Sie sind zu hören, bevor sie zu sehen sind. Spitze Schreie und gurgelndes Stöhnen hallen durch die Straße. Dazwischen ein Murmeln, das ansteigt zu immer lauter werdenden Rufen aus vielen hundert Kehlen: „Fleisch! Fleisch! Fleisch!“ Und dann schlurfen die Untoten um die Ecke.
Unter den Gestalten, die da über Kaiserstraße und Zeil wandeln, sind verweste Bräute, die noch ihre vertrockneten Blumensträuße in der Hand halten, Chirurgen mit Mundschutz, Krankenschwestern, Soldaten, beschlipste Banker, ein Spieler der Offenbacher Kickers. Über und über mit Blut besudelt, schleifen manche ausgerissene Beine hinter sich her, nagen an schleimigen Gedärmen oder abgerissenen Köpfen. Die Teilnehmer des Zombie Walks haben sich große Mühe gegeben, um auszusehen, als seien sie gerade der Hölle entstiegen.
Rund 400 Untote sind dem Aufruf der Veranstalter gefolgt und haben sich am Samstagabend um 19 Uhr am Hauptbahnhof versammelt. Der Zombie Walk gehört zu den Flash Mobs, über das Internet organisierte Aktionen, bei denen sich viele Gleichgesinnte spaßeshalber an einem Ort treffen, um durch ihr gleichzeitiges gemeinsames Handeln die Zuschauer zu irritieren. In diesem Fall mehr als erfolgreich: Die Passanten entlang der Route – Kaiserstraße, Zeil, Fahrgasse, Dom, Neue Kräme, Fressgass' und Alte Oper – wirken schockiert, erschrecken sich, staunen, nehmen's mit Humor. Viele zücken ihre Handykameras, um den Anblick festzuhalten.
Auf der Zeil bringen die Zombies einen Junggesellinnen-Abschied zum Schreien, sprengen ein Schlager-Konzert an der Hauptwache. In der Fahrgasse drängen sich die Insassen des Ebbelwei-Express' ängstlich auf die gegenüberliegenden Sitze, als sich blutige Hände und gruselige Fratzen an die Fenster pressen. Highlight der Verschnaufpause am Römer: Zwei untote (männliche) Nonnen performen den Tanz aus Michael Jacksons Musikvideo Thriller, bevor sich die Rotte aufmacht, um über die Hauptwache zur Alten Oper zu wanken. Und natürlich, um auf dem Weg noch einigen Frankfurtern das Fürchten zu lehren.