Die Alte Oper – Großer Saal 19.45 Uhr, die Reihen füllen sich, im Parkett etwas langsamer. Der Fan-Club nimmt seine Plätze in den ersten beiden Reihen ein. Vielleicht sind es auch Gewinner der hr3-Verlosung vom Sonntagvormittag. Der Kollege zur linken wirkt gelangweilt, während der hinter mir Sitzende bereits vier Konzerte diese Woche abgearbeitet hat. Ich weiß nicht, ob ich ihn beneiden oder bedauern soll. Um 20 Uhr kommt dann die Vorgruppe zum Einheizen in Form eines Solisten samt E-Gitarre. Aber vergessen wir Sven Schuhmacher und konzentrieren uns auf das was kommt. Beschwerden werden laut, dass es zu lange dauert bis es beginnt, aber um wen geht es hier? Die Grande Dame betritt um 21 Uhr die Bühne wie es sich für eine Diva gehört.
Ganz in weiß mit Sonnenbrille kommt sie von hinten über die Treppe nach vorne zur Band: Wir erinnern uns kurz: fast 42 Jahre alt, vom Krebs geheilt und seit kurzem verheiratet. Tja, da sollte sich so manch weiblicher Fan doch eine Scheibe abschneiden: Anastacia ist schön, hat eine Top-Figur und ganz entscheidend: Sie kann singen! Die Blonde mit der schwarzen Stimme. Sie entschuldigt sich beim Publikum für ihre längere Abwesenheit, denn sie braucht die Bühne, das Publikum. Aber nun wird alles gut. Auch gut - nein, sehr professionell - sind ihre beiden Backround-Sängerinnen, die mitunter fast gleich auf mit ihrer Chefin stehen. Und da wäre noch Hanna, die Schwarze an den Keyboards links: Sie kommt aus Berlin und begrüßt die jubelnde Menge in bestem Deutsch, wer hätte das gedacht!
Überhaupt die Show, viel Enternainment, viel Ansprache ans Publikum, von dem sie hofft, dass man sie versteht. Manche Fans hinter uns tun das allerdings nicht. Spontan jedoch reagiert sie auf den Zuruf aus dem Publikum „we are family“ zu singen, was ihr prinzipiell kein Problem bereitet, nur der Text, den hat sie gerade nicht präsent, aber egal, wozu hat man ein singendes Publikum. The Show must go on und ihre zwei Tänzer präsentieren das volle Programm. Akrobatikeinlage über einer mit Wasser gefüllten Badewanne: wir sind beeindruckt. Anastacia macht zwei Umziehpausen, die ihre Band überbrückt, bei der zweiten kommt ihre Stimme dazu vom Band, das beeindruckt uns weniger, allerdings werden wir sofort wieder eingefangen von einer perfekt eingespielten und immer wieder witzigen Sängerin, die uns mit bauchfreiem Sexy-Outfit gänzlich verwirrt. Immer wieder schüttelt sie Hände, die ihr aus dem Publikum direkt vor der Bühne entgegen gestreckt werden, geschickt gelingt ihr ein kurzer Ausflug ins Parkett und wir fragen uns, ob der schwarze Bodyguard wohl der frischgebackene Ehemann ist. Der Rückweg jedoch kostet einige Mühen, denn für Highheels ist Bühne anscheinend etwas zu hoch, sie verliert ihren Kopfhörerempfänger, aber egal, auch im Liegen kann man singen: wer kann, der kann. Der zweite Kostümwechsel bringt eine black Anastacia zurück auf die Bühne. Von „Heavy Rotation“ bis zum Schlusslied „left outside alone“ bleibt kaum Luft zum atmen. Die Diva entschwindet im Jubel ohne Zugabe, und der Kollege zur Linken schien das zu wissen, denn der war schon längst weg.