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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Verkehrswende

„Frankfurt muss wieder Fahrradstadt werden“

Frankfurt ist einmal eine echte Fahrradstadt gewesen. Heute scheint das Auto die Stadt zu regieren. Das muss sich ändern. Ein Gastbeitrag.
Frankfurt am Main ist eine ideale Fahrradstadt. Überschaubarer als Berlin, grüner als Düsseldorf und flacher als Stuttgart. Von Nieder-Erlenbach im Norden bis Niederrad im Süden kann man Frankfurt, die kleine Großstadt, in einer knappen Stunde durchqueren. Per Bike, wohlgemerkt. Frankfurt bietet also topographisch, von der Lage und der Größe her gesehen, beste Voraussetzungen für die ideale Fahrradstadt.

Und die Zahl der Radfahrer wächst. Schließlich macht das Radfahren nicht nur den Biker glücklich, sondern auch das Klima. In Zeiten, in denen die Polarkappen schmelzen und in Frankfurt im vorigen Sommer bei bis zu 38,4 Grad Celsius der Asphalt qualmte, verbindet sich mit der Wahl des Verkehrsmittels auch eine Botschaft an die übrige Welt. Schließlich strampeln Radfahrer gegen den Klimawandel an und gegen die Verpestung der Luft. Denn der Straßenverkehr ist verantwortlich für mehr als ein Viertel der Co2-Emissionen. Von einem Rückgang kann keine Rede sein, vielmehr nahm der Ausstoß von Abgasen zuletzt kräftig zu. Die Zeit drängt.

„Frankfurter Radler fahren Adler“

Gut, dass Frankfurter für das Radfahren von jeher ein ganz besonderes Faible haben. Die viel beschworene Metropole der kurzen Wege kann an eine verschütt‘ gegangene Tradition als Fahrradstadt anknüpfen. Frankfurt ist Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Stadt der Fahrrad-Pioniere gewesen: Dazu gehört der Wegbereiter des ersten Frankfurter Bike-Booms, Heinrich Kleyer, der vor mehr als 140 Jahren den „Bicycle Club Frankfurt“ gründete. Dazu gehört auch der erste Rad-Weltmeister August Lehr, natürlich ein Frankfurter, der Ende des 19. Jahrhunderts auf der Radrennbahn im Palmengarten Erfolg auf Erfolg feierte. Angefeuert von „August, August“-Rufen, unvergessen.

Dazu zählen die legendären Sechstagerennen in der Frankfurter Festhalle. Die Tradition der Radrennen „Rund um den Henninger Turm“, heute „Frankfurt-Eschborn“. Und dazu gehört die bedeutende Produktion von Fahrrädern in den Adlerwerken im Gallus: Dort, in der Gutleutstraße 9, konnten mutige Männer und Frauen Ende des 19. Jahrhunderts hinter verschlossenen Türen und unter Kronleuchtern das Radfahren üben. „Frankfurter Radler fahren Adler“, dieser Slogan war wirklich jedem geläufig. Radfahren war in Frankfurt Gesellschaftssport, machte Frauen mobil und diente später als bezahlbares Vehikel für Arbeiter.

Frankfurt: Die ehemals amerikanischste Stadt Deutschlands

Frankfurt ist also auch von seiner Tradition her unbestreitbar die ideale Fahrradstadt. Wenn da nicht all die Autos wären. Die sind gegenwärtig leider nicht zu übersehen. Stauen sich hupend durch die Stadt. Parken Plätze, Alleen, Gehwege und Fahrradspuren zu. Allein 400 000 Pendler kommen täglich in die Stadt, um hier zu arbeiten: 80 Prozent von ihnen – meist allein – mit dem Auto. Denn aus den Trümmern, die sich in Frankfurt nach den verheerenden Luftangriffen türmten, machten Stadtplaner nach dem Zweiten Weltkrieg zuallererst Straßen.

Die amerikanischste Stadt Deutschlands wurde rund um den Fetisch Auto wiederaufgebaut. Die autogerechte Stadt galt als Beweis von Fortschritt und Wirtschaftswunder. Man war stolz auf breite Schneisen wie die Berliner Straße, auf das erste Parkhaus der jungen Republik an der Hauptwache und natürlich auf den Verkehrsknoten am Frankfurter Kreuz. Kein Wunder, dass Frankfurt 1951 zum Ort der Internationalen Automobil-Ausstellung wurde.

Mehr Radfahren, weniger Autofahren

Doch das ist längst vorbei. Die Automesse hat sich nach München verabschiedet, Frankfurt stellt jetzt das Fahrrad ins Rampenlicht: Im Juli 2022 eröffnete am Main die erste Euro-Bike – die weltgrößte Fahrradmesse. Gleich gibt es einen neuen Spirit in der sich nach Begeisterung sehnenden Stadt. Janette Sadik-Khan setzt dort wuchtige Sätze in die Welt: Radfahren „ist der Schlüssel zur Veränderung der Welt“, sagt die Verkehrsplanerin aus New York, verantwortlich für neue Radwege in der US-Metropole. Denn Städte wie New York, Paris oder Barcelona machen vor, wie mutige Verkehrspolitik geht. Das bedeutet nicht: eine autofreie Stadt anzustreben. Aber es heißt: mehr Radfahren, weniger Autofahren.

