„Wir werden das Bahnhofsviertel nicht nur mit rosa Zuckerguss verziert zeigen, sondern auch die schwierigen Seiten“, versprach Almuth Westecker, stellvertretende Leiterin des Presse- und Informationsamtes.Morgen ist es soweit: bei der zweiten Bahnhofsviertelnacht kann der Kiez erkundet werden. Uns Journalisten wurde schon mal ein Vorgeschmack gegeben.
Erster Stopp: das Bonita Kosmetikstudio. Nur um Missverständnisse auszuschließen – hier werden zwar Massagen aller Art angeboten, aber wirklich nur Massagen. Prädikat Zuckerguss. Von außen ist der Laden leicht zu übersehen, über einer Einfahrt hängt nur ein kleines Schild. Zuerst geht es durch einen Innenhof, dann runter in den Keller. Der Duft von Räucherstäbchen schlägt uns schon auf der Treppe entgegen. Die kolumbianische Inhaberin mit dem schönen Namen Anna Leonore Moreno Murillio erklärt ihr Angebot: Neben Massagen werden auch Kosmetikbehandlungen und Epilation angeboten. Sie habe viele Kunden aus ihrer Heimat: „Die kommen hierher wegen Cellulite oder um abzunehmen“. Dafür gibt es nämlich auch Tipps und Mittelchen.
Weiter geht es zum Wohnungslosentreff der Diakonie. Prädikat: schwierige Seite des Viertels. „Hier hab ich schon mal in der Werkstatt geschlafen. Die hatten da früher ein Notbett drinnen“, erzählt ein Kollege. Er war vor zehn Jahren von Berlin nach Frankfurt zurückgezogen und war wegen Anlaufschwierigkeiten am neuen Wohnort auf solche Angebote angewiesen. Doch auf Nachfrage beim stellvertretenden Leiter, Werner Leonardi, weiß dieser nichts davon. „Wir haben hier acht Notbetten und 39 Plätze im stationären Wohnheim, aber von einem Bett in der Werkstatt weiß ich nichts.“
Die offiziellen Wohnräume sind dafür sehr gemütlich. Große Fenster, bunte Farben und eine gut durchdachte Raumeinteilung wirken einladend. Es gibt etliche Tische, eine Ecke mit Betten zum ausruhen, eine Leseecke, eine Computerecke und der wohl meist genutzte Raum – eine Treppe am Hintereingang. Hier sitzt ein Grossteil der Bewohner und raucht. Der Koch Werner Exner steht in der Küche, kocht und schenkt Kaffee aus.
Nach diesem Stopp kommen wir zur Taunusstraße 21 – einer kreativen und interdisziplinären Bürogemeinschaft (Zuckerguss). „Hui, hier sieht es aber nach Arbeit aus“, ruft Westecker überrascht als wir das Büro betreten. Und damit hat sie recht. Auf Regalen und Tischen stapeln sich Papiere, Entwürfe und Modelle. Diese Einrichtung teilen sich Architekten, Grafiker und Immobilienmakler verschiedener Firmen. Felix Novak, Geschäftsführer der Architektur-Firma „bb22“ erzählt, wie es ist im Bahnhofsviertel zu arbeiten: „Natürlich kriegt man das Milieu mit. Es ist eine andere Welt vor und hinter der Tür.“ Dennoch sei das nichts Negatives, sie haben den Standort ganz bewusst gewählt. „Wir wollten eine interessante und urbane Atmosphäre. Und an der Rahmenplanung für das Bahnhofsviertel haben wir auch mitgearbeitet.“ An der Bahnhofsviertelnacht kann man hier nicht nur die Räume bewundern, es gibt auch eine Whisky-Bar und ein kulinarisches Angebot.
Der letzte Stopp des Tages ist das Lebensmittelgeschäft „Feinkost Schenck“ (wieder: Zuckerguss). Die drei Herren, die an verschiedenen Stehtischen gerade ihr Mittagessen genießen, kucken ein wenig verdutzt, als sich der Laden mit Journalisten, Fotografen und Kameraleuten füllt. Da der Platz recht beengt ist, haben wir bald alle Gäste verscheucht. Teilinhaber Hans Peter Schenck scheint es uns aber nicht übel zu nehmen. Er betreibt den Laden mit seinem Bruder Georg. Seit 1899 hat „Feinkost Schenck“ seinen Standort in der Münchner Straße, davor war er in der Freßgass zu finden. „Ein bisschen alter Glanz ist noch zu spüren“, so Schenck über das Bahnhofsviertel. Wohl schon in der siebzehnten Generation führen sie das Geschäft. Ganz sicher ist sich Schenk mit der Zahl nicht. Die Brüder haben sich auf Nordmeerfischen und andere europäische Feinkost, wie Geflügel und Käse spezialisiert An der Bahnhofsviertelnacht bietet Schenk französische Köstlichkeiten an.
Insgesamt werden am 20. August dreißig Geschäfte zur Besichtigung geöffnet haben. Manche davon waren schon bei der ersten Bahnhofsviertelnacht dabei, andere sind neu. Darunter das Bonita Kosmetikstudio, der Tagestreff der Diakonie, die Taunusstraße 21, die Kaiserpassage, das Café Elbe und viele andere.