Dem Staub zuhören

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Nils Bremer /

recherchen

Mit der Performance Siebenschoenchen ging die Reihe recherchen09 im Mousonturm zu Ende; eine Reihe, die sich schlicht gesagt mit Alltäglichkeiten befasste, mit dem Gehen, dem Paktieren, dem Arbeiten. Doch was an diesen Dingen ist schon alltäglich? Cecilie Ullerup Schmidt und Lucie Tumova zeigten die Dekonstruktion der Wirklichkeit, nämlich eines wirklichen Films aus dem Jahr 1966, "Sedmikrásky", was wörtlich übersetzt eben Siebenschönchen und übertragen, man lernt nie aus, Gänseblümchen heißt. Während der Film in England unter dem Namen Daisies vertrieben wurde, vertrieb man ihn in Deutschland als Tausendschönchen. Auf YouTube ist der Film neungeteilt hier anzusehen. Es ist ein kleiner, ziemlich verrückter Film über Marie 1 und Marie 2, zwei Damen, die sich langweilen und deswegen ziemlich komische Dinge tun. Es ist alles ganz harmlos, aber der Film wurde nach dem Prager Frühling trotzdem verboten. Man weiß ja nie. Schön, dass er nun im Rahmen dieser Performance wieder zu Ehren kommt - und auch schön, dass danach unter Moderation des Theaterkritikers Hans-Friedrich Bormann darüber diskutiert wurde. Denn einfach zu verstehen sind die bruchstückhaften Realitäts- und Geschichtsfetzen nun wirklich nicht. Zugleich zeigt sich: wir suchen immer nach Sinn, und nach dem Nutzen, und aus Wegen aus der Langeweile. Die beiden Maries machen ziemlich viel aus ihrer Langeweile. Hüllen sich in raschelndes Zeitungspapier, tanzen herum, füttern sich mit Äpfeln oder sitzen auf ihren Matratzen und machen nichts, außer, wie Lucie Tumoca später sagt, dem Staub zuhören. Wir müssen nichts wollen. Welch beruhigende Botschaft in diesen Zeiten.


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