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Foto: Rafael Herlich
Foto: Rafael Herlich

Städtische Gedenkveranstaltung an die Pogromnacht

Die Nacht, in der die Synagogen brannten

Am 9. November 1938 haben die Nazis Synagogen und jüdisches Eigentum in Brand gesetzt und versucht, das jüdische Leben auszulöschen. Am Donnerstag wurde in der Paulskirche der Opfer gedacht – und dazu aufgerufen, aktuellen rechtsextremen Entwicklungen die Stirn zu bieten.
Am 9. November 1938 und an den darauffolgenden Tagen wurden in Deutschland und Österreich tausende Jüdinnen und Juden misshandelt, verhaftet und getötet. Die Novemberpogrome markierten den Beginn der systematischen Verfolgung; Antisemitismus und Rassismus bis hin zum Mord wurden staatsoffiziell. Die Nacht des 9. Novembers war das offizielle Signal zum größten Völkermord der Geschichte. Die Aktionen im November 1938 wurden in erster Linie von Parteistellen der NSDAP und Einheiten der SS und SA sowie Behörden insbesondere der Polizei und Feuerwehr durchgeführt. Auch nicht organisierte Gruppen nahmen daran teil – dies galt insbesondere für die Plünderung jüdischer Geschäfte und Wohnhäuser, aber auch für tätliche Angriffe und körperliche Misshandlungen. 81 Jahre nach den Novemberpogromen wird deutschlandweit der Opfer gedacht, auch in Frankfurt. Um die Erinnerungen an die Schrecken des Holocaust nicht verblassen zu lassen, fand am Donnerstagmittag eine Gedenkveranstaltung in der Paulskirche statt. „Es ist umso wichtiger das wir daran erinnern“, sagte Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) in seiner Ansprache.

Angesichts erstarkender rechtsextremer Kräfte seien Taten gefordert. Eine Schlüsselrolle komme dabei der Jugend zu, sagte Feldmann während der Gedenkveranstaltung, zu der erstmals auch rund 300 Frankfurter Schülerinnen und Schüler eingeladen waren. „Die Jugend von heute bestimmt, was in zehn Jahren Norm ist. Damit es nie wieder die unmenschlichen Normen von 1938 werden, müssen wir ihnen heute das nötige Rüstzeug an die Hand geben“, betonte der Oberbürgermeister. Um den Schülerinnen und Schülern aufzuzeigen, welche Möglichkeiten des Engagements es gibt, begleitete erstmals auch die Bildungsstätte Anne Frank einen Teil der Gedenkveranstaltung. Drei junge Erwachsene berichteten von ihren Projekten in der politischen Bildungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen.

Feldmann plädierte dafür, verstärkt Jugendliche in das Gedenken an die nationalsozialistische Gewaltherrschaft einzubeziehen. „Die Anzahl antisemitischer Attentate, Überfälle und Herabwürdigungen haben ein Ausmaß erreicht, das undenkbar erschien“, sagte das Stadtoberhaupt. „Was nutzen Gedenkveranstaltungen, wenn sich daraus keine Konsequenzen mehr für die Gesellschaft ergeben, wenn die Mehrheit weiter wegschaut? Wenn Parteien, in denen die größten Brandstifter geschützt sind, Erfolge einfahren?“

„Die AfD ist an der aktuellen Situation schuld“

Marc Grünbaum, Mitglied des Vorstandes und Kulturdezernent der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, unterstrich in einer kämpferischen und bewegenden Rede die Rolle der Bildung: „Es kann nicht sein, dass Jugendliche unsere Schulen verlassen oder ihre Ausbildung abschließen und die Tatsache des Holocaust in Frage stellen.“ Er erinnerte an den vergangenen Jom-Kippur-Tag, der am 9.Oktober 2019 begangenen wurde, an dem ein rechtsterroristischer Anschlag die Synagoge in Halle und dessen Mitglieder traf. Ereignisse wie diese, ebenso das Ergebnis der Thüringen-Wahl vor einigen Wochen beunruhigten und erschreckten viele Jüdinnen und Juden in Deutschland, so Grünbaum: „Wir als Juden fühlen heute den Verlust von Heimat.“

Zum Kampf gegen Antisemitismus gehöre aber auch ein stärkeres gesellschaftliches Engagement: „Schweigen ist keine Option. Jeder einzelne muss ein Zeichen in seinem Umfeld und im Alltag setzen, er muss sich engagieren und das Wort erheben, wo Hass und Vorurteile artikuliert werden“, sagte Grünbaum. Er warnte zudem mit Blick auf die politischen Entwicklungen vor einer Spaltung der Gesellschaft durch die AfD: „Es ist die Aufteilung der Gesellschaft in ein ‚Wir‘ und ein ‚Ihr‘. Die AfD hat eine Kategorie wiederetabliert, die unabweisbar auf das ideologische Gerüst der Nationalsozialisten aufbaut. Es ist ein völkisches ‚Wir‘.“ Die wehrhafte Demokratie müsse daher ihre Werkzeuge vollumfänglich nutzen und ein Parteiverbot in Betracht ziehen. Stadtrat Hartmut Daubert (AfD) verließ daraufhin die Paulskirche.

„Die Große Koalition führt zu einer Konturenlosigkeit, die die Ränder öffnet“

Grünbaum kritisierte auch die Medien dafür, dass sie AfD-Politikern durch Interviews immer wieder eine Plattform böten, sie auch zu Jahresempfängen einlüden. Damit zielte er gegen die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die zu ihrem Empfang anlässlich des 70-jährigen Bestehens der Zeitung auch den AfD-Chef Alexander Gauland eingeladen hatte. Grünbaum erläuterte das Weltbild und die Sprache der AfD und attestierte der Partei eine Mitschuld am aktuellen politischen Klima. Außerdem griff er die Bundespolitik scharf an: „Die Große Koalition führt zu einer Konturenlosigkeit, die die Ränder öffnet.“

Grünbaum erinnerte auch an die historisch enge Bindung hessischer und frankfurter Persönlichkeiten wie Erika Steinbach (Vorsitzende der AfD-Nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung), Björn Höcke (seit 2014 beamteter hessischer Gymnasiallehrer) und nicht zuletzt Alexander Gauland, Fraktionsvorsitzender der AfD, der im Frankfurter Magistrat und im Bundesumweltministerium tätig und von 1987 bis 1991 die Hessische Staatskanzlei unter Ministerpräsident Walter Wallmann (CDU) leitete. „Niemand kann mir weismachen, dass diese Menschen nachts schlafen gehen und am nächsten Morgen als Nazis aufwachen“. Fremdenhass und Antisemitismus seien nie verschwunden. Grünbaum bilanzierte: „Es ist noch nicht an der Zeit, in Panik zu verfallen, aber die Lage ist ernst!“ Oberbürgermeister Feldmann schloss die Veranstaltung mit einem Appell an die anwesenden Jugendlichen: „Engagiert euch! Wir müssen alles tun, damit eure Stimme und eure Widerworte gegen Unmenschlichkeit gehört werden!“
 
8. November 2019, 11.01 Uhr
Sheera Plawner
 
 
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