Foto: Die gemeinschaftliche Dachterrasse von „anders leben – anders wohnen“ © Netzwerk Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen e.V.
Gemeinsam statt einsam in Frankfurt

Wie gemeinschaftliches Wohnen das Leben verändert

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Warum alleine wohnen, wenn es auch gemeinsam geht? In Frankfurt gibt es mehrere selbstorganisierte Wohninitiativen und -projekte, unter anderem den Verein „anders leben – anders wohnen“.

Chiara-Sophie Burkhardt /

Gemeinschaftsorientiertes Wohnen stellt eine vielversprechende Alternative zu traditionellen Wohnformen dar. In einer Gesellschaft, die zunehmend von Anonymität geprägt wird, suchen viele nach Wegen, das Gefühl der Zugehörigkeit und des Zusammenhalts zu stärken. „Ich habe hier ganz viele Freunde gefunden. Man fühlt sich füreinander verantwortlich“, sagt Friedhelm Ardelt-Theeck, Bewohner einer generationenübergreifenden Hausgemeinschaft.

Das Wohnprojekt „anders leben – anders wohnen“

1995 gegründet, realisiert der Verein „anders leben – anders wohnen e.V.“ die Idee eines solidarischen, generationenübergreifenden Wohnens. 2002 ziehen die ersten Mieterinnen und Mieter in die Leuchte 35a in Bergen-Enkheim ein. Ardelt-Theeck zieht 2006 nach langer Wohnungssuche mit seiner Familie ein, Brigitte Hoemberg stößt vor 18 Jahren dazu, als sie in Bockenheim allein lebte und sich ein gemeinschaftliches Leben wünschte. Angela Unruh-Härdtner kommt als alleinerziehende Mutter 2002 ins Projekt, um ihren Kindern eine alternative Lebensweise zu bieten.

Hoemberg: „Das ganze Haus ist mein Zuhause“

Der Alltag ist alles andere als anonym. Es gibt keine dunklen, kahlen Flure, keine fremden Türen, hinter denen sich unbekannte Nachbarinnen oder Nachbarn verstecken. Die Bewohnerinnen und Bewohner kennen sich gut und tauschen sich regelmäßig aus. „Ich habe hier das Gefühl, das ganze Haus ist mein Zuhause“, erklärt Hoemberg. Dennoch bleibt die eigene Wohnung ein Rückzugsort. Fester Bestandteil des gemeinschaftlichen Lebens sind gemeinsame Aktivitäten wie das samstägliche Frühstück und regelmäßige Organisationstreffen. Spontane Aktionen wie der Bau von Hochbeeten oder Filmabende im Gemeinschaftsraum sorgen für zusätzliche Begegnungen.

Auch der Kostenlosschrank vor dem Haus gehört zum Alltag. Hier stellen Bewohnerinnen und Nachbarn nicht mehr benötigte Dinge ab, die andere kostenlos mitnehmen können. Solidarität wird in der Leuchte 35a großgeschrieben: Wohnungen werden je nach Bedarf getauscht. 2013 wurde ein Aufzug eingebaut, um das generationenübergreifende Wohnen für alle zu ermöglichen – die Kosten trugen alle, unabhängig von der eigenen Nutzung. Der stressige Alltag mit Job und Kindern sowie unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse stellen oft eine Herausforderung dar. Die Bewohnerinnen und Bewohner müssen oft Kompromisse eingehen und lernen, mit unterschiedlichen Ansichten und Bedürfnissen umzugehen.

Generationen profitieren voneinander

Ein weiterer zentraler Aspekt des Projektes ist die generationenübergreifende Struktur. Die jüngeren Generationen profitieren von den Erfahrungen der älteren, umgekehrt bringen die Jüngeren frische Impulse und Dynamik in die Gemeinschaft. Derzeit leben Menschen verschiedenster Altersgruppen unter einem Dach – der älteste Bewohner ist 82 Jahre alt. Für Susan Marckhoff, die im August 2024 mit ihrer Familie eingezogen ist, ist „es ist einfach schön, wenn unser Kind hier weitere Bezugspersonen hat“.

Das Projekt ist dabei kein Einzelfall: „anders leben – anders wohnen e.V.“ gehört zu rund 100 selbstorganisierten Wohninitiativen und -projekten, die im „Netzwerk Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen“ zusammengeschlossen sind.

Netzwerk Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen fördert und vermittelt

Das „Netzwerk Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen“ fördert bezahlbare Wohnmodelle und vermittelt zwischen Stadt und Bürgerinnen und Bürgern. Besonders ältere Menschen profitieren von verlässlichen Nachbarschaften. Auch Familien und junge sozialpolitisch engagierte Menschen suchen zunehmend nach alternativen Wohnformen. Herausforderung bleibt der Zugang zu Immobilien und Grundstücken, da der Markt von renditeorientierten Investoren dominiert wird. In Frankfurt zeigt das Konzeptverfahren erste Erfolge, bei dem Grundstücke nicht nur an den Höchstbietenden vergeben werden, sondern auch nach sozialen und ökologischen Kriterien. Langfristig könnte der gemeinwohlorientierte Wohnungsbau einen wichtigen Beitrag zur Lösung der Wohnungsnot leisten – vorausgesetzt, er wird systematisch gefördert.

In der Leuchte 35a freut sich Friedhelm Ardelt-Theeck bereits auf die neuen Bewohnerinnen und Bewohner: „Ich bin mal gespannt, wie das mit den neuen Leuten klappt. Da sind Musiker dabei, dann können wir wieder Musik machen.“

Info
Dieser Artikel ist im Rahmen des Fortbildungsprogramms „Buch- und Medienpraxis“ der Goethe-Universität Frankfurt entstanden. Das Programm ist ein berufspraktisches Angebot, das in die Arbeit im Literatur-, Medien- und Kulturbetrieb einführt. Mehr Infos finden Sie hier.


Foto: Die gemeinschaftliche Dachterrasse von „anders leben – anders wohnen“ © Netzwerk Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen e.V.
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