Spätestens mit dem Klimawandel muss auch allen Frankfurtern klar sein: Die Stadt braucht eine Verkehrswende, also Vorfahrt für Fahrräder. Im Umland und auf dem Land, daran zweifelt niemand, ist das Auto schwerer zu ersetzen. Das bedeutet: Der Verkehr mit Bussen und Bahnen muss besser werden, an den Stadträndern sollten Park-and-Ride-Plätze entstehen, um Pendler zum Umsteigen zu bewegen. Das nahm sich Frankfurt schon oft vor und dachte früher auch schon mal an eine City-Maut wie in London. Wirklich vorgewagt hat sich 2009 allerdings nur der damalige Verkehrsdezernent Lutz Sikorski: Er machte die Durchfahrt an der Hauptwache dicht. Die Wirtschaft tobte, beschwor den Untergang der Stadt und Verluste beim Umsatz. Nicht anders als heute, wenn Geschäftsleute im Oeder Weg um ihre Einnahmen fürchten.

Was könnte man nicht mit all dem (Park-)Platz anfangen?

Dabei war der Radentscheid bei den Frankfurtern gut angekommen. Und hatte auch im Römer Widerhall gefunden: Nach dem Erfolg des Bürgerbegehrens für eine bessere Rad-Infrastruktur legten sich CDU, SPD und Grüne im August 2019 gemeinsam darauf fest, Frankfurt wieder zu einer Fahrradstadt zu machen. Was nichts anderes heißt als: sichere Radwege zu schaffen, auch an den Hauptverkehrsachsen. Und fahrradfreundliche Nebenstraßen „attraktiv umzugestalten“, wie aktuell Oeder Weg, Grüneburgweg und Schweizer Straße.

Damit soll auch die Lebensqualität „aller Frankfurter und Frankfurterinnen gesteigert“ werden. Und das läuft nicht ohne Konflikte ab. Doch es geht um nichts weniger als eine „Zeitenwende“, zu einer lebenswerten Stadt für alle – in der auch Kinder und Alte sich sicher zu Fuß oder auf dem Rad bewegen können. In der auch Anwohner der Friedberger und der Eschersheimer Landstraße nachts mit offenen Fenstern schlafen können: In der schlechte Luft, verstopfte Wege und quälender Lärm der Vergangenheit angehören. Und was könnte man nicht mit all dem (Park-)Platz anfangen?

Das Fahrrad als „magische Materie“ wiederentdecken

Jetzt ist es ist an der Zeit, Frankfurt neu zu entdecken. Dazu gehört der Traum von der fahrradgerechten Stadt. Eine Stadt, die sich Fußgänger und Radfahrerinnen zurückerobern. In der Radwege nicht plötzlich im Nichts enden und Schlaglöcher die Weiterfahrt unmöglich machen. In der Frankfurter ihr Rad wieder als „magische Materie“ zu schätzen wissen.

Frankfurt kann und muss wieder Fahrradstadt werden. Das sind wir auch den jüngeren Generationen schuldig. Und das ist der Stoff, aus dem man eine tolle Geschichte machen kann. Denn Frankfurt ist eine ideale Fahrradstadt. Wenn da nur irgendwann nicht mehr die vielen Autos wären. Es ist an der Zeit, das „Frankfurter Kreuz“ neu zu definieren: den Mittelpunkt Europas als Herausforderung anzunehmen – für die radikale Verkehrswende. Und Frankfurt endlich zu dem zu machen, was seine innerste Bestimmung ist: die ideale Fahrradstadt.

Infos__________________________________________________________________
Zur Person: Matthias Arning ist Journalist und Buchautor, zuletzt „Radlers Traum Frankfurt“.

Am 26. April um 19 Uhr findet im Massif Central, in der Eschersheimer Landstraße 28, ein Panel-Talk zum Thema „Fahrradstadt Frankfurt“ statt. Dabei werden sich Matthias Arning, Autor von „Radlers Traum Frankfurt“, Florian Jöckel von guilty76 und Inhaber des Massif Central sowie Jasmin Schülke, Chefredakteurin vom JOURNAL FRANKFURT über die Zukunft des Frankfurter Radverkehrs unterhalten. Der Eintritt zum Gespräch ist frei.

>> Dieser Text erschien zuerst in der April-Ausgabe des JOURNAL FRANKFURT (4/23).
 
16. April 2023, 10.00 Uhr
Matthias Arning
 
 
Fotogalerie:
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