Ausstellung im Städel

Im Angesicht der Porträts

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In der Ausstellung „Vis-à-vis“ zeigt das Städel rund 100 Porträts und Selbstbildnisse aus seiner graphischen Sammlung. Zu sehen sind Werke bekannter Künstler aus zwei Jahrhunderten, aber auch viele bekannte Gesichter.

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Stellen Sie sich vor, Sie gehen in eine Kunstausstellung und das Erste, das Sie sehen, sind Sie selbst. Reflektiert, in einem Spiegel, Vis-à-vis sich selbst gegenüber, wohl das flüchtigste Selbstporträt, aber nicht unbedingt das authentischste, da abhängig vom Betrachter. Dieses Gegenüber von Gesichtern ist das Thema der Ausstellung „Vis-à-vis“, in der das Städel etwa 100 Porträts und Selbstbildnisse aus seiner Graphischen Sammlung zeigt. Gleich zu Beginn blickt man in einen von fünf Spiegeln.

„Vis-à-vis“ - das ist in einem doppelten Sinn gemeint. Zum einen, was die Produktion angeht, bei der der Künstler seinem Modell gegenübersitzt (bei einem Selbstporträt hilft oft ein Spiegel), zum anderen schauen Betrachter und Bild sich oft gegenseitig an. Die Porträtierten versuchten, so Kuratorin Jutta Schütt, „Blickkontakt aufzubauen“. Man schaut – und wird zugleich von 100 Augenpaaren beobachtet.

So sieht man Bilder aller Machart: Von der Zeichnung über den Druck zur Fotografie, von Max Beckmann bis Anders Zorn, von Francisco de Goya aus dem ausgehenden 18. Jahrhunderts bis zum Porträt des Komponisten Philip Glass von Chuck Close aus dem Jahr 1995. Der Wiedererkennungswert ist hoch: Man sieht Prominente wie die Brüder Grimm, Karl Marx, Vincent van Gogh, Oskar Mahler, Thomas Mann und Albert Einstein. Auch Andy Warhols „Goethe“-Druck hat einen Platz in der Schau bekommen – und sogar in erhöhter Position.

Aber auch Unbekannte, die von umso bekannteren Künstlern verewigt wurden. Zum Beispiel minimalistische Zeichnungen von Olaf Gulbranson und David Hockney, die mit wenigen Strichen ihre Modelle charakterisieren, sowie Alberto Giacomettis „Portrait de Diego“ (1950), ein eher skizzenhaftes Porträt, das ein Suchen, ein buchstäbliches Kreisen des Künstlers sichtbar macht – Kunst erscheint hier als nicht endenwollender Prozess.

Besonders interessante Selbstporträts stammen von Ernst Ludwig Kirchner, wie etwa sein Holzschnitt „Melancholie der Berge“ (1929, siehe Bild), auf dem das Gesicht zur blauen Gebirgslandschaft wird. Dieses hängt neben Roy Lichtensteins Pop-Art-Druck, der sich stark an den Holzschnitten der Expressionisten orientiert. Bemerkenswert ist auch ein Kirchner-Porträt, das der Freund und Schüler Albert Müller angefertigt hat: Eine Radierung, die Kirchner nach dem Druck korrigierte. Bruce Nauman hat Studien zu seinem Körper gemacht – und zwar beim Grimassenziehen. Seine fünf Fotos korrespondieren mit Louis-Léopold Boillys „Ansammlung von 35 Köpfen“: Ein Kuriositätenkabinett grotesk verzerrter Fratzen.


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