Am gestrigen Mittwoch kamen im Rahmen der 716. Sitzung der Frankfurter Medizinischen Gesellschaft Vertreter der städtischen Institutionen zusammen, um vorzustellen, inwieweit Frankfurt auf akute Krisensituationen vorbereitet ist.
Armin Heinrich /
Großflächiger stundenlanger Stromausfall ist nicht erst seit dem Technik-Thriller „Blackout“ von Marc Eisenberg ein medial häufig rezitiertes Horrorszenario. Im Ernstfall fallen Verkehrsleitsysteme aus, Straßen verstopfen, die U-Bahn bleibt im Tunnel stehen, die Lichter gehen aus, die Heizungen bleiben kalt, aus dem Wasserhahn kommen ein paar letzte Tropfen und wenn man zum akkubetriebenen Smartphone greifen will, um Hilfe oder Informationen zu bekommen, hat man weder Zugang zum Mobilfunknetz noch zum Internet. Gerade in unserer zunehmend vernetzten Welt machen wir uns immer abhängiger von technischen Geräten. So nutzte der durchschnittliche 30 bis 49-Jährige im Jahr 2018 jeden Tag 258 Minuten lang das Internet. Neben einer ganzen Palette an Entertainment-Angeboten fungiert das Smartphone zunehmend als zentrale Informationsquelle, Kalender, Notizblock und sogar für finanzielle Transaktionen und als Bezahlmittel. Dadurch wären immer größere Teile des Lebens anno 2019 durch einen großflächigen Stromausfall beeinträchtig. Doch wie realistisch ist ein derartiges Szenario?
Stromausfälle als Warnsignale
Allein in diesem Jahr kam es zu schwerwiegenden Vorfällen in New York City, Venezuela, Argentinien und Teneriffa, teilweise mit Todesopfern. Der historisch betrachtet größte Stromausfall ereignete sich 2012 in Indien, dort waren rund 600 Millionen Menschen betroffen. Zwar fanden diese Vorfälle zum großen Teil in Ländern mit einem anderen Infrastrukturniveau als Deutschland statt, dennoch können sie als Warnsignal verstanden werden. Auch der ehemalige Bundes-Innenminister Thomas de Maizière warnte im Jahr 2016: „Ich kann mir vorstellen, dass es Gruppen oder Staaten (…) gibt, die ein Interesse daran hätten, einmal auszuprobieren, wie resilient, wie anpassungsfähig die deutsche Gesellschaft ist mit Blick auf die Abhängigkeit von der Stromversorgung.“
Die Frankfurter Medizinische Gesellschaft nahm dies zum Anlass, eine öffentliche Vortragsreihe zum Umgang mit entsprechenden Krisensituationen abzuhalten. Die Perspektive der Notfall- und Rettungskräfte wurde von Polizeipräsident Gerhard Bereswill und dem Direktor der städtischen Branddirektion Karl-Heinz Frank nähergebracht. Hubert Einetter, Geschäftsführer der GESAT GmbH ging auf die Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung der Kommunikation ein und René Gottschalk, Direktor des Gesundheitsamtes, erläuterte, wie die medizinische Versorgung im Krisenfall koordiniert wird und welche Maßnahmen der medizinischen Gefahrenabwehr eingeleitet werden.
Kabelbeschädigungen und Cyberangriffe
Die Ursachen für einen großflächigen Stromausfall können vielfältig sein. Die Referierenden verwiesen auf Kabelbeschädigungen – wie am gestrigen Mittwoch in Berlin-Charlottenburg geschehen – verursacht durch Verkehrsunfälle, Brände, Gewitter, Sabotage, Bauarbeiten und auf die steigende Gefahr von Cyber-Angriffen. Durch die immer weiter voranschreitende Vernetzung können schnell Dörfer, Stadtteile oder sogar ganze Regionen von Stromausfällen betroffen sein, gleichzeitig bietet sich eine größere Angriffsfläche für mutwillige Zerstörungen. So vermeldete gerade in dieser Woche Peter Henzler, Vizepräsident des Landeskriminalamtes (BKA) aus Wiesbaden, dass die Cyberkriminalität in Deutschland ansteigt. So kletterten die Zahlen 2018 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als ein Prozent auf 87 100 Fälle. Zwar fallen drei Viertel aller Fälle auf Computerbetrug zurück, dennoch stiegen auch die Hacker-Attacken auf Unternehmen und der Diebstahl sensibler Daten. Deshalb soll innerhalb des BKAs eine eigene Abteilung zur Bekämpfung von Cyberkriminalität entstehen.
