Am Donnerstag stellen Rudi Deuble und Alexander Losse Peter Kurzecks posthum erschienenes Sommerbuch „Der vorige Sommer und der Sommer davor“ vor. Dabei sprechen sie auch über ihre komplizierte Arbeit am Nachlass des Autors.
Christoph Schröder /
Im November 2013 ist der Schriftsteller Peter Kurzeck im Alter von 70 Jahren in Frankfurt gestorben. Er hinterließ eine fassungslose Gemeinde von eingeschworenen Leserinnen und Lesern, vor allem aber ein gewaltiges, unvollendetes Lebensprojekt: „Das alte Jahrhundert“, so der Titel, war ein auf zwölf Bände angelegter Zyklus. Zu Kurzecks Lebzeiten sind davon fünf Bände erschienen, darunter im Jahr 2011 der als sein Opus Magnum gefeierte, mehr als 1000 Seiten umfassender Roman „Vorabend“.
Peter Kurzeck, 1943 in Böhmen geboren und im Alter von drei Jahren als Flüchtling ins oberhessische Staufenberg gekommen, hat in die deutschsprachige Nachkriegsliteratur eine einmalige Form des autofiktionalen Schreibens eingeführt – und das lange bevor dieser Begriff überhaupt erfunden war. „Die ganze Gegend erzählen, die Zeit!“, so lautete der Vorsatz zum Roman „Vorabend“. In der Tat unternimmt Peter Kurzeck in seinen Romanen eine so radikale wie subjektive Erinnerungsarbeit, die sich auf wundersame Weise immer wieder in ein Epochenbild verwandelt. Ohne Peter Kurzeck wäre beispielsweise auch der „Ortsumgehungs“-Zyklus des Wetterauer Schriftstellers Andreas Maier nicht denkbar. Ob Peter Kurzeck sein ambitioniertes Projekt überhaupt jemals hätte abschließen können, ist fraglich: Seine Arbeitsweise war aus- und abschweifend; dementsprechend kompliziert gestaltet sich auch die Sichtung seines Nachlasses. Erschwerend hinzu kommt der Umstand, dass Kurzecks Stammverlag Stroemfeld/Roter Stern im September 2018 Insolvenz anmelden musste. Dort war im Jahr 2015 posthum bereits der sechste Band des „Alten Jahrhunderts“ unter dem Titel „Bis er kommt“ erschienen. Die Stroemfeld-Lektoren Rudi Deuble, zugleich Kurzecks engster Freund und Vertrauter, und Alexander Losse hatten den Text aus dem unübersichtlichen Nachlass herausdestilliert. Nun hat sich der Verlag Schöffling & Co. des Werks von Peter Kurzeck angenommen. Sämtliche seiner Bücher werden in einheitlicher Ausstattung und Gestaltung neu aufgelegt. Zugleich arbeiten Rudi Deuble und Alexander Losse weiter an der Erschließung des Nachlasses.
Ende August ist nun der siebte Band des Zyklus’ „Das alte Jahrhundert“ erschienen: „Der vorige Sommer und der Sommer davor“ erzählt von einer Reise in den Süden und beschwört die elegisch-schwebende Stimmung langer, heißer Tage herauf. Der Erzähler, der mit dem Autor identisch ist, fährt in den Sommern 1983 und 1984 gemeinsam mit seiner Freundin Sibylle und der kleinen Tochter Carina per Anhalter nach Südfrankreich, um dort seinen alten Freund Jürgen zu besuchen, der in Barjac ein Restaurant eröffnet hat. Das Sommerbuch, wie Kurzeck selbst es nur genannt hat, ist ein heller, in der Grundstimmung heiterer Roman, in dem trotzdem die Panik zu spüren ist, mit der Kurzeck gegen den Hauptfeind angeschrieben hat: die Zeit. Die gefräßige Zeit, die alles mitnimmt. Dem setzt Kurzeck sein radikales Mitschreiben entgegen. Die beiden Herausgeber Rudi Deuble und Alexander Losse stellen „Der vorige Sommer und der Sommer davor“ an diesem Nachmittag vor, sprechen über Peter Kurzecks Werk und über ihre Arbeit am Nachlass.