Der Neubau des Historischen Museums will eine Brücke schlagen zwischen Moderne und Stadtgeschichte. Eine Baustellenbegehung mit Museumsdirektor Jan Gerchow.
Christoph Schröder /
Das erste Exponat ist bereits eingetroffen: Die überlebensgroße Statue Karls des Großen, 1843 für die Alte Brücke geschaffen, steht bereits, in einer Holzkiste verpackt und gesichert, im Rohbau des Historischen Museums, genau an jener Stelle, wo sie auch ab 2017 stehen soll, wenn der Neubau für die Besucher geöffnet ist. „Die Statue“, erläutert Museumsdirektor Jan Gerchow, „wäre zu schwer gewesen, um sie in das fertige Museum zu transportieren.“ Und auch der neue Parkettfußboden hätte den Koloss nicht getragen – also wird der Fußboden nun um das Exponat herumverlegt. Man hat, so macht es den Anschein, an alles gedacht.
Der Altbau des Historischen Museums auf dem Römerberg war umstritten. Der betonlastige Brutalismus der 70er-Jahre-Architektur setzte ganz bewusst einen Kontrapunkt zu seiner Umgebung, zum etwas puppenstubenhaften Ambiente der historisierenden Altbauten, zum gegenüber gelegenen Haus Wertheym, erbaut 1479; das einzige mittelalterliche Bauwerk, das die Bombardierung überstanden hat. Das Konzept des Stuttgarter Architekturbüros Lederer Ragnarsdóttir Oei, das für den Entwurf des Neubaus verantwortlich zeichnet, geht einen anderen Weg: Das neue Historische Museum soll sich in seine Umgebung einfügen, trotzdem als neues Haus kenntlich sein, in seiner Architektur quasi die Frankfurter Stadtgeschichte nachvollziehen und eine harmonische Verbindung zu den Altbauten schaffen.
Wir haben uns mit Museumsdirektor Jan Gerchow zu einem Baustellenspaziergang verabredet. Harald Heußer, Leiter des Frankfurter Hochbauamtes, ist ebenfalls dazugekommen. Wenn sie über den Neubau sprechen, merkt man, wie stolz sie auf das Gebäude sind, in dem jedes Detail stimmig sein soll, angefangen bei der Verkleidung mit rötlichem Mainsandstein in seinen unterschiedlichen Zeichnungen, über die Ausblicke, die man in den unterschiedlichen Etagen auf die Stadt hat, bis hin zum Klima- und Wärmekonzept. Vom neuen Ausstellungskonzept erst gar nicht zu sprechen.
3200 Quadratmeter Ausstellungsfläche hatte der Altbau zuletzt; im neuen Haus hat Jan Gerchow knapp 6000 Quadratmeter zur Verfügung. Betritt man den neuen Innenhof, erheben sich rechts und links die beiden jeweils dreigeschossigen Neubauten. Über eine Balustrade schaut man direkt in die Frankfurter Geschichte hinein: Das Mauerwerk aus der Staufer- und Karolingerzeit ist erhalten geblieben; die während der Bauarbeiten überraschend aufgefundene Kaimauer des Frankfurter Hafens wird offen zwischen den beiden Gebäudeteilen präsentiert und ist von Stegen aus von oben zu besichtigen. Eigens dafür wurde die ursprüngliche Planung noch einmal überarbeitet.
Durch einen großen Lichtbrunnen blickt man von oben in das Foyer, das die beiden Gebäudeteile verbindet. Auch das eine Besonderheit: Der vom Römer aus gesehen linke Neubau, der den Großteil der Ausstellungsfläche beinhalten wird, wird keinen eigenen Eingang haben, sondern kann nur über den rechten Neubau betreten werden. Von dort aus geht es eine Ebene tiefer ins Foyer, wo sich das Café und die Schneekugel befinden, ein vom niederländischen Büro Kossmann.De Jong konzipierter Roboter, der im Wechsel acht Frankfurt-Klischees als Stadtmodelle präsentiert.
Das zukünftige Ausstellungskonzept ist, wie Jan Gerchow erklärt, bereits klar definiert. Neben Wechselausstellungen sind es vor allem die beiden Themenkomplexe „Frankfurt Einst?“ und „Frankfurt Jetzt!“, die die Besucher erwarten. Ersterer bietet zunächst einen Gang durch 1000 Jahre Stadtgeschichte in 100 Objekten, um dann in den Themengalerien Bürgerstadt – Geldstadt – Weltstadt in die Tiefe zu gehen. „Frankfurt jetzt!“ wiederum integriert sowohl die bereits bestehende „Bibliothek der Alten“ als auch das Stadtlabor, eine Ausstellungsreihe zu wechselnden Themen, die unter Beteiligung diverser Gruppierungen und Initiativen der Stadtgesellschaft entstehen soll. Das ist es, was Gerchow immer wieder betont: „Wir wollen ein offenes Haus sein.“ Schon der Rohbau löst dieses Versprechen ein.