Bereswill: Großflächiger Stromausfall größere Bedrohung als Krieg
Polizeidirektor Bereswill sprach in diesem Zusammenhang von einem Gesellschaftswandel und verwies darauf, dass die Bedrohung durch einen großflächigen Stromausfall im Herzen Europas heutzutage die eines Krieges übersteige. Branddirektor Karl-Heinz Frank erklärte, dass aus Sicht der Feuerwehr ein solches Szenario dem Worst-Case entspricht und nutzte in Bezug auf die Möglichkeiten der Feuerwehr die Metapher eines Schachspiels, bei dem der Spieler nur eine gewisse Anzahl an Zügen des Kontrahenten antizipieren kann. Konkret bedeutet das für Frankfurt, dass die Behörden für 72 Stunden eine weitläufige Notstromversorgung, eine geregelte Kommunikation und die Aufrechterhaltung der Infrastruktur gewährleisten können. Grundlage für diese Einschätzung bildet die im Rahmen der Analyse zu Kritischen Infrastrukturen (Krisis), vorgenommene Bewertung. Frankfurts Krankenhäuser können im Krisenfall für 24 Stunden ohne Hilfe auskommen, danach unterstützt die Feuerwehr, die über einen Überblick der medizinische Versorgung in der Stadt verfügt. Doch auch die Bevölkerung selbst kann sich für den Ernstfall wappnen: Mit einem batteriebetriebenen Rundfunkgerät und Reservebatterien oder mit einem Kurbelradio sowie mit einem Trinkwasser- und Lebensmittelvorrat für etwa 10 Tage, einem Vorrat an Hygieneartikeln, Gaskocher und Kartuschen, Kerzen und Feuerzeugen und einer ausreichenden Bargeldreserve ist man laut dem Ratgeber für Notfallvorsorge des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gut ausgestattet.
Im Notfall greifen Notstromaggregate
Im Gegensatz dazu sind sowohl die Polizei und Feuerwehr als auch die Krankhäuser mit Diesel betriebenen Notstromaggregaten ausgestattet, die dafür sorgen, dass die Institutionen zunächst ohne große Einschränkungen weiterarbeiten und die Bevölkerung unterstützen können. Ein zentrales Problem wäre der zumindest vorrübergehend erwartete Zusammenbruch des Mobilfunknetzes. Diesem würde die Polizei beispielsweise mit einem erhöhten Streifenaufkommen begegnen, um der Bevölkerung eine fußläufig erreichbare Hilfe- und Informationsmöglichkeit zu bieten. Auch die Feuerwehr ist mit insgesamt 28 Standorten im Zentrum und der Frankfurter Peripherie präsent. Untereinander können die Einsatzstellen weiter über Funk, notfalls sogar analog oder per Satellitentelefon kommunizieren. Insbesondere die Satellitentelefone bieten, laut Hubert Einetter, eine Stromausfall-resistente Option, da die sie meist über Solar wie autarke Subsysteme funktionieren. Die damit verbundene Bodenkoordination obliegt dem US-Militär, welches über große Treibstoffvorräte für Notstrom verfügt.
Ohnehin stellt sich die Frage, wie großflächig ein Stromausfall überhaupt ausfallen kann. Frankfurt selbst verfügt sowohl im Norden als auch im Süden über Höchst- und Hochspannungsnetze, die das jeweils andere, bei einem Ausfall ersetzen könnten. Weiterhin verfügen auch die Deutsche Bahn und der Frankfurter Flughafen über Notstromaggregate, damit die Mobilität aufrechterhalten werden kann. Bleibt ein Stromausfall auf Frankfurt begrenzt, können umliegende Stromversorger unterstützen, gleiches gilt bei einem Ausfall für ganz Hessen oder sogar bei einem deutschlandweiten Blackout. Sollte es, wie in Eisenbergs Buch zu einem europaweiten oder gar weltweiten Ausfall kommen, greifen diese Möglichkeiten nicht mehr. Jedoch schwindet für ein solches Szenario auch die ohnehin schon geringe Wahrscheinlichkeit. Um der Frage nachzugehen, wie Menschen dann reagieren, muss man sich mit der Philosophie auseinandersetzen oder einen dystopischen Roman zur Hand nehmen.