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Foto: © Harald Schröder
Foto: © Harald Schröder

10 Jahre Caricatura Museum

„Frankfurt muss dieses Museum haben“

Vor einem Jahrzehnt hat die Satire und komische Kunst im Caricatura Museum ein Zuhause gefunden, das in Deutschland fast einzigartig ist. Wir haben mit Museumsleiter Achim Frenz über die Highlights, den Stellenwert von Satire und die Zukunft des Hauses gesprochen.
JOURNAL FRANKFURT: Nach 10 Jahren Caricatura Museum am Weckmarkt ist es Zeit für eine kleine Bilanz. Worauf sind Sie besonders stolz?

Achim Frenz: Stolz bin ich darauf, dass dieses Museum so wunderbar ist – das schönste Museum der Welt natürlich. Stolz bin ich auf meine Besucher, die uns so regelmäßig besuchen und uns die Treue halten und es werden ja immer mehr. Wir werden in diesem Jahr ganz sicher einen Rekord einfahren, das wird in Richtung 70.000 Besucher gehen. Das ist sehr viel für uns, für dieses kleine Museum. Wir haben ein wunderbares Publikum, das sogar bereit ist, uns zu besuchen, ohne den Zeichner wirklich zu kennen, den wir hier zeigen. Das ist ein ganz großer Vertrauensvorschuss.

Mit der Otto Waalkes-Ausstellung ist gerade die erfolgreichste Schau des Hauses zu Ende gegangen.

Otto hat als Erster die 40.000 geknackt, vorher war Gerhard Haderer unserer Rekordhalter mit 35.000 Besuchern. Das war einer der Höhepunkte in den vergangenen zehn Jahren.

Welche Höhepunkte kommen Ihnen noch in den Sinn?

Das sind hauptsächlich unsere ausländischen Gäste gewesen, wie Jean-Marc Reiser, den wir aus Frankreich geholt haben zu seinem 70. Geburtstag, den er nicht mehr erlebte. Er war einer der großen französischen Zeichner, einer der Größen in Europa. Mit seinem ganz besonderen Strich, mit seiner besonderen Radikalität, der auch aus dem Umkreis von Charlie Hebdo kommt. Da gab es in Paris keine Ausstellung, sondern nur hier in Frankfurt.

Bei Ihnen waren viele namhaftte Künstler zu Gast: Von Tomi Ungerer über Ralf König bis Bernd Pfarr. Gibt es einen Künstler, den sie noch unbedingt ausstellen wollen?

Ich habe alle gehabt. Volker Kriegel, den wir jetzt gerade ausstellen, war jemand, der fehlte mir noch in meiner Sammlung. Wir hatten uns vor 15 Jahren getroffen und wollten eine Ausstellung zusammen machen. Leider ist er dann kurz danach gestorben, sodass ich jetzt erst mein Versprechen einlösen konnte, diese Ausstellung zu machen. Ich freue mich sehr, dass das gelungen ist.

Einen besonderen Stellenwert haben in Frankfurt natürlich die Künstler der Neuen Frankfurter Schule mit Robert Gernhardt, F.W. Bernstein, Chlodwig Poth und Co.

Die Künstler sind im Prinzip alle gleich, die haben alle dasselbe Gen. Aber die Neue Frankfurter Schule ist natürlich ganz besonders. Ich habe ja noch alle gekannt, habe bei F. K. Waechter studiert. Das sind ganz große Zeichner, die mein Leben verändert haben.

Die Sammlung des Museums deckt eine große Bandbreite des Humors ab. Wo sehen Sie die Schwerpunkte?

Wir sind kein komisches Museum im Sinne von Lachmuseum! Wir sind ein politisches Museum und ich sehe unsere Aufgabe darin, dass wir ein satirisches Museum sind. Wenn man bei uns lachen kann, dann finden wir das schön und wunderbar. Aber manchmal gibt es auch Dinge, die nicht unbedingt zum Lachen sind, sondern eher zum Nachdenken und auch das muss und soll bei uns Platz haben. In einem Punkt sind wir vielleicht auch besser als die hohe Kunst: Wir können durch konkretere Aussagen viel deutlicher machen, wo der Hase im Pfeffer liegt.

Wie sehen Sie die Entwicklung des Caricatura Museums?

Diese zehn Jahre haben ein bisschen gezeigt, was wir können, was die komische Kunst kann, und was es für Frankfurt bedeutet. Es ist in die Jahre gekommen und in der Anfangszeit konnte man noch nicht so ganz hervorsehen, wie erfolgreich dieses Museum wird.

