Neben Protesten von Anwohnern und Gewerbetreibenden gegen den Standort des geplanten Suchthilfezentrums in der Niddastraße 76 regt sich auch politischer Widerstand. Nun reagiert die CDU Frankfurt.
Jasmin Schülke und Jannis Seelbach /
Update, 17 Uhr: Die CDU Frankfurt lehnt das Crack-Zentrum ebenfalls ab. Laut dem Fraktionsvorsitzenden Nils Kößler führe das geplante Crack-Zentrum zu noch mehr Drogensüchtigen und einer Verstärkung der Probleme im Bahnhofviertel. In dem Konzept ist für ihn „keine klare Therapieorientierung erkennbar“. Die CDU-Fraktion fordert eine dezentrale Lösung – über das Bahnhofsviertel verteilte Konsumräume in bestehenden Einrichtungen sowie die Errichtung von einem „Hilfezentrum mit Gesundheits-, Sozial- und Hygieneschwerpunkt“. Die Partei unterstützt dagegen den Sieben-Punkte-Plan der Landesregierung.
Widerstand gegen geplantes Crack-Zentrum wächst
Erstmeldung, 15. Mai, 12 Uhr: Zahlreiche Anwohner und Ladenbesitzer im Gallusviertel sehen die Pläne der Stadt kritisch. Direkt betroffen ist beispielsweise Mariya Drahavets, Leiterin des „Yoga Vidya“-Zentrums. Dieses ist eine der Mietparteien in der Niddastraße 76. Im Gespräch mit dem JOURNAL sagt die Yoga-Lehrerin, dass sie erst durch die Medien von den Plänen der Stadt erfahren habe. Daraufhin habe sie selbst die zuständige Dezernentin für Soziales und Gesundheit Elke Voitl (Grüne) angeschrieben. Eine Rückmeldung sei aber erst nach vier Wochen gekommen.
„Es ist bedeutend, dass wir bleiben können“, meint Drahavets. Das Zentrum sei ein gemeinnütziger Verein, der Yoga vor allem für Menschen mit niedrigerem Einkommen möglich mache. Pro Woche würden mehrere hundert Leute dort an Yoga-Sessions teilnehmen und es sei damit „ein wichtiger Ort“ für diese Menschen. Einige Teilnehmer, hauptsächlich Frauen, seien über die Entwicklung besorgt und fürchteten sich. „Der Preis, um zum Yoga zu kommen, ist relativ hoch“, fasst Drahavets zusammen. Sollte das Suchthilfezentrum tatsächlich kommen, müsste man ausziehen.
Drahavets Forderung: „Ich erwarte, dass Frankfurt sich um die beteiligten Parteien kümmert.“ Die Stadt Frankfurt solle eine passende Standort-Alternative für das Yoga-Zentrum finden und die Kosten für einen Umzug übernehmen. Sie gehe davon aus, dass durch das neue Suchtzentrum noch mehr Drogensüchtige und Dealer in das Viertel kommen werden. Die anderen Mietparteien des Hauses würden es ähnlich sehen, meint sie.
Zentrum könnte entlasten
Tobias Friedberg ist Grafikdesigner und Mitinhaber von „Aoki und Matsumoto“. Auch er ist Mieter in der Niddastraße 76. Seine Meinung zum Zentrum: „Finden wir ganz gut.“ Auch die Standortwahl sei „gut“. Das Zentrum könne seiner Meinung nach eine Entlastung darstellen. Sollte das Zentrum kommen, würde seine Firma allerdings auch umziehen. Er selbst fühle sich im Viertel sicher, sei selbst Anwohner.
Ladenbesitzer nicht zufrieden
Ahmet Ünlü ist gegen das Suchthilfezentrum. Auf der Seite „openPetition“ schreibt er: „Ich betreibe an der Düsseldorfer Straße 15-17 einen Imbiss namens Ünlü Kebap, durch die in den Jahren schon zugenommene Kriminalität sind bei uns im Viertel sehr viele Suchtkranke, welche unser Geschäft sehr schädigen… Keiner möchte essen während draußen Junkies laufen oder konsumieren. Bitte keinen neuen Suchtraum, das würde uns sehr schaden.“ Im Gespräch mit dem JOURNAL sagt er, dass er selbst Anwohner sei.
