Unsere Kolumnistin war in Basel und freut sich über die Großherzigkeit, mit der das Geld dort die Öffentlichmachung von Kunst hegt. In Frankfurt dagegen spare man sich gerne etwas ab – zum Beispiel unter der Taunusanlage.
Ana Marija Milkovic /
Ich war die Tage in Basel und habe Freunde besucht. Immer, wenn ich in Basel bin, gehe ich zum Tingeuly-Brunnen an der Kunsthalle. Meine Freunde wohnen in der Nähe, so dass ich den Ort gut erreichen kann. Dort verbringe ich ein bisschen Zeit und schaue auf die sich bewegenden Maschinen im Wasser. Immer wieder entdecke ich ein neues Detail. Vielleicht hatte ich es zwischenzeitlich auch vergessen. Dann macht es mir Spass, es vor Ort wieder zu entdecken. Während ich dort stehe, denke ich über die Zeit nach, die vergangen ist seit dem letzten Besuch.
Der Brunnen ist für mich so formvollendet, so dass ich mich darüber hinaus nicht für Tingeulys-Werk interessiere. Ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht, dass ich, wenn mich ein Kunstwerk besonders rührt, diesen Moment konzentriert für mich behalte. Das ging mir mit Büchern wie "Schuld und Sühne" von Dostojewksi und "Mein Leben als Mann" von Philipp Roth ähnlich.
Durch (Kunst)werke erinnere ich mich, wer ich war und wie ich mich verändert habe. Dieses Gefühl hervorzurufen gelingt mir mit einigen Werken über Jahre hinweg. Kunst ist für mich ein sinnlicher Prozess, in dem ich meine Zeit messe. Naturgemäß lässt sich Kunst schwer durch Abbildungen vermitteln, besser noch: erfahren. Schriften über Kunst sind oft auch mehr hinderlich als zuträglich dabei, Kunst zu verstehen. Es hilft nur eins: hingehen und ansehen.
Lesen ist autonom möglich. Auch wenn mich Bücher mehr dazu inspirieren als zum Beispiel ein Tableau oder eine lose Blattsammlung. Der Weg zur Kunst ist für mich ein haptischer Prozess. Der Prozess ist persönlich, wenngleich vielfältig. Manche sind freier für Neues. Kunst ist der erste Kuss. Er ist mit unterschiedlichen Autoren möglich. Küssen ist etwas anderes, als mit den Urhebern ständig ins Bett zu gehen. Gerne hätte ich Peggy Guggenheim dazu befragt.
In Basel ist nun auch ein Museum nach Tingeuly benannt. Ich habe es noch nicht besucht. Auch mit seiner zweiten Frau, Niki de Saint Phalle, hat Tingeuly zusammengearbeitet. Die meisten von uns kennen sie besser als ihren Mann. Sie ist bunt und hat Wiedererkennungswert. Den hat Tingeulys Werk natürlich auch. Die Maschinenfiguren in Basel sind aber alle schwarz. Der Brunnen wirkt bei aller Freude auch streng. Saint Phalle knallt dagegen in Farben und Formen an das Leben heran.
Mich berührt Niki de Saint Phalles Werk weniger. Erst als ich las, dass sie von ihrem Vater mit elf Jahren missbraucht wurde, fing ich an, mir über ihre Kunst Gedanken zu machen. Aber das ist nicht Kunst. Das ist Psychologie. Es ist mir unangenehm, wenn Künstler diese Erfahrungen diskursiv zum Bestandteil ihrer Kunst machen. Saint Phalle tat das nicht. Sie schrieb ihrer Tochter einen Brief, der nun wohl öffentlich ist.
Tinguely ist ein Kind der Stadt. Er ist gelernter Dekorateur und wichtiger Vertreter der kinetischen Kunst. Das würde ihn in der Kunst zum Autodidakten machen, ließe sich Kunst erlernen. Das natürlich nicht.
Dieser Ort und die Terrasse des Restaurants an der Kunsthalle sind der Sammelplatz in der Stadt zur Art Basel, wo sich gegen Abend Kunstinteressierte unterschiedlichster Herkunft und Couleur treffen. Der Ort ist öffentlich. Dabei entwickelt sich ein Glimmer wie Peppino di Capri und sein Lied La la la la.
Ich brauche keinen Tempel um Kunst zu erleben. Noch weniger benötige ich ein Bürogebäude dazu. Es sollen Räume sein, die sich inmitten von Städten öffentlich finden lassen und unentgeltlich sind. Unsere Kunsttickets sollen Banken bezahlen. Das fände ich richtig.
Die Credit Suisse lädt während der Umbauphase der Kunsthalle Interessierte dazu ein, kostenlos ein Teil der Sammlung der Kunsthalle Basel zu besichtigen. Ich war froh, darin Beuys für mich neu zu entdecken. Es ist lange her, dass ich Werke von ihm zusammenhängend ausgestellt sah. Und zum ersten mal habe ich etwas darüber verstanden. Ich kann der Credit Suisse dafür nur herzlich danken.
Die Credit Suisse sponsert, so erklärte mir ein Besucher vor Ort, den ich staunend nach dem Grund fragte, weil die Banken ein sehr schlechtes Image haben, und deswegen mit Sponsoring dagegen "anfördern" müssen.
In einem Wettbewerb zur Taunusanlage Frankfurt, an dem ich mit meinem Büro 2006 teilnahm, erhielt ich den ersten Preis mit meiner Idee, die Sammlung der Deutschen Bank öffentlich in der Verkehrsfläche zu den S-Bahngleisen auszustellen. Ich fand den Gedanken großartig. Das Preisgericht der Stadt Frankfurt, die Deutsche Bahn und die Deutsche Bank auch. Dann plötzlich fanden zwei von dreien die Idee störend, weil kostenintensiv.
Das Konzept ist zwischenzeitlich, wenngleich rudimentär, umgesetzt. Ich vermute, die Deutsche Bank ist sich über die Urheberrechte dazu nicht im Klaren oder fördert kein sonderliches Interesse daran. Gefragt wurde ich nicht. Eingeladen war ich zur Eröffnung auch nicht. Durch Zufall habe ich davon erfahren. Soviel zum kulturellen Umgang in unserer Stadt, Urheberrechten und Menschen, die kreativ sind. Und ich habe wieder etwas, über das ich nachdenken kann am Tingeuly-Brunnen in Basel.