Der Frankfurter Garten hat den Nachbarschaftspreis gewonnen. Das ist schön, aber wirklich verdient, meint unsere Autorin, hätte ihn das Café am Ostbahnhof, das gerade weggentrifiziert wurde. Mieterhöhung: schlappe 1000 Euro.
Alice Zwetok /
Frankfurt wächst, gut. Die Stadt wächst heute klüger, auch das ist gut so. Gentrifizierung: das böse Wort geht auch in Frankfurt - mitunter zu - leicht über die Lippen, wenn über die Veränderungen im Bahnhofsviertel, im Gallus oder Ostend geredet wird.
Doch jenseits jeden Nostalgieverdachts oder stadtsoziologischen Diskurses trifft das. Es trifft Menschen und liebgewonnene Orte, die nicht immer schön, manchmal eher eigenartig und auf jeden Fall einzigartig sind. Zuhause eben – und nicht irgendwo im globalen Dorf.
Ein solcher Ort war das Cafe am Ostbahnhof: über vierzig Jahre lang ein kleiner Familienbetrieb an der Flanke des Ostbahnhofs, der nicht nur für Durchreisende (früher mit dazugehörigem Hotel), sondern vor allem für „die Ostendler“ der Treffpunkt am ansonsten trostlosen Danziger Platz war. Wo man ein Glas für Einsfuffzig bekam und ehrliche Gerichte zum kleinsten Preis. Nachbarschaftstratsch und ein wenig gute Frankfurter Raubeinigkeit inklusive.
Ein Ort, der gleichsam auch der Zeit gefallen schien, und nun verdrängt ist von der Gier nach mehr im Schatten der neuen Hochburg der europäischen Finanzwelt. Wer da auf die Idee kommt, eine Mieterhöhung von monatlich 1000,00 Euro sei zeit- und marktgemäß, hat vermutlich recht. Ist es aber rechtens, das dann auch zu tun? Ungehört, ungestört? Und was hilft dagegen?
Der zuständige Ortsbeirat schweigt offenbar - und hat bei seinem Neujahrsempfang am 31. Januar feierlich einen Nachbarschaftspreis an den Frankfurter Garten überreicht für wirksames Engagement im Stadtteil. Auch das ist schön. Aber dessen würdigste Preisträgerin zweifellos Petra Eggert vom Cafe am Ostbahnhof wäre. Seit Jahrzehnten, wie gesagt. Petra Eggert hat ihr Cafe ohne viele Worte Ende 2013 geschlossen.
Und der Römer schweigt sowieso (wahrscheinlich nicht wissend von diesem Kleineleutedrama im Ostend).
Bei aller verständlichen Stadtentwicklungseuphorie müssen Nischen möglich bleiben, menschlich, und bunte Widerhaken im Sog des Höherschnellerweiter. Hier könnte die Stadt Frankfurt ihren Anspruch als nachhaltige Stadt und Vorreiterin einlösen, ganz konkret (wie sie es an anderer Stelle ja bereits tut) zu Gunsten einer konsequent werteorientieren Entwicklung, die nicht alles in Kauf nimmt. Die ihrem Ruf als eine der lebenswertesten Stadt und „Top-Spot“ dieser Welt gerecht wird. Und wollten wir nicht eigentlich nach der letzten Finanzkrise Einiges anders machen? Wo, wenn nicht an der eigenen Haustür - in der prosperierenden Bankenmetropole? Frankfurter Bürgerinnen und Bürger: Schreit auf!