Im Untertitel des Stücks von Peter Handke heißt es schlicht: Ein Schauspiel. Das muss man wörtlich nehmen. Regieanweisungen, mehr sind es nicht. Keine Dialoge, keine Worte werden verloren und doch gibt es eine Rolle für jeden Schauspieler im Ensemble, 350 Figuren treten auf, das macht dieses Stück zum idealen Eröffner oder Beschließer einer Spielzeit, aber nicht nur deswegen steht es am Ende der Intendanz von Elisabeth Schweeger, die nach acht Jahren das Haus verlässt. Es ist nämlich auch ein Experiment, ein modernes Unding dieses Stück gemessen am klassischen Theater, inszeniert von Wanda Golonka. Wir sehen: einen abgezirkelten Platz, einen rechteckigen Teich, ein Fengshui-Kiesel-Stück, ein bisschen Rasen, ein Gullydeckel, sechs Blitzlichtschirme. Die ganze Größe der Bühne kommt noch einmal zur Geltung, sie wird ausgenutzt bis in schwindelnde Höhen, aus denen mal nebliger Regen fällt, mal ein Ziegel herunterfällt oder ein Geschenk an einem Fallschirm herabsegelt. Es tritt auf: das große Panoptikum der Jetztzeit. Also Nordic Walker und Filmstars, Wandersleut und Soldaten, Jogger und Business-Frauen, Ballerinas, Dealer, Jugendliche – und nicht zuletzt: Kinder und Tiere. Mit denen, so heißt ja eine goldene Regel des Boulevards, kann man nicht verlieren. Ein putziger Straßenmischling tritt auf, ein Golden Retriever, ein Falke. Dann Kinder, die tanzen, die Krach machen, die lachen und Streiche spielen. Das funktioniert selbstredend. Dazu noch ein Ratespiel für emsige Schauspielgänger mit den Kostümen und Requisiten, Schnipsel aus vergangenen Inszenierungen betreten die Bühne.
Elisabeth Schweeger sagt auf der Premierenfeier später, auf einem Tisch stehend, das sei ein so großes Geschenk, das ihr mit diesem Stück gemacht worden sei. Nun sei es aber Zeit, vier Tage zu feiern. Jeden Abend noch einmal Handke, am Freitag beginnt dann der Kongress "Der Flaneur" und dann ist sie zu Ende, die Ära Schweeger. "Frankfurt war ein heftiges, aber auch ein leidenschaftliches und deswegen ein tolles Publikum", sagt die Intendantin überschwänglich. Wer wollte sich zum Abschied auch grämen. Aber ein Zeichen gab es doch: die Schauspieler, anfangs ganz in weiß, trugen gegen Ende Trauer - bevor sie sich in Kleidungsfragen noch einmal dem Farbenrausch hingaben.
Die Schmidtstraße 12, der Satellit des Schauspiels, schloss schon am Samstag mit einem Konzert und am Freitag mit einer Aufführung des Grimm-Codes (, die leider ein wenig misslang, weil der versprochene Film noch nicht fertig war, die Schnittcomputer streikten, ein Abend, der aber dennoch von den beiden Schauspielern Stefko Hanushevsky und Sebastian Schindegger gerettet wurde, weil sie in wahren Verzweiflungstaten die Zeit auf der Bühne überbrückten). Weiterleben wird die Schmidtstraße 12 aber in der Webseite apartment666, wunderschöne Kurzfilme, die man auch herunterladen und in der Straßenbahn auf dem iPod sehen darf, kurzum: eine Webseite, die es schon eine Weile gibt, der aber im ganzen Grimm-Code-Wirbel leider viel zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Auch ein Schauspiel, aber eines, das bleibt. Der Rest ist Erinnerung.