Goetheplatz revisited

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Nils Bremer /

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Demokratie heißt ja auch, sich der Mehrheit zu beugen. So ist das selbst bei einer harmlosen Platzeröffnung. Dem Goetheplatz, dem Rathenauplatz und dem Roßmarkt wurde diese Ehre der Eröffnung gestern zu Teil (ja, ich weiß, gestern soll man nie schreiben, weil das ja in Zeiten des Onlinejournalismus so weit her ist, aber gestern, da habe ich meine äußerst objektive News geschrieben - was nichts anderes heißt als: jetzt wird's gleich subjektiv).

goetheplatzJedenfalls ging ich in der freudigen Erwartung dorthin, Planungsdezernent Edwin Schwarz dabei beobachten zu können, wie er sich etlichen Hohns und Spotts erwehren müsste angesichts dieses Trumms, dieser städtebaulichen Unmöglichkeit, dieser schwarzversiegelten Stöckelschuhfalle, die zwei Dutzend Architekten- und Ingenieurbüros, man kann es nicht anders sagen, verbrochen haben. Doch dann steht Herr Schwarz da und sagt, das sei ein großstädtischer Platz geworden und klar, im Winter sei es leicht zu meckern, da sei ja alles grau und trist, und dass man diesem Ensemble Zeit geben müsse und nun schauen sie doch: die Leute nutzen den Platz doch, sie mögen ihn. Ein Tageszeitungskollege, den ich ansonsten sehr schätze, sagt voll Überschwang: "Das ist für mich der schönste Platz der Stadt, der allerschönste!" Und dann interessiert sich auch noch zu allem Überfluss ein kleiner Junge für den Springbrunnen, den man in den Boden eingelassen hat und die Fotografen stürzen sich sogleich auf ihn, weil Kinder kommen ja immer gut und deswegen sieht man am nächsten Tag nicht Herrn Schwarz in den Tageszeitungen, sondern das Kind. Der einzige Protest kommt von Mitarbeitern der einstigen BFF-Fraktion (nennen sich jetzt Freie Bürger, weswegen wahrscheinlich auch von einem Bürgerprotest die Rede ist). Dann werden Brezeln gereicht. Die Mehrheit hat entschieden: dieser Platz ist offenbar ganz wunderbar. Ich überlege noch kurz, in einer Guerilla-Aktion (siehe auch unser Wochenthema) ein bisschen dunkles Pflaster durch Blumen zu ersetzen. Doch das wäre kindisch; und außerdem undemokratisch.

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