Kristina Anic, Ladeninhaberin des Café Ludwig an der Ecke Niddastraße/ Ludwigstraße, findet die Idee „schlimm“ und „schlecht“. Seit zehn Jahren führt sie das Café. Letztes Jahr zog sie mit ihrem Kind ins Gallusviertel. Heute würde sie diese Entscheidung noch einmal überdenken. Die Stadt hätte die Ladenbesitzer weder gefragt noch umfassend informiert. „Total daneben“, findet sie. Obwohl die Situation teilweise besser als vor zehn Jahren sei, habe sie Angst, dass nun mehr Drogensüchtige ins Viertel kämen. Sie hätte von der Stadt eine Informationsversammlung für Anwohner erwartet.
Eine Gewerbetreibende, die namentlich nicht genannt werden will, sieht das Problem im offenen Konsum der Drogen. Gegenüber dem Laden würden Familien mit Kindern wohnen – und Süchtige sich „vor der Tür die Nadel geben“. Ihr Mann meint zu den Plänen der Stadt: „Schlecht. Sehr schlecht“. Schon jetzt würden die Süchtigen im Gallusviertel wie „Leichen“ herumlaufen. Die Gäste hätten Angst. „Für mich versagen die Politiker einfach“, meint er. Wenn der Raum wirklich komme, dann werde es im Viertel noch schlimmer: „Weil die ja nicht auf einer Stelle stehen bleiben. Die rennen ja durch die Gegend. Und wenn da 200 bis 300 Junkies vor der Tür stehen, dann viel Spaß. Dann geht gar nichts mehr.“ Seine Frau erzählt, dass die Kundschaft auf jeden Fall nachgelassen habe. Es müsse eine Lösung geben, die nicht unbedingt in der Niddastraße liege.
Dezernat hält an Standort fest und will „unmittelbar“ informieren
Auf Anfrage des JOURNAL FRANKFURT antwortet Dezernentin Elke Voitl: „Bei Drogenhilfe-Einrichtungen hören Sie immer dieselben Argumente: Der Standort ist nicht gut, und das Projekt wurde nicht ausreichend kommuniziert. Übersetzt heißt das: Wir wollen keine Suchtkranken.“ Das Dezernat weißt außerdem darauf hin, dass die Zustimmung des Magistrats und der Stadtverordneten noch aussteht. Doch auch hier gibt es Widerstand vom Koalitionspartner FDP. Die Freidemokaten hatten sich Anfang Mai auf ihrer Kreismitgliederversammlung gegen das Zentrum ausgesprochen. Befürchtet werde „eine Sogwirkung“ des Crack-Zentrums, zudem sei der geplante Standort schlecht kommuniziert worden.
Sobald die Zustimmung von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung vorliege, werde die Stadt „unmittelbar“ über das weitere Vorgehen und den Stand der Planung informieren“, teilt das Dezernat mit. Bislang stehe lediglich fest, dass nach zweijähriger Suche eine geeignete Immobile gefunden wurde. Zu den Befürchtungen vieler Menschen aus dem Viertel, dass noch mehr Crack-Süchtige nach Frankfurt kommen werden, wenn das Zentrum eröffnet ist, heißt es aus dem Sozialdezernat: „Drogenkranke kommen nicht nach Frankfurt, weil es hier Hilfsangebote gibt, sondern wegen der enormen Verfügbarkeit illegaler Drogen.“
Bessere Argumente sollen zählen
Zum Widerstand aus den Reihen des Koalitionspartners FDP sagt Voitl: „Die Frankfurter Stadtregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag klar für eine Fortentwicklung des Frankfurter Wegs in der Drogenpolitik und gegen die Vertreibung von drogenkonsumierenden Menschen ausgesprochen. Die aktuelle Diskussion ist wichtiger Teil eines demokratischen Prozesses. An dessen Ende sollten aber die besseren Argumente zählen.“
Eine Verlegung einer solchen Einrichtung beispielsweise an den Stadtrand lehnt Voitl ab. Es gebe bereits am Stadtrand Europas größte Suchthilfeeinrichtung: das Eastside in der Schielestraße. Diese Einrichtung helfe betroffenen Menschen – die Situation im Bahnhofsviertel habe sich dadurch aber nicht sichtbar verbessert. Über das Crack-Zentrum wird am Freitag (16. Mai) im Magistrat abgestimmt.