Vier Konzerte am Stück in der Brotfabrik, aber kein Festival wie Anfang März in der Bachmannstraße. Drei Mal Female Voices und das Konzert von Singer/Songwriter Robin Proper-Sheppard, der seine band Sophia nennt, wäre beinahe von den Veranstaltungskalender noch subsumiert worden. Den Start machte die portugiesische Sängerin mit den kapverdischen Wurzeln, Sara Tavares. Ihr Nachname löst bei mir immer einen Stich aus, denn auch die viel zu früh verstorbene brasilianische Kollegin Rosanna vom Frankfurter Duo Rosanna & Zélia hieß Tavares. Und gerade die Brotfabrik ist ein Ort, der untrennbar mit ihrer Musik verbunden ist. Ein Plakat über dem Ausgang erinnert an die Ausnahmekünstlerin. Kein leichtes Brot also für Sara, deren oft zarter Gesang entfernt an Rosanna erinnert, aber – nicht nur in den Passagen, wo das Publikum zum Mitsingen animiert wird – emotional nicht an sie heran reicht. Denn Rosanna schaffte er dank ihrer Aura, die Menschen die melodisch und rhythmisch vertracktesten Phrasen (mit)singen zum lassen, so, als würde sie ein nicht sichtbarer Strahl erreichen und sie dazu befähigen. Bei Sara Tavares reicht es zu Stadion-Rock-kompatiblen Dialogen.
Bei ihrem Konzert war alles nett, brav, leise, lieb und drohte in schierer Schönheit zu ersaufen. Sara ist sympathisch, fast ein kleiner Sonnenschein gemessen an den melancholischen Fadosängerin aus Lissabon und Porto, das Publikum groovte sich auf unaufregende Midtempo- und Balladen-Grooves ein, tänzelte vor sich hin und lächelte dabei kollektiv glückselig. „Sind Portugiesen hier? Kreolen? Brasilianer? Ihr könnte dann übersetzen, was ich singe. Denn ich will nicht zu viel zu den Songs erzählen, ihr sollt sie erspüren.“ Was erspürte man da, bei den anfangs fast zeitlupenhaften Liedern? Das Gefühl, jetzt lieber meditieren zu wollen? Alles blieb dezent, selten wurde das Tempo erhöht, der Wunsch nach einem Miss- oder lauten ton wurde zumindest bei mir immer lauter. Denn ob Saras Gitarrist akustische portugiesische oder E-Gitarre spielt, es machte keinen Unterschied. Aber alle, vor und auf der Bühne schienen glücklich über die mehrfach herbei gesungenen good good vibes im cold country with warm-hearted people. Saras Offenbarung ließ nicht lange auf sich warten: „I’m a very calm person, sometimes I can say I’m boring.“
Am Sonntag dann die schon erwähnte Sophia und meine kleine Auszeit mit Ausflug nach Mainz (siehe Beitrag zu Tina Dico). Eine gute Wahl, denn ich hatte den Sänger mit dem Doppelnamen und dem weiblichen Alias schon gesehen, wenn auch nicht mit Streichern und Riesenaufwand, dem er aber – so Augen- und Ohrenzeugen – ohnehin nicht gerecht wurde, weil alles in einem ziemlichen Klangbrei unterging. Für eine Überraschung sorgte dafür der sympathische Support, William Fitzsimmons. Der war im bett vor einiger Zeit schon klasse. Apropos Support. Der überraschten auch am Montag bei The Dø. Da saß eine junge Frau hinterm Keyboard und versprühte, obwohl sie einige really sad songs spielte, Charme ohne Ende. „Hört zu und macht ein trauriges Gesicht dazu“, nahm sie gleich jede bemühte Ernsthaftigkeit aus dem Spiel, fand, dass die Atmosphäre in der Brotfabrik mit den rein- und raus gehenden Leuten, um sich einen Drink an der Bar zu holen, an ein Picknick erinnere und schlug vor, alle mögen sich doch friedlich auf den Boden setzen was auch umgehend geschah, das Aufmerksamkeitspotential erhöhte und die staunenden Neu-Fans der Sängerin sehr positiv reagieren ließ. „Thanx for your enthusiasm“, konterte die Schöne auf der Bühne nicht ohne Süffisance und danke mit einer fast artistischen Einlage bei einem fliegenden Wechsel zwischen Klavier und Geige. Ein weiterer Höhepunkt, ein quasi interaktives Lied, ich glaube über eine Dreiecksbeziehung zwischen Künstlern. Mittendrin fragte sie: „Und – wie könnte die Geschichte weiter gehen?“. Mehrere Vorschläge kommen aus dem Publikum, der eine zu konventionell, der andere, ja, ganz passabel, ein dritter wirklich überraschend. Der wurde aufgegriffen und spontan verarbeitet. Welches unentdeckte Talent hatten wir um Himmels willen vor uns? Von woher hatte man uns die junge Dame geschickt? Wieder jemand aus dem schier unerschöpflichen Talentpool Skandinavien? Ein Songeinzähler beflügelte die Phantasie. Inspiriert (ha, ha) vom letzten Grand Prix hörte ich mich sagen: „Vielleicht kommt sie ja aus dem Baltikum?!“ Obwohl – Estland schied aus. Mit Finnisch verwandt klang das nicht. Die Letten klingen für mich eher „schwedisch“. Bliebe Littauen und das grenzt an... „Hey, am Ende ist sie Polin...“ Und tatsächlich, suprise, surprise, stammt die in Berlin lebende Julia Marcell aus – Polen.