Tina Dico: Jeans zu Sommerkleid und Pumps

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Detlef Kinsler /

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So lässig wie souverän kam Tina Dico auf die Bühne des Frankfurter Hofs in Mainz, erst mal ohne ihre Band, nur mit einer Halbresonanz-E-Gitarre und starken Worten „bewaffnet“: „Ich spring’ dann mal gleich rein in den ersten Song, ein Lied über die Liebe und wie oft sie ein tanz auf Messers Schneide ist, der Himmel auf der einen, die Hölle auf der anderen Seite.“ Sie sagt das ohne Bitterkeit, eher mit dem Wissen einer lebenserfahrenen, starken Frau, die nicht nur schöne Beziehungen erlebt hat, sich aber wohl trotzdem nur auf eines in ihrem Leben wirklich verlassen kann: Die Kraft, die sie aus ihrer Musik beziehen kann und mit der die junge Dänin, die in London lebt, aber ständig auf der Suche ist nach dem richtigen Platz auf diesem Planeten, immer mehr Menschen zu begeistern versteht.

tina_dico_kinsler827Zwei Männer genügen ihr auf der Bühne, um ihr Repertoire aus mittlerweilen sechs CDs in voller Intensität zu entfalten. Schon der kurze Solospot machte klar, wo die Dico verglichen mit der restlichen Singer/Songwriter-Gemeinde steht: da nämlich, wo man Songs schreibt, die irgendwie mehr in der Traditionslinie Porter-Gershwin-Bernstein stehen, Einfachheit und Klarheit in den Melodien mit Komplexität, aber auch Subtilität in den Arrangements verbindet und auf wunderbar homogene Weise Elemente höchst unterschiedlicher musikalischer Stile verbindet. Aber zurück zu ihren Mitstreitern. Da ist Dennis Ahlgren, ein Jugendfreund aus Århus, der als Musiker und Produzent an all ihren Produktionen beteiligt war. Er setzt sich zunächst an ein Rudiment von Schlagzeug, hat Rumbakugeln, Shaker und kleine Tamburine, mit denen er erst mal ganz sachte die Beats produziert. Später packt er auch mal für zwei kurze Passagen ein kleines Glockenspiel aus oder wechselt zur E-Gitarre, die er oft auch „nur“ lautmalerisch einsetzt. Helgi Jonsson kennt sie erst vergleichsweise kurz. Sie hat den Multiinstrumentalisten in Kanada kennen gelernt. Er stammt aus Island, spricht ausgezeichnet Deutsch, aber überhaupt nicht mit der für Nordländer typischen Färbung, die wir seit Gitte Haenning lieben. Er hat lange in Graz gelebt, auch mit der grandiosen Jazz Big Band Graz gespielt, und spricht Österreichisch.

Genauso ungewöhnlich ist auch sein musikalischer Beitrag. Zunächst als Support mit ein paar eigenen Stücken, in denen er leise Eruptionen gestaltet und mit einer Stimme verblüfft, mit der er übergangslos von Bauch- zu Kopfstimme wechseln kann wie das sonst nur einem jungen Steve Winwood und Jeff Buckley gelang. Dieser vergleich macht ihr stolz und verlegen: Er ist großer Buckley-Fans. Jonsson spielt Keyboards, nimmt am Flügel Platz, singt eine wunderbare zweite Stimme und packt auch kurz mal die Posaune aus. Was sie da zu Dritt kreieren, schaffen andere nicht in voller Bandbesetzung. Das hat Klasse und irgendwie ist das auch state of the art, aber mit dem Charme einer Straßenmusiker-Performance. Das macht es so charmant, so nah. Und Tina Dico, durchaus eine Erscheinung, ist keine Diva, wirkt – obwohl vom Licht fast überstrahlt als „weiße Frau“ ohne Kettengerassel – nie unnahbar. Ihr Outfit spiegelt durchaus ihr Selbstverständnis: hautenge Jeans, darüber ei
n helles Sommerkleidchen, dazu Pumps. Ein Rest von Kind, Street Credibility, Dame.

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Am Schluss hat Tina Dico, die schon einmal solo in Mainz war, das Publikum mit ihrer Art, ihren aussagekräftigen wie poetischen Texten, ihrer auch in den leisesten Passagen packenden Musik und ihrem ausdrucksstarken Gesang vollends überzeugen. Sie feiern sie mit stehenden Ovationen und holen sie drei Mal auf die Bühne zurück. Am Ende singt sie den Quasi-Titelsong ihrer aktuellen EP-Trilogie „A Beginning, A Detour, An Open Ending", „An Open Ending“, und dessen Zeilen sagen noch einmal viel über Dicos Selbstverständnis: „Someday soon you will know what is best for you.“ Die Reise geht weiter und führt sie am 30.8. zurück an den Rhein, denn dann singt sie zum 1.000 Geburtstag des Mainzer Doms Open Air auf dem Domplatz.

Fotos: Detlef Kinsler


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