Angefangen haben Sie 2008 nach einem Vorschlag des ehemaligen Kulturdezernenten Hans-Bernhard Nordhoff.

Wir sind sehr stolz drauf, städtisch zu sein. Das ist ja eine große Tat der Kulturpolitik in Frankfurt, dass die den Mut hatte, das zu tun. Jetzt stoßen wir an Kapazitätsgrenzen, an räumliche, finanzielle und personelle Kapazitätsgrenzen. Wenn man richtig arbeiten möchte für diese Art Genre, das einzigartig ist in Deutschland, dann sollte man sich die Zeit nehmen und überlegen, wie man das hinbekommt.

Die Zukunft des Hauses sehen Sie unabhängig vom historischen Museum.

Das finde ich sowieso, das sollte sowieso sein. Weil das dann mehr Fliehkraft entwickelt und nicht an der Leine gehalten wird.

Sie sprechen davon, an räumliche Kapazitätsgrenzen zu stoßen. Gibt es Überlegungen, in ein größeres Haus umzuziehen?

Möglich ist ja alles. Wir sind aber sehr zufrieden mit diesem Haus. Besser können wir nicht aufgestellt sein, um uns in der Innenstadt zu zeigen. Wir sind auch sehr froh darüber, dass uns die Stadt Frankfurt die Altstadt gebaut hat, weil uns auch das einige Besucher mehr hineintreiben wird. Aber irgendwann müssen wir darüber nachdenken, dass es für Besucher, die dann in Dreier- und Viererreihen vor einem Bild stehen, nicht mehr so besucherfreundlich ist. Dann müssen wir neu überlegen, das kann in alle Richtungen gehen.

Ist die Bedeutung des Museums für die Stadt in der Politik und der Stadtgesellschaft angekommen?

Ich glaube schon, dass das ernst genommen wird. Ich merke gerade, dass eine tiefe Sympathie für dieses Haus besteht. Die Stadt Frankfurt muss dieses Museum haben. In welcher Stadt soll es sonst sein? Nur in Frankfurt hat dieser Widerstandsgeist seit Jahrhunderten Tradition, die Diskussion gegen die Obrigkeit. 1848 als Stichwort. Wo wurde die Pardon gegründet, die erste Satirezeitung nach dem Krieg von Relevanz? In Frankfurt natürlich, und die Nachfolge-Zeitschrift, die es noch heute gibt, die Titanic. Es gibt natürlich auch viele gute Satiriker und gute Schriftsteller in dieser Stadt und wir sind jetzt ein Grund mehr, dass noch mehr herkommen.

Um Nachwuchs in der Satireszene kümmern sie sich mit der Sommerakademie seit 15 Jahren auch selbst.

Wir bilden da junge Künstler aus, die gerne Cartoons zeichnen. Eine Woche intensiv, von morgens um neun bis nachts um zwei. Wir organisieren das so, dass wir an einen Ort gehen, zum Beispiel nach Kassel, weil wir dort mehr Platz haben als hier. Gestandene Profis aller möglicher Coleur waren da schon Workshopleiter. Auch Verleger kommen zur Sommerakademie, um den jungen Studenten den Zahn zu ziehen, dass man mit Cartoons reich werden kann.

Trotzdem sind die Kurse sehr beliebt, es gibt viele Bewerbungen.

Die 20 bis 25 Studenten, die ausgesucht werden, sind immer sehr glücklich und fahren auch glücklich und motiviert nach Hause. Denn sie haben so eine intensive Zeit noch nie miterlebt. Es gibt kaum Zeit, in der man sich mit anderen Themen beschäftigt als mit der Zeichnerei, Cartoons und komischen Begebenheiten.

Gezeigt werden die Werke junger Künstler aber nicht in Frankfurt. Dafür gibt es dann die Caricatura in Kassel, die sie in den Neunzigern ebenfalls gegründet haben.

Unser Haus in Frankfurt ist nicht dafür da, um junge Zeichner zu zeigen. Wir in Frankfurt machen eher die gestandenen Künstler, die Caricatura in Kassel die jüngeren. Wir sind keine Konkurrenten, wir unterstützen uns gegenseitig.

Einmal im Jahr veranstalten Sie auf dem Weckmarkt das Festival der Komik mit Lesungen und komischer Bühnenkunst. 2018 musste es wegen der Bauarbeiten am Dom ausfallen.

