Liebe Festhalle, Du bist nicht nur eine architektonische Schönheit mitten in der Stadt, Du hast auch maßgeblichen Anteil an meiner musikalischen Sozialisation. Und das schon bevor ich die ersten Konzerte in Deinem weiten Rund erleben durfte. Da war ich noch jung, sammelte Anstecknadeln auf der IAA und traf meinen ersten Popstar am Mercedes-Stand, mein damaliger Held, hatte er mich doch vor der Mollenhauer Student Blockflöte gerettet und mich mit seiner Version von „Cotton Fields“ der Melodica zugeführt. Der Mann hieß Udo Jürgens und sah zu meiner Überraschung genau so aus, wie ihn Rolf Kauka in seinem berühmten Fix & Foxi-Heftchen (das kleine Lupinchen war ein großer Jürgens-Fan) gezeichnet hatte. Im Vergleich riesig großer Kopf auf einem verhältnismäßig kleinen Körper. Typische Szene mit Aufnahmegerät
Mein erstes Konzert in der „Gudd Stubb“ erlebte ich 1970, der erste von nur zwei Auftritten von Led Zeppelin in Frankfurt. Direkt nach der Schule war ich im zarten Alter von 15 (was lange Diskussionen mit der Mutter bedeutete) an die Messe gefahren, wunderte mich über die „Amis“, die sich schon am frühen Nachmittag aus langen Schläuchen betranken und wie ich dem Einlass entgegen fieberten. Später, als ich dann eine Band hatte, waren wir immer als Clique unterwegs zu den Konzerten, schmuggelten (in einem US-Army-Brotbeutel – so was hatte man damals) unser kleines Philips-Cassetten-Aufnahmegerät in die Halle für total verhallte, schlechte Aufnahmen. Aber wir hatten unserer eigenen Bootlegs, die wir untereinander austauschten. Die Bilder dazu wurden mit einer Kodak Instamatic gemacht – die mit dem berühmten Würfelblitz. Auch klar, dass dessen reichweite nicht die Bühne ausleuchtet, selbst wenn man sich bis in die zehnte Reihe vorgearbeitet hatte. Die Tickets für die Festhalle kosteten damals zwischen 12 und 14 Mark, dafür sah man dann oft zwei gute Bands, Jethro Tull beispielsweise mit en grandiosen Gentle Giant im Vorprogramm.
Jethro Tull
Unter den Namen, an die ich mich aus den Anfangstagen meiner Konzertgängerkarriere erinnern kann, sind die Bekanntesten Pink Floyd, Emerson, Lake & Palmer, Deep Purple (Mark III mit Ian Gillan, auch das erste Konzort mit David „noch dauergewellt“ Coverdale), Ten Years After, Grand Funk Railroad, Queen (über die schrieb ich dann schon ´77 in der Neuen Presse: Freddie Mercury: Ein neues Sex-Symbol“, jawoll), Supertramp. J. Geils Band, die Rolling Stones 1980 dann – längst schon offiziell als „Kritiker“ unterwegs – gab es das Highlight mit Santana, Led Zeppelin und Frank Zappa an drei Tagen hintereinander und im selben Zeitraum auch noch The Who dazu (Artikel hier).
Ian Anderson und der Blitz der Kodak Instamatic
Ich erlebte, wie die Festhalle klanglich fit gemacht wurde, Du eine Schönheits-OP bekamst, die Fenster in der Kuppel eine Dämmung erhielten, aber auch die schöne Treppe in den ersten Rang abgerissen wurde.
Deep Purple
Ich muss auch zugeben, ich ging immer mehr fremd. Klar hatte man schon mal mit der Stadthalle in Offenbach, dem Volksbildungsheim, den Hallen in der Region, Rüsselsheim, Mainz, Wiesbaden geflirtet. Denn da spielten die, die keine 12.000 Fans mobilisierten, aber trotzdem interessant und wichtig waren. Und immer mehr waren es die Clubs, die Batschkapp und die Wartburg in Wiesbaden, wo die Newcomer rockten, sich für spätere große Aufgaben warm spielten, allen voran The Police, Joe Jackson, The Cure.
Queen und Freddie Mercury (unten)
War man deswegen plötzlich „indie“? Wohl kaum, aber irgendwie mochten man dem Hype, der um Acts wie Springsteen, Prince und Whitney Houston gemacht wurde und die die Festhalle füllten nicht wirklich nachvollziehen... Ok, man musste nicht mehr alles haben und so wurden auch die Besuche weniger. Aber klar, wann immer Du eine wunderbare Produktion beherrbergt hast, war ich dabei, hab´s mir schön gemacht, auch, indem ich die richtige Begleiterin mitgenommen habe, Ellen zu Peter Gabriel, Conni zu Deep Purple mit Sinfonieorchester. Und dass Tina mich zu Robbie Williams (den ich mir sonst angetan hätte aufgrund seiner Vergangenheit) genötigt hat, rechne ich ihr heute noch hoch an. Und auch Jack Johnson konnte ich mit ihr so richtig genießen. 2008 konnte mich allein Leonard Cohen in Deinen Rund locken... aber alte Liebe rostet bekanntlich nicht... Wir sehen uns wieder...