Mit Trainings bereiten Tierpfleger im Zoo ihre Schützlinge auf eventuelle Untersuchungen durch den Tierarzt vor. So geht das ohne Stress und oft auch ohne Narkose. Es gibt aber auch ein Programm gegen Langeweile.
Nicole Brevoord /
Es sieht sehr drollig aus, wie das schwarz-weiße Tamanduajunge Eddi auf seiner Mutter Evita reitet, gemeinsam bewegen sich die beiden aus Südamerika stammenden Ameisenbären so durch ihre Anlage im Frankfurter Zoo. Eddi, der am 8. Juni zur Welt kam, ist noch sehr anhänglich. Das ist zwar niedlich, aber für Tierpfleger Martin Rödl eher unpraktisch. Er will das Muttertier nämlich wiegen – alleine. Also wird das Jungtier kurz entfernt und dann steigt Rödl zu Evita ins Terrarium. Was nun folgt, wird regelmäßig trainiert: Rödl hat eine quadratische, flache Waage mitgebracht und lockt Evita mit einem Klecks Joghurt in einer Schüssel an und tatsächlich bewegt sich das lange Schnäuzchen und das Leckermaul mit der bis zu 40 Zentimeter langen Zunge folgt der Schüssel, bis es auf der Waage zu stehen kommt. „Das Muttertier war früher immer nervös, nach drei Monaten Training gab es erste Erfolge und nach neun Monaten Übung klappt das mit der Waage“, erklärt Zoodirektor Miguel Casares. „Wilde Tiere im Zoo zeigen oft keine richtigen Symptome, wenn sie krank sind. Da geben die Ergebnisse und Schwankungen des regelmäßig überprüften Gewichts wichtige Aufschlüsse.“ Evita lässt sich auch auf die Pfötchen schauen und würde es sogar brav erdulden, wenn man sie mit dem Ultraschallgerät am Bauch berühren würde. Was die Tierpfleger regelmäßig im Zoo mit den Schützlingen üben, erspart im Falle einer medizinischen Untersuchung bei Mensch und Tier Stress, die Alternative wäre die oft schlecht bekömmliche Narkose, die auch nicht bei jedem Tier die ideale Lösung ist. „Wenn man ein Tier trainiert, lernt das zweite meistens mit“, sagt Casares. Es gibt also die Hoffnung, dass sich auch Eddi demnächst brav auf die Waage stellen wird, wenn es Joghurt als Belohnung gibt.
„Normalerweise fressen die Tamanduas Ameisen und Termiten. Wir hätten Evita auch eine Nuss reichen können, aber dann hätte sie uns wohl ausgelacht“, sagt Regina Brinkmann, die seit 1989 im Frankfurter Zoo arbeitet, sich zwölf Jahre lang intensiv um die Menschenaffen kümmerte und nun seit dem vergangenen Jahr Koordinatorin für medizinisches Tiertraining und Tierbeschäftigung ist. Dazu wurde eigens eine Vollzeitstelle geschaffen, was deutschlandweit einzigartig sein soll. Je nach Tierart fällt das Training anders aus. Die Giraffen etwa müssen lernen, dass bei ihnen auch mal die Hufe untersucht oder behandelt werden müssen und bei Großkatzen ist auch mal eine Blutentnahme fällig und wenn ein Tier eine Entzündung am Auge hat, dann müssen eben Augentropfen verabreicht werden. In jedem Fall ist viel Fachwissen und Geduld vonnöten, damit sich zwischen Mensch und Tier ein Vertrauensverhältnis aufbaut. „Dann steigt ein Tier auch bereitwillig in eine Transportbox, wenn es umgesiedelt werden muss und das ganz stressfrei", sagt Casares. Anfang Februar hat der Zoo ein dreitägiges Tiertrainingsseminar veranstaltet, bei dem rund 100 Tierpfleger aus Deutschland und der Schweiz mitgemacht haben. „Der Austausch ist ganz wichtig, da kann jeder vom anderen noch etwas lernen“, berichtet der Zoodirektor.
Regina Brinkmann koordiniert auch die artgerechte Tierbeschäftigung, das übrigens auch Enrichment genannt wird. Das soll ganz wichtig sein für die in Gefangenschaft gehaltenen Tiere, die in ihren kleinen aber geschützten Lebensräumen schnell mal an Langeweile leiden könnten. „Die Gehege sind extra nicht reizarm gestaltet. Aber die aus Südamerika stammenden Tamaduras beispielsweise vermissen den Regen, den Wind und die Geräusche aus der Wildnis.“ Darum versuche man, sie durch neue Reize zu bespaßen, etwa in dem man neue Wurzeln mitbringe oder morsche Stämme aus dem Wald, wo viele Insekten drin leben. „Mit den Vorderbeinen brechen die Ameisenbären die Stämme auf, um an die Insekten zu gelangen. Es sollen alle Sinne geschärft werden und auch der Kopf der Tiere will beschäftigt werden.“ So stopfe man auch mal Insekten in Löcher, die man dann verschließe und die Tiere versuchten dann, mit Tricks und Hilfsmitteln an die Leckereien zu gelangen. Auch ein neues Bodensubstrat könne einen neuen Reiz setzen, weil es einen anderen Geruch ins Gehege bringe, sagt Brinkmann. „Es muss immer spannend sein, die Tiere sollen sich bei uns ja nicht langweilen.“