Mordfall Walter Lübcke

Nahm die Polizei Ahmed I. nicht ernst?

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In dem Prozess um den Mordfall Walter Lübcke sagte am Dienstag der Nebenkläger Ahmed I. aus. Er wirft Stephan E. vor, von diesem 2016 mit einem Messer angegriffen worden zu sein – und erhebt weitere Vorwürfe in Richtung der Polizei.

rom/red /

Im Juni 2019 soll der Rechtsextremist Stephan E. den ehemaligen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke erschossen haben. Das mutmaßliche Motiv: Fremdenhass, getriggert durch das Engagement Lübckes für Geflüchtete. Schon drei Jahre zuvor soll auch der gebürtige Iraker Ahmed I. Opfer ebendieses Fremdenhasses geworden sein.

Im Januar 2016 wurde Ahmed I. nahe der Flüchtlingsunterkunft Lohfelden – einer von Walter Lübcke unterstützten Unterkunft – von hinten mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt. Wie ein Rechtsmediziner am Donnerstag vor Gericht bestätigte, habe nicht viel gefehlt, das Opfer mit diesem Angriff tödlich zu verletzen. Nur knapp habe das Messer wichtige Arterien verfehlt. Bis heute leide der junge Mann unter den Folgen. Die Bundesanwaltschaft wertet den Fall als versuchten Mord und legt ihn Stephan E. zur Last, der zum damaligen Zeitpunkt nur wenige Fahrradminuten vom Tatort entfernt lebte.

In der Aussage Ahmed I. zeigt sich auch, dass es in diesem Fall nicht bloß um die Tat eines einzelnen verwirrten Rechten geht. Vielmehr erhebt der Iraker schwere Vorwürfe in Richtung der Polizei, die ihn nach der Tat nicht ernst genommen habe. I. habe von vornherein ein rassistisches Tatmotiv vermutet, de Ermittler:innen hätten dies jedoch nicht weiterverfolgt.

Unterstützung erhält Ahmed I. durch die Bildungsstätte Anne Frank und deren Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt „response“. Dort ist man sich sicher: „Wären Rassismus und Hass auf Geflüchtete als Tatmotive ernst genommen worden, hätte die Möglichkeit bestanden, Stephan E. bereits damals zu stoppen – und Walter Lübcke hätte nicht sterben müssen.“

„Das Gefühl, von den Behörden nicht geschützt zu werden und das Anzweifeln einer politischen Tatmotivation kann Betroffene zusätzlich traumatisieren und es ihnen erschweren, die Folgen der Tat zu verarbeiten“, so Anna Brüggemann von response. Was es hingegen brauche, sei die Anerkennung der erfahrenen Gewalt und ein geschütztes Umfeld, um sich von den Tatfolgen zu erholen. Stattdessen habe Ahmed I. polizeiliche Vernehmungssituationen als besonders belastend erlebt: „Ich habe mich gefühlt wie mein eigener Mörder.“


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