Anwohner kämpfen gegen Baumonster

Favorisieren Teilen Teilen

Jan-Otto Weber /



Es war um acht Uhr gestern Morgen als Helga Rau, Bewohnerin des Hauses Höhenblick 56 in der gleichnamigen Wohnsiedlung in Ginnheim, das Bauschild an der Gartentür der angrenzenden Doppelhaushälfte entdeckte. Bauvorhaben: „Abbruch einer Doppelhaushälfte mit Doppelgarage“. Und tatsächlich stand einige Meter weiter auch schon ein erstes Baufahrzeug bereit. Gegen halb neun folgte ein weiterer LKW, beladen mit einem Bagger, im Vorgarten begann einer der Arbeiter zu graben. Bei den Nachbarn läuteten spätestens jetzt die Alarmglocken – sie verständigten die Polizei.




Zur Vorgeschichte: Der Berliner Mediziner Axel Dignaß, Chefarzt der Klinik I im Markus-Krankenhaus, hatte im Frühjahr die Doppelhaushälfte Höhenblick 54 erworben. Da dem Arzt die 150 Quadratmeter Wohnfläche für seine fünfköpfige Familie jedoch zu klein erschien, beantragte er den Abriss der Haushälfte und einen Neubau von 310 Quadratmetern Wohnfläche mit einem zusätzlichen zweiten Obergeschoss und einem Carport. Obwohl die städtische Bauaufsicht den Anliegern des architektonisch einheitlich gestalteten Straßenzuges in der Vergangenheit Bauvorhaben wie die Errichtung von Carports verwehrte, wurde Herrn Dignaß nach Aussagen seines Frankfurter Anwalts Hans Beeg am 14. August eine Baugenehmigung erteilt.


Noch in Harmonie vereint: die Doppelhaushälften Höhenblick Nummer 54 (Mitte) und 56 (rechts)



Die Anwohner sprechen von „Verschanzungsarchitektur“ und einem „Baumonster“, das in Mitten ihrer einheitlichen Siedlung entstehen soll. „Der Höhenblick wäre kein Höhenblick mehr“, so eine Nachbarin. „Da kann ja keiner mehr drüber schauen.“ Entgegenkommende Angebote der Anliegergemeinschaft, etwa das Bauen auf die benachbarte Grundstücksgrenze oder ein lukratives Kaufangebot für das Grundstück, habe der Bauherr abgelehnt. Hingegen präsentierte der zukünftige Nachbar bei einer Versammlung die Baugenehmigung. „Wir fühlen uns hintergangen“, so ein Anwohner, „der kommt aus Berlin hierher und zerstört unsere Siedlung.“ „Und der will mit uns hier wohnen?“ fragt eine andere aufgebrachte Nachbarin.


Scheinbar gesprächsbereit: Bauherren-Anwalt Hans Beeg (rechts) und Projektmanager Stich

Als letzte Rettung riefen die Anlieger Christoph Mohr, den Landeskonservator beim Landesamt für Denkmalpflege, an. Und tatsächlich bestätigte dieser am 12. August, zwei Tage vor Ergehen der Baugenehmigung, dass die Doppelhaushälfte unter Denkmalschutz stehe. Der Frankfurter Architekt Carl-Hermann Rudloff, der in den 1920er Jahren gemeinsam mit Architekt und Dezernent Ernst May zahlreiche Siedlungen im Frankfurter Nordwesten gestaltete, gilt als Urheber des Hauses. Daraufhin veranlassten die Anwohner einen einstweiligen Baustopp, der jedoch noch nicht wirksam ist.


Noch ist alles in Ordnung, doch fünf Minuten später...

So lange wollte Anwalt Beeg gestern Morgen auch nicht warten. Nachdem die Polizei einen Abriss vorläufig untersagt hatte (der Bagger durfte aber, da er ja schon mal da war, im Garten stehen bleiben) und wieder abgefahren war, baten die Anlieger den Rechtsvertreter des Bauherrn Dignaß den Entscheid über den Abriss unter Berücksichtigung der denkmalpflegerischen Erkenntnisse abzuwarten. Doch der Anwalt schaffte im Beisein der Architektin und des Leiters der ausführenden Baufirma (Projektmanagement Stich) vollendete Tatsachen – und ließ, vor den Augen der schockierten und wütenden Anwohner, den Bagger Löcher in die Fassade der Haushälfte reißen. Offensichtlich zufrieden beließen es die Vertreter des Bauherren für gestern bei diesem ersten Schritt. Angesprochen auf die im Verfahren befindliche einstweilige Verfügung und das Gutachten des Denkmalschutzes, kommentierte Beeg: „Uns liegt eine rechtmäßige Baugenehmigung vor. Schließlich kostet es nicht ihr Geld. Mit mir hat niemand gesprochen.“


...steht das vermeintliche Kulturdenkmal kräftig ramponiert da.

Anwohner Ludwig-Wilhelm Schleiter vermutet hinter dem Vorgang eine Klüngelei mit der Stadt. Akten seien verschwunden, noch nie hätte er erlebt, dass innerhalb von zwei Wochen eine Baugenehmigung erteilt wurde. „Das ist kein Rechtsstaat sondern ein Beziehungsstaat.“ Auch Frau Rau will sich dieses Vorgehen nicht gefallen lassen. Zumal noch nicht mal geklärt ist, ob durch den Abriss der Nahbarhaushälfte nicht auch statische Schäden an ihrem eigenen Haus entstehen.


Frau Rau macht sich berechtigte Sorgen um ihre Doppelhaushälfte (links mit Balkon)


So soll das Anwesen nach Willen des neuen Nachbarn aus Berlin nach dem Umbau aussehen


Anzeige
Anzeige

Mehr Kultur-News

Anzeige
Anzeige

Ausgeh-Tipps

 
Anzeige
 
Anzeige
Anzeige

Kalender

Anzeige