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Foto: Felicitas von Lutzau
Foto: Felicitas von Lutzau

Diskriminierungsvorwürfe an der HfG

Viel Lärm um nichts?

Eine ehemalige Professorin der Hochschule für Gestaltung (HfG) in Offenbach wirft der Hochschulleitung Mobbing und Frauenfeindlichkeit vor. Im Gespräch erklären Präsident Bernd Kracke und Kanzlerin Susanne Eickemeier, weshalb die Anschuldigungen aus der Luft gegriffen sind.
Journal Frankfurt: Gegenüber der FAZ hat Ihre ehemalige Kollegin Susanne Winterling verschiedene Vorwürfe in Richtung der HfG geäußert. Zum einen sei sie im Team gemobbt worden, zum anderen hätten Frauen an der Hochschule generell einen schweren Stand. Was sagen Sie dazu?

Bernd Kracke: Frau Winterling ist vor rund drei Jahren auf die Professur für Bildhauerei berufen worden – übrigens als Nachfolgerin eines männlichen Professors. Teil unserer Agenda ist grundsätzlich, weibliche Kolleginnen zu gewinnen, soweit dies fachlich möglich ist und die Rahmenbedingungen stimmen. Daher waren wir auch sehr froh darüber, dass sie die Professur für sechs Jahre übernommen hat.

Bildhauerei ist ein zentrales Lehrgebiet im künstlerischen Kontext, insofern ist es auch in unserem Sinne, ein möglichst gutes Arbeitsumfeld zu bieten. Das hat zunächst auch sehr gut begonnen, Susanne Winterling hat einen intensiven Kontakt zu den Studierenden entwickelt und erhielt viel Zuspruch. Insofern lief die Zusammenarbeit sehr gut an.

In welchem Zusammenhang haben sich die ersten Differenzen bemerkbar gemacht?

BK: Es gab in verschiedenen Kontexten – im Fachbereich, in Prüfungssituationen, in Gremiensitzungen – Aspekte, die Susanne Winterling verständlicherweise nicht vertraut waren und die sie vielleicht auch überfordert haben. Es traten Reibungspunkte auf, die zu Unklarheiten und zu Unzufriedenheit auf allen Seiten geführt haben. Als uns dies als Hochschulleitung klar wurde, haben wir versucht, in Gesprächen zu klären, wo wir helfen oder unterstützen können.




Susanne Eickemeier, Kanzlerin HfG

Ab wann war klar, dass eine Zusammenarbeit nicht weiter möglich ist?

BK: Im Endeffekt hat Susanne Winterling irgendwann im vergangenen Jahr relativ verklausuliert angedeutet, dass sie eventuell vorzeitig ausscheiden möchte.

Susanne Eickemeier: Sie hat in Gesprächen Formulierungen gewählt, die, rückblickend betrachtet, darauf schließen ließen, dass sie den Wunsch hatte, zu gehen. Davon sind wir in dem Moment aber nicht ausgegangen, da wir weder vermutet haben, dass sie die Hochschule verlassen möchte, noch haben wir die Notwendigkeit eines Weggangs gesehen.

Wie haben Sie sich denn diese Art der Kommunikation und die erwähnten Reibungspunkte erklärt?

BK: Um ehrlich zu sein, habe ich das als Teil eines Eingewöhnungsprozesses verstanden, den alle neuen Kolleginnen und Kollegen im Haus durchlaufen. Hinzu kommt, dass die Bildhauerei aufgrund des bekannten Platzmangels nicht direkt am Hauptcampus angesiedelt ist. Das führt dazu, dass die dort Lehrenden sich stärker bemühen müssen, um den Gesamtkontext der Hochschule kennenzulernen. Auch, wenn es nur zehn Gehminuten sind: es ist eine Distanz, sowohl für die Lehrenden als auch für die Studierenden. Insofern hat man Susanne Winterling leider sehr, sehr wenig gesehen. Außerdem hat sie an diversen Hochschulprozessen nicht besonders intensiv teilgenommen.

SE: Hinzu kam außerdem, dass sich Frau Winterling einen Gebäudekomplex mit drei bis vier anderen Professoren teilen musste. Dazu gehörte unter anderem eine Werkstatt, die gemeinsam betrieben und auch von den Studierenden anderer Lehrender genutzt wurde. Das erfordert eine enge Abstimmung untereinander. Dafür gibt es Prozesse, die Frau Winterling teilweise ändern wollte. Aber natürlich verläuft das nicht immer reibungslos, wenn man andere Vorstellungen hat, die man durchsetzen möchte. Dazu haben wir diverse Gespräche geführt und auch Unterstützungsmaßnahmen installiert, aber im Gesamtkontext kann man nicht immer nur eine Person berücksichtigen, sondern muss alle Beteiligten einbeziehen.

Wie hat Frau Winterling letztendlich ihre Kündigung begründet?

BK: Sie hat uns mitgeteilt, dass sie keine Zeit mehr dafür habe, die Professur wahrzunehmen. Ihr wurde ein großes Forschungsprojekt angeboten, weshalb sich die Professur zeitlich nicht mehr mit ihrer persönlichen Lebensplanung vereinbaren ließ. Wir setzen während der Vorlesungszeit eine regelmäßige, wöchentliche Anwesenheit der Lehrenden voraus. Als das Projekt thematisiert wurde, haben wir versucht herauszufinden, ob wir Susanne Winterling dabei entgegenkommen oder unterstützen können.

