Jane Birkin: Serge bleibt ihr Lucky star

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Detlef Kinsler /

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Jane Birkin überrascht jedes Mal mit einem neuen Outfit. Gemessen an ihren lässigen Understatement-Baggy trousers im Vorjahr oder gar ihrem roten Dress der "Arabesque"-Tour vor sechs Jahren waren die Klamotten am Montag wenig spektakulär: Anzughosen, Herrenhemd, Weste, locker gebundener Schlips, herunter hängende Hosenträger, dazu ihre pflegeleichte, burschikos wirkende Kurzhaarfrisur -- keine Bange, Jane wollte uns nicht den Kerl geben. Vollkommen unpassend zum klassischen Outfit tigerte die Film- und Stil-Ikone über die Bühne -- wunderschön ausgestattet mit riesigen Glühbirnen -- wie ein Slacker. Den Groove hat sie nicht erfunden wie sie in einer ihrer mit deutschen Worten gespickten, englisch-französischen Mischmasch-Conférencen uneitel zu gibt, ihre Körperbewegungen bleiben ungelenk. Oft sitzt sie auch auf einem Barhocker oder lehnt am Flügel, vor allem dann, wenn die Chansons traurig, melancholisch, auch nostalgisch sind. Da ist der Blick traurig oder verklärt, aber wann immer ein Song vorüber ist, fällt die Birkin in ihr -- da soll jetzt nicht abfällig klingen -- Dauergrinsen, die Augen werden schmal und muss automatisch an John Wayne denken: All the best cowboys have Chinese eyes. Sie lächelt ihr Publikum an, sehr direkt mit Blickkontakt zu vielen einzelnen. Denn sie ist ehrlich dankbar, dass die Leute in ihr Konzert kommen, das Geld fürs Ticket ausgeben, statt vorm Fernseher zu sitzen und Fußball zu gucken. Man glaubt es ihr.

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Die Band ist diesmal anders besetzt, klingt homogener. Bei letzten Mal wechselten die drei Musiker ständig die Instrumente, was durchaus spannend war, Abwechslung bot, die Musik stilistisch nicht gerade leicht greifbar machte. Diesmal gibt es einen Pianisten und Keyboarder, eine Cellisten, eine Kontrabassistin und einen Menschen an verschiedenen Saiteninstrumenten, akustischer und E-Gitarre, Mandoline, Ukulele. Trotzdem hat das alles keine kammermusikalischen Züge, auch das Klischee von Chanson wird durchbrochen (Gainsbourg hatte textlich wie musikalisch seine eigene Sprache). Es ist Combo-Musik im besten Sinne, hat auch Jazz-Flair und vieles mehr, zum Beispiel Chaplin- oder Calypso-Assoziationen. Birkin singt die Songs ihres aktuellen Albums "Enfants d'hiver" mit dem schönen Booklet mit den Kinderfotos. Aber die Sängerin ist nicht nur in der Vergangenheit unterwegs, arbeitet auch viel mit aktuellen Künstler, Klassikern wie Tom Waits, aktuellen Spezialisten wie Beth Gibbons oder Divine Comedy und den jungen Franzosen. Aber von ihrem Serge, dem sie am Ende des Konzerte mit großer Geste einen Gruß in den Himmel schickt, kommt sie nicht los. "Serge ist und bleibt mein lucky star, mein Glücksstern. Und wenn ich über ihn plaudere, dann tue ich das, als wäre er noch unter uns", sagte sie letztes Jahr in unserem kurzen Interview. Aber auch andere Komponisten lässt sie neben ihm bestehen. "Ich hatte Serge für 40 Jahre -- was kann man mehr verlangen. Und er war sicher der größte französische Autor seit Baudelaire."

Auch wenn man mit Gainsbourgs Werk nicht en detaille vertraut ist, so hört man schon am dann noch euphorischerem Beifall, wenn einer seiner Hits anklingt (eine Setlist des Abend bilden wir als besonderen Service ab). Aber sie holt auch ieemr wieder unbekanntere Songs ans Licht -- einer, den sie singt, ist 25 Jahre alt, war bei ihr -- von anderen Kollegen interpretiert -- in Vergessenheit geraten. "Aber er hat nichts von seiner Faszination verloren, ist nicht älter geworden." Diese Aussage passt auch irgendwie auf ihre Person. Ihr Publikum liebt sie, immer wieder ist in Gesprächen im Foyer -- unabhängig von ihrem fortschreitenden Alter jenseits des 60er Marke -- zu hören, wie sweet sie doch sei. Jane Birkin liebt, was sie macht, und hält es nicht für selbstverständlich, dass sie dafür gefeiert wird. Aber die Herzlichkeit ihres Publikums nimmt sie gerne an und "arbeitet" am guten Verhältnis. "Gestern in Hamburg guckte ich auf meinen Tourneeplan und las Mousonturm und hoffte, dass es der selbe Ort wie letztes Jahr sein würde -- this place was heaven last year!" Und auch diesmal war Frankfurt was ganz Besonderes für sie: "You made me the happiest glückliche girl in the world."

Dass auch ihre Fans glücklich nach Hause gehen, dafür sorgt Jane Birkin, denn sie scheut nicht den Kontakt zum Publikum. So wandert sie mit einem Glühbirnenschirm durchs Publikum bis hinauf auf den Balkon und kommt zum CD-Signieren und Bilder machen ins Foyer. Da tauchen dann auch seltsame Gestalten auf, hier zwei -- schreiben wir mal respektlos -- "ältliche" Autogrammjäger --, die der Künstlerin dann gleich stapelweise Fotos zum Unterschreiben hinlegen. Darunter nicht nur das Cover von "Je t'aime" von 1968 und das wohl bekannte Oben ohne-Portrait, sondern fast pornographische Ganzkörperakte der jungen Jane. Sie signiert alles souverän, denn sie scheint im Frieden mit sich selbst und Serge zu leben.

Fotos: Detlef Kinsler


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