Als Jamie Lidell das letzte Mal mit seinen Spezies Gonzales und Mocky im Mousonturm war, hinterließ er (bei mir) nicht besonders viel Eindruck. Dafür das am gestrigen Muttertag umso mehr. Der ehemalige Dancefloor-Produzent und DJ hat sich zum absoluten Entertainer gemausert. Im ersten Moment könnte man meinen, der Mann sei auf dem absoluten Retro-Trip, so sehr klingt das nach klassischen Soul, R&B und Funk Sixties und Seventies lassen grüßen, selbst im Outfit der Musiker mit Afro-Perücke beim Keyboarder, Makeup beim Bassisten und netten kleinen Percussions-Accessoires. wie ein Sternchen-Tambourine. Aber das ist eher Indiz für einen spielerischen, leicht ironischen Umgang mit der Ära. Denn Lidell ist mit seinen Jungs im Hier und Jetzt und für sein fast ausschließlich sehr junges Publikum ist seine Mucke absolut hip und wird mit viel – wenn auch Gott sei dank nicht Boyband-gleichem – Schreien begleitet, ganz abgesehen davon, dass die Menge wie ein Mann/eine Frau groovt und tanzt.
Außerdem ist seine Vergangenheit Gegenwart im Sound der Band, nicht nur wegen der Looptechniken des Drummers, sonders auch wegen Jamies Solo-DJ-Set in der Mitte des Konzertes, wo er als Human Beat Box zeigte, dass man Techno und House komponieren und in Songqualität anbieten kann. Mit der Band kommt der Spaß zurück auf die Bühne. Der Bassist wechselt zur Gitarre und er spielt den Blues fast kakophonisch. Der Saxophonist, meist mit dem Bariton beschäftigt, spielte gleich zwei Instrumente zugleich. Und der Keyboarder lässt mit alten E-Piano und Orgelsounds aufhorchen. Im Mittelpunkt aber steht Jamie Lidell, der – bei allen clownesken Einlagen – ein mehr als ernst zunehmender Sänger geworden ist, ein echter Soulman, der tatsächlich längst Vergleiche zu Marvin Gaye oder – später in der Geschichte – Prince und ähnlichen Kalibern herauf beschwört. Ein wirklich geiles Timbre und mit so viel Inbrunst gesungen, dass man ihm jedes Wort, jeden Ton abnimmt. Tolle Performance!