Man hatte uns gesagt, dass dieser Kran am Dom schon an der anderen Seite wäre, aber man lässt sich Zeit. Das Festival musste diesmal ausfallen, weil Gott baut. Ob es 2019 stattfindet kann, hängt davon ab, ob dieser Kran dann noch da steht. Es gibt Äußerungen, dass es eng werden könnte.

In der Presse konnte man lesen, dass auch finanzielle Gründe eine Rolle spielen sollen.

Nein, das stimmt überhaupt nicht. Ich weiß nicht, wo das herkommt. Da stand Einiges in der Zeitung, was einigermaßen absurd ist. Selbstverständlich ist da immer ein großer finanzieller Druck, das Budget wächst nicht unbedingt mit. Aber das Festival sollte wieder stattfinden. Das Problem ist der Platz: Der Kran belegt die Hälfte unserer Fläche. Wenn wir diesen Platz nicht haben, müssen wir diskutieren, ob wir etwas anderes finden oder ob sich vielleicht in der Altstadt etwas ergibt.

Eine Schließung, wie teilweise berichtet wurde, steht aber nicht zur Debatte?

Das ist eine theoretische Gefahr, die nicht unbedingt eintreffen muss. Das könnte passieren, wenn es nicht gelingt, das Museum neu zu justieren. Natürlich wird das Geld kosten, aber was soll das für eine Strategie sein, den Deckel draufzumachen mit finanziellen Mitteln wie vor zehn Jahren?

Es geht darum, dass Ihr Etat in den vergangenen Jahren gekürzt wurde.

Es gab Stellen, die nicht mehr vorhanden sind, aber uns gehören. Etats werden gekürzt, die vorher ein anders Volumen hatten. Die Stadtverordneten hatten vorher beschlossen, wieviel Geld das Museum bekommen soll, und dann hatte der Etat nicht mehr die Größe, die beschlossen wurde. Man kann den Eindruck bekommen, dass dieses Museum klein gemacht werden soll und dann kann man darüber reden, dass es irgendwann mal eine Schließung gibt.

Wie optimistisch sind sie, dass es nicht soweit kommen wird?

Ich rechne mit vernünftigen Menschen in Frankfurt. Ich kann mir gar nichts anderes vorstellen, als dass man sagt, das Haus soll bleiben. An den Charlie Hebdo-Tagen gehörten wir ja zu den Institutionen, die in Frankfurt unter Polizeischutz weiterarbeiten konnten. Da haben wir auch sehr oft gehört, wie wichtig Satire ist in einer freiheitlichen Gesellschaft wie unserer.

Worin sehen Sie die Aufgabe von Satire in unserer Gesellschaft?

Satire kommt dann zum Tragen, wenn Ungerechtigkeiten stattfinden und Dinge, die bekämpft werden müssen. Das gilt für die Meinungsfreiheit wie für irgendwelche Schweinereien, die vertuscht werden sollen. Das braucht eine freiheitliche Gesellschaft, um zu garantieren, dass diese Gesellschaft weiter so existiert, wie man sie sich vorstellt. Satire kann sehr hilfreich sein, sie kann aber natürlich auch sehr ätzend sein und sehr mit dem Finger in die Wunde legend, dass es wehtut. Das muss man aushalten können. Man muss ja auch nicht alles gut finden, aber man muss die Leute machen lassen, die das machen.

Können Sie sich erklären, warum die Macher in der Szene fast immer Männer sind?

Ich höre diese Frage seit 30 oder 40 Jahren. Ich konnte sie damals nicht beantwortet, ich kann sie jetzt auch nicht beantworten. Aus meiner Anfangszeit weiß ich, dass nur sieben Prozent in der Branche Frauen sind. Warum das so ist, sollten wir Soziologen und Psychologen fragen. In den letzten Jahrzehnten hat sich schon ein bisschen getan, im Kabarett auf jeden Fall. Auch in unserer vergangenen Sommerakademie waren mehrheitlich Frauen da. Das will ich aber nicht als Trend verkaufen. Es gab gute Frauen, auch in der Zeichnerszene, die sehr radikal Sachen auf Papier gebracht haben. Das wurde sehr bewundert.

Sie sprechen gerne von der Weltherrschaft der komischen Kunst. Was machen Sie, wenn sie die haben?

Ich werde das nicht mehr erleben, aber ich werde alles tun, damit wir auf diesen Weg kommen. Ich werde ja in fünf bis sechs Jahren nicht mehr Leiter sein dürfen, weil ich dann als Rentner in den Schaukelstuhl soll.
 
1. Oktober 2018, 11.26 Uhr
Nicole Nadine Seliger
 
 
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