Frankfurter entdecken ihre Stadt

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Almut Siefert /


Christian Setzepfandt führte die JOURNAL-Leser durchs Bahnhofsviertel

Gestern Abend fand die erste Bahnhofsviertelnacht in Frankfurt statt. Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 120jährigen Geburtstag des Hauptbahnhofs, wurde vielen interessierten Frankfurtern die Möglichkeit gegeben, ihren Kiez einmal näher zu erkunden. Diese Chance wollte auch ich mir nicht entgehen lassen und nahm, wie rund 800 andere, an einer der vielen vom JOURNAL FRANKFURT organisierten Führungen durchs Bahnhofsviertel teil. Dieses erschien mir immer als sehr bunt und vielschichtig und ich konnte mir gut vorstellen, dass es viele Aspekte in sich verbirgt, die einem auf den ersten, oberflächlichen Blick schnell entgehen können. Um endlich mal einen tiefer gehenden Einblick in das Leben am Bahnhof zu erhalten, schloss ich mich gestern Abend um 18 Uhr der Tour des Stadtführers Christian Setzepfandt an.


Sogar das Fernsehen war am Start

Hinter ihm hasteten ich und rund 20 andere knappe zwei Stunden durch die Straßen des Quartiers. Durch die Vorgabe eines strammen Tempos schaffte er es tatsächlich, in dieser Zeit unsere Blicke für die vielen Fassetten des Bahnhofslebens zu schärfen. Da die Führung an sich schon sehr informativ und gut strukturiert war, gab es nur selten eine Zwischenfrage von Seiten der Zuhörer.


Licht und Schatten im Bahnhofsviertel

Schon nach ein paar Schritten prallten wir auf ein zentrales Thema der Tour: die Zerstörung der prunkvollen Bahnhofsviertel-Architektur, die jedoch nicht nur durch die Zerstörungswut des 2. Weltkrieges bedingt war. So tat es doch schon fast weh, vor Gebäuden zu stehen, die erst nach dem Krieg in den 1950er und 60er Jahren abgerissen und durch nicht gerade ansehnliche Bauten dieser Zeit ersetzt wurden. Die historischen Aufnahmen aus dem Ordner von Herrn Setzepfand, zum ehemaligen Schumann-Theater beispielsweise, gaben einen schönen Eindruck davon, wie es hier einmal ausgesehen hat.


"Typische" Gründerzeitfassade

Als wir dann vom dem Platz des Theaters gegenüber des Bahnhofs in die Niddastraße einbogen, konfrontierte uns auch gleich das nächste Bahnhofsviertel-Thema: Drogen. Als wir da in Stadtführungsmanier in die Straße liefen, mit Kameras bewaffnet, flüchteten schon die ersten von dem „Haus Leipzig“ in einen abgelegeneren Hauseingang. Wobei das Interesse nicht nur einseitig war: einer der Flüchtenden zückte sein Fotohandy und dokumentierte unsere Kultursucht. Ich fühlte mich aber schon ein wenig unbehaglich, gegenüber der Einrichtung für Drogensüchtige zu stehen und die knapp 30 davor stehenden Süchtigen wie im Zoo zu bestaunen. Aber mir wurde durch diese Führung noch mal die Wichtigkeit solcher Einrichtungen direkt vor Augen geführt, was ja im Alltag oft verloren geht.



Ein weiterer Aspekt, der uns bei der Führung begegnete, war der, dass sich im Bahnhofsviertel alte und neue Elemente des Frankfurter Lebens miteinander verbinden. Im „Haus Leipzig“ ist noch im Vorderhaus die früher in Frankfurt weit verbreitete Pelzindustrie vertreten, während man im Hinterhaus eine der vielen modernen Postproduction-Agenturen aus der Filmindustrie antrifft.


Das Kürschnerhandwerk war im Viertel einst stark vertreten...


... heute ist es geprägt von internationaler Gastronomie...


... und kreativen Projekten, wie dem Jeans-Hotel.

Das Frankfurter Sperrgebiet mit seinen 26 „Laufhäusern“, durfte natürlich bei der Führung durchs Viertel auch nicht fehlen – auch hier sorgten die vielen staunenden Gruppen für Interesse bei den Damen an den Fenstern. Für die Geschichten über die Schicksale der Edelprostituierten Rosemarie Nitribitt und Helga Matura, die in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts in Frankfurt ermordet wurden, war hier der beste Platz. Weiter, vorbei an den wirtschaftlich bedeutenden Bauten der Taunusanalge, der Deutschen Bundesbank und der Dresdner Bank, erfuhren wir noch, dass der Club „Living XXL“ schon immer ein sogenannter „Anmachschuppen“ war, für frühere Generationen in Form des Café Rumpelmayer.


Im Bahnhofsviertel treffen Welten aufeinander



Bei unserem Abschluss des Rundgangs durch die Kaiserstraße wurde am Ende der Tour noch einmal deutlich, dass die Frankfurter Stadtreparateure in den nächsten Jahren noch viel zu tun haben, um auch die Kaiserstraße zu ihrem ehemaligen Status als „Prunkboulevard“ wieder auferstehen zu lassen. Die Tour endete vor der dem „Pure Platinum“, wo sich viele an diesem Abend einen Eindruck vom Frankfurter Table-Dance-Angebot machten.


Nachts erwacht das Viertel zum Leben (Foto Harald Schröder)


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