinale, zu sprechen kommt, Wieland Speck dann nach Abschluss des Films Regisseur Hick auf der Bühne willkommen heißt, dabei aber gleichzeitig selbst als einer der gastierenden Protagonisten fungiert – dann hat dieses Familientreffen eine Meta-Ebene erreicht, die man erst mal nachmachen muss. Ergo: Der Preis ist gerechtfertigt.

Die „Fuck you!“-Bärentatze mit dem vergoldeten ausgestreckten Mittelpranken möchte ich dem US-Wettbewerbsbeitrag „The Dinner“ von Oren Moverman widmen, der hier bei der Kritik nicht so gut ankam, mich jedoch umgehauen hat: eine wütende, angriffslustige Psycho-Polit-Farce, die vielen wohl zu „amerikanisch“ war, in Trump-Zeiten aber genüsslich auf dem Nerv rumbohrt – ohne Betäubung. Der im falschen Fell geborene Transen-Bär, welcher viel lieber ein sanfter Kuschelhase wäre, geht an bereits erwähnten „Una mujer fantástica“. Das ausgemergelte Bulimie-Bärchen stopfe ich dem epischen Abenteuerfilm „City of Lost Z“ ins Maul, denn: Kannibalen sind zu sehen. Der Filzbär geht an „Beuys“, die Doku über Joseph. Der Fettbär genauso. Und den schnarchenden Grizzly darf der deutsche Wettbewerbsfilm „Helle Nächte“ in Empfang nehmen, weil: „chrrrrrrrrrr …“ Einen als Bär gecasteten, sich in Wirklichkeit aber um eine verkleidete Katze handelnden Beauty-Petz bekommt die doppelbödige Pseudo-Doku „Casting JonBenet“ – aber das jetzt zu erklären würde zu weit führen. Und Aki Kaurismäki: Der kriegt einen Wodka. Oder zwei. Oder die ganze Flasche. Mit Bärenetikett.

Ja, Sie merken: macht schon Spaß, Herr über die Geschicke der Anderen zu sein. Ich war mal Teil einer Jury: bei einem Filmfestival in Rumänien. Nichts daran, was ich gerne wiederholen würde. Graf Dracula stellte sich als ziemlich blasser Stinkstiefel heraus, war aber gut im Trinken („Nenn' mich Vlad!“). Ich möchte an dieser Stelle nur noch eines, völlig aus dem Zusammenhang Gerissenes, betonen: Henning Baum ist ein cooler Typ! Wie, Sie kennen Henning Baum nicht? Natürlich kennen Sie ihn: „Der letzte Bulle“! Ja, der. Groß gewachsener Typ. Blond. Bärtig. Nordisch. Immer mit V-Ausschnitt-Sweat-Shirt bekleidet (wahrscheinlich aus der Til Schweiger-Collection). Flog auf dem Hinflug nach Berlin mit. Aber nix da „Lufthansa-Priority-Boarding“. Kein „Ich komm' zuerst, ich bin prominent“-Getue. Wartete brav, bis die Fatzkes aus der A-Klasse drin waren und setzte dich dann gemütlich auf 36a – eine Reihe hinter mir. Economy. Respekt! Ganz im Gegensatz zu Kurt Beck. Was, Sie kennen Kurt Beck nicht? Natürlich kennen Sie ihn: ehemaliger Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz! War auch mit an Bord. Checkte – natürlich – „priority“ ein. Womit ich ihm keinen Preis mehr überreichen muss. Er wurde nicht umsonst „Problembär“ genannt.

>> Der Berlinale Blog
 
17. Februar 2017, 08.42 Uhr
Andreas Dosch
 
 
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