Was genau haben Sie in dem Zusammenhang vorgeschlagen?

BK: Wir haben Frau Winterling angeboten, sie für zwei Semester freizustellen, damit sie ihr Projekt durchführen und im Anschluss zurück an die Hochschule kommen könne. Den Vorschlag fand sie interessant, sagte aber nach etwas Bedenkzeit, sie bräuchte nicht nur zwei, sondern vier Freisemester. Vier Semester sind allerdings ein sehr langer Zeitraum, besonders vor dem Hintergrund, dass sie noch drei Jahre in der ersten Berufungsphase hatte. Wenn sie nach zwei Jahren wiedergekommen und nur noch ein Jahr absolviert hätte, wäre das natürlich äußerst unglücklich gewesen, um wieder den Kontakt zu den Studierenden aufzubauen oder eine potenzielle Entfristung zu diskutieren. Nach weiterer Bedenkzeit hat Frau Winterling schließlich entschieden, die Hochschule zum Ende des jetzt auslaufenden Sommersemesters zu verlassen.

Insgesamt klingt das aber doch eigentlich alles recht friedlich.

SE: Wir haben wirklich versucht, Lösungen für die von Frau Winterling benannten Aspekte zu finden. Nach unseren objektiven Kriterien ist sie mehr als gut mit Sachmitteln und Personal ausgestattet worden. Wir können einfach nicht bestätigen, dass sie systematisch schlecht behandelt worden wäre.

BK: Es ist vor allem dieser Kernvorwurf, dass systematisches Mobben von allen Ebenen der Hochschule mitgetragen wird, der uns besonders irritiert. Dieser Vorwurf ist unhaltbar und entspricht nicht der Wahrheit. Ich finde es wirklich traurig und schade, dass eine Kollegin in unserem Haus nicht den Dialog mit uns gesucht hat – das ist eine verpasste Chance. Wir sind immer ansprechbar und offen für den direkten Dialog. Das ist ein großer Vorteil und auch eine Qualität unserer kleinen Kunsthochschule.

Der Artikel zitiert auch eine anonyme Gruppe Studierender, die angeblich Angst habe, Missstände oder Probleme anzusprechen. Können Sie das nachvollziehen?

BK: Wir kennen natürlich alle Akteure an der Hochschule und es wäre sehr traurig, wenn diese Angst wirklich bestünde. Um ehrlich zu sein, finde ich diese Anschuldigung erschreckend. Wir werden zu Beginn des anstehenden Wintersemesters das Gespräch mit sämtlichen Studierenden suchen und formulieren aktuell ein Statement, das zeitnah intern verschickt werden soll. So, wie in dem Artikel dargestellt, wollen wir nicht verstanden werden. Das entspricht nicht den Werten unserer Hochschule.

Sie haben bereits zu Beginn des Gesprächs gesagt, dass Sie aktiv versuchen, weibliche Professorinnen einzustellen. Wie sehen Ihre Bemühungen konkret aus?

BK: Unsere Intention ist ganz klar, den Anteil von Frauen an der Hochschule zu steigern. Gerade in den vergangenen Jahren haben wir ganz bewusst versucht, bestimmte Akzente zu setzen. Das geht leider nicht immer, da sich manchmal aufgrund der Konstellation der Bewerbungen andere Optionen ergeben. Dennoch versuchen wir bereits seit 2010 konsequent, den Frauenanteil zu erhöhen. Wir sind noch nicht zufrieden mit dem erreichten Status – aktuell sind etwa 20 Prozent der Lehrenden weiblich – aber wir wollen uns weiterentwickeln.

Andererseits muss man auch sagen, dass wir aufgrund der bestehenden Rahmenbedingungen nicht einfach alles umstellen können. Viele der Lehrenden sind bereits zehn oder mehr Jahre am Haus. Wenn das männlich besetzte Stellen sind, kann man die nicht ohne Weiteres frei räumen. Erschwerend kommt momentan noch hinzu, dass auch einige der entfristet beschäftigten Professorinnen altersbedingt ausscheiden und unsere Bühnenbildprofessorin ist leider vergangenes Jahr verstorben.

Wir werden den anstehenden Generationenwechsel nutzen, um bei freiwerdenden Stellen einen Fokus auf weibliche Kandidatinnen zu setzen. Wir sind außerdem als eine der wenigen Kunsthochschulen im Professorinnenprogramm vertreten, haben Gleichstellungsmaßnahmen initiiert, haben eine Zertifizierung als familienfreundliche Hochschule und versuchen insgesamt sehr bewusst, uns weiterzuentwickeln. Das ist ein komplexer und anspruchsvoller Prozess, dem wir uns als Kunsthochschule aktiv stellen und den wir sehr ernst nehmen.
 
13. September 2018, 11.58 Uhr
Ronja Merkel
 
Ronja Merkel
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin. – Mehr von Ronja Merkel >>